Was verbindet das Kosmos-Mosaik mit dem Turmschmuck der Garnisonkirche?

Die Politikerin und Kunsthistorikerin Saskia Hüneke (Grüne) hat einen umfangreichen Aufsatz über das sozialistische Mosaik am Rechenzentrum und den barocken Turmschmuck der Garnisonkirche verfasst, der jetzt vom Research Center Sanssouci veröffentlicht wurde. Er ist dort als reich bebilderter 35-seitiger Debattenbeitrag lesbar. Der MAZ hat sie im Gespräch erklärt, was sie herausgefunden hat – und warum sie sich intensiv mit zwei Werken auseinandergesetzt hat, die ihr persönlich beide nicht sehr nahe stehen. Frau Hüneke, wurde zur Bedeutung dieser Kunstwerke nicht alles gesagt? Saskia Hüneke: Jedes Mal, wenn man ein Kunstwerk erneut betrachtet, wird man neue Ideen haben. Derzeit wird der Diskurs zum Turm der Garnisonkirche stark auf die spätere Wirkungsgeschichte im Militarismus des späteren Preußens und im Nationalsozialismus reduziert. Und beim Mosaik fehlte mir einiges zum Ursprungshintergrund. Ich denke, man sollte beide Kunstensembles zunächst aus ihrer Entstehungszeit von 1730-35 und 1969-71 heraus interpretieren. Das geschieht zu selten und das habe ich jetzt getan. Fangen wir mit der Garnisonkirche an. Die Wetterfahne mit Adler und Sonne wird meistens antifranzösisch interpretiert, die Trophäen aus Rüstungen und Waffen als kriegerische Triumphgeste Preußens – was ist an dieser Zusammenfassung falsch? Zur Erbauungszeit dieser Kirche hatte Preußen keinen Anlass für militärische Triumphe, schon gar nicht über Frankreich. Es erschließt sich also nicht, warum der König das Symbol des Sonnenkönigs auf „seine“ Kirchen hätte setzen sollen. Dagegen gibt es diverse Bibelstellen und eine tradierte Sichtweise seit dem frühen Christentum, in denen die Sonne mit Christus identifiziert wird. Der Adler mit dem Blitzbündel wendet sich auch nicht kampfeslustig gegen diese Sonne. Ich interpretiere es so: Der Adler mit Blitzebündel steht für den König und das Monogramm für den Menschen Friedrich Wilhelm selbst. Beide ordnen sich Christus und damit christlicher Ethik unter. Der Turm wurde zugleich mit Waffen geschmückt. Was wollte der Soldatenkönig damit sagen? Das Martialische, Militärische hat den Turm deutlich geprägt, das ist aber nicht alles. Die Waffen werden u.a. auf die Keulen des guten Helden Herkules oder auf ein „Liktorenbündel“ aus Ruten, die seit dem antiken Rom für Gerichtsurteile stehen, arrangiert. Es ist eine Ansage: Hier ist die Macht, das Land in unsicheren Zeiten zu verteidigen und das geltende Recht durchzusetzen. Die Kombination von weltlicher und religiöser Ikonographie an diesem Turm ist sehr ungewöhnlich. Warum ist die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen? Andere Könige wie Friedrich II. haben ihren Ruhm neben dem des Feldherrn etwa als Förderer der Künste und Wissenschaften begründen können. Das war bei Friedrich Wilhelm I. anders. Sein martialisches Gebaren, seine Langen Kerls haben dafür gesorgt, dass er eindimensional als „Soldatenkönig“ im Gedächtnis blieb – bei Befürwortern und Kritikern gleichermaßen. Jetzt zum Kosmos-Mosaik. Ging es um eine Utopie der sozialistischen Gesellschaft oder war es eine Kampfansage an den Westen? Man sieht das Selbstverständnis der DDR in den 60er Jahren, einem Jahrzehnt, in dem die DDR als Teil des östlichen Bündnisses stark unter Druck stand. In den Mosaiken wird einerseits das Ideal der sozialistischen Gesellschaft entwickelt. Es geht um die Bedeutung von Naturwissenschaften, um marxistische Philosophie, die „wissenschaftlich-technische Revolution“, die Modernisierung der Landwirtschaft. Zugleich war der Kalte Krieg in einer heiklen Phase, die geheimen Planspiele der Militärs auf beiden Seiten waren geradezu gruselig. Der „Prager Frühling“ war eben erst niedergeschlagen worden. Es wird auf den Bildtafeln vermittelt, dass man im Wettbewerb der Systeme verteidigungsfähig ist. Und welche Rolle spielt Einstein, dessen Formel E=mc² zitiert wird? Er symbolisiert die Naturwissenschaft an sich und welche Bedeutung diese im Gegensatz zur Religion haben soll. Man kann das Rechenzentrum ja auch als „Gegenbau“ zur Garnisonkirche verstehen. Was verbindet beide Werke? Da gibt es vieles. Das Militärische wird jeweils als Verteidigung dargestellt. Dann der Denkansatz von Glaube oder Ideologie, die durchaus hierarchisch von oben nach unten in den Köpfen der Menschen verankert werden sollen. Beide Kunstensembles beziehen sich auf etablierte Vorbilder, bleiben damit künstlerisch konservativ. Bei der Garnisonkirche ist es der protestantische Kirchenbau und die Herrschaftsikonographie seit der Renaissance. In der DDR ist es das ausdrückliche Bekenntnis zum sozialistischen Realismus. Außerdem sind beides Auftragswerke der Herrschenden. Beim Garnisonkirchturm ist der Auftraggeber mit dem König klar zu benennen. Wer hat eigentlich das Kosmos-Mosaik bestellt? In der DDR unterstanden Auftragskunstwerke, zumal solche im öffentlichen Raum, dem Anspruch der Partei, also der SED. Die Auftraggebergremien waren damit eng verbunden. Es gab nach der Forschung von Susanne König drei Gremien dafür in Potsdam, die Arbeitsgruppe für künstlerische Gestaltung sowie den Gestalterischen und den Technisch-Gestalterischen Rat. Fritz Eisel, der Schöpfer des Mosaiks, war in all diesen Gremien vertreten. Hat Eisel sich an die Wünsche der Darstellung im Sinne des Staates gehalten oder gibt es Abweichungen von der erwarteten Linie? Kaum. Aus seinen eigenen Worten wird deutlich, dass er mit der Parteilinie vollkommen einverstanden war – und zwar über das normale Maß der Anpassung hinaus. Seine Bekenntnisse zum „sozialistischen Realismus“ und zur „führenden Rolle der Partei“ sind da ganz klar. Absolutismus und Sozialismus sind schließlich gescheitert und haben ihre Ideale nicht erfüllt. Welche Botschaften vermitteln die Kunstwerke dadurch? Jede dieser Gesellschaften hat sowohl Fragestellungen als auch Bereicherungen hinterlassen. Es gilt, die Probleme zur erkennen und aus heutiger Sicht wertvolle Impulse wahrzunehmen. Beim Kirchturm beispielsweise geht es eben auch um ein gewisses Rechtsverständnis, religiös begründete Nächstenliebe und damit individuelle Verantwortung, beim Mosaik um moderne Forschung, Bildung, Technologie, Rationalisierung und Gleichberechtigung. Ihr Aufsatz heißt „Alte Ideenwelten, neue Fragen“. Welche neuen Fragen müssen wir uns stellen? Ich habe bei der Betrachtung mit großer Überraschung festgestellt, dass beide Werkgruppen trotz aller Verschiedenheit gesellschaftspolitische Fragen aufwerfen, die heute noch außerordentlich relevant sind. Das könnte eine Brücke sein, denn auch wir bewältigen die Probleme unserer Gegenwart ja nicht. Zum Beispiel? Denken Sie an Fragen nach der Bedeutung von Rüstung und Abschreckung, nach dem Verhältnis von individueller Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung, nach den Mechanismen der Macht und Gefahren für die Demokratie und welche Bedeutung Religion und Ethik heute innehaben. Gefallen Ihnen diese Kunstwerke eigentlich? Sagen wir so: Aus beiden Epochen stehen mir andere Kunstwerke näher. Es ist der spannungsreiche öffentliche Diskurs, der mich zu dieser Betrachtung animiert hat. Ich habe mich bemüht, beiden Kunstensembles offen und differenziert zu begegnen. Unabhängig von der Frage, wie die bauliche Zukunft des Ortes aussehen könnte, sollten beide Ensembles nebeneinander erlebbar sein, als Zeugnis und Lehrstück der Geschichte. Von Peter Degener

Potsdam Interview zum Kosmos-Mosaik des Rechenzentrums und dem Schmuck am Turm der Garnisonkirche - welche Bedeutung hatten die Kunstwerke ursprünglich? Kunsthistorikerin Saskia Hüneke im Gespräch