Potsdam Stadtentwicklung Neue Aktionsgruppe gegen das RAW: „Wir werden dieses Projekt hier verhindern“

Die Auseinandersetzung um das Digitalprojekt „Creative Village“ am Reichsbahnausbesserungswerk RAW wird neuerdings mit schärferen Mitteln geführt. Eine Aktionsgruppe „RAW Investor verjagen“ bekämpft das große Gewerbeprojekt in der Friedrich-Engels-Straße nach jahrelangen öffentlichen Debatten nun anonym und mit Optimismus: „Ja, wir werden dieses Projekt hier verhindern, es hat mit den Menschen in dieser Stadt nichts zu tun!“, sagten die Aktivisten von sich. Aktionsgruppe kündigt zivilen Ungehorsam an: Nachdem die Aktionsgruppe mit einem riesigen Graffiti an der Mauer des alten Eisenbahnerareals auf sich aufmerksam gemacht hatte, nahm die MAZ Kontakt auf: „Selbstverständlich werden wir auch Formen des zivilen Ungehorsams nutzen“, kündigte die Aktionsgruppe am Montag an. In den vergangenen Tagen tauchten Flyer und Plakate mit Vorwürfen an die Stadt und den lettischen Investor Michael Zeligman auf, der sein Geld in der Erdöl-Industrie gemacht hat. Tenor: „Ein gemeinsames Rendite-Projekt der Stadt Potsdam mit der russischen Ölindustrie.“ Dort wird von „dubiosen Investoren aus Steueroasen“ und „zwielichtigen Finanzgeschäften“ geschrieben. Die Hauptkritik: „Mieterhöhungen und Verdrängung“ als Folge des Projekts, das rund 1400 Arbeitsplatze schaffen soll, die größtenteils im Hightech-Bereich angesiedelt sein sollen. „Viele neue Firmen werden den ungebremsten Zuzug sehr gut verdienender Arbeitnehmer*innen nach sich ziehen und schon jetzt steigen die Mieten im Viertel“, argumentiert die Aktionsgruppe auf dem Flyer. „Verjagen wir ihn gemeinsam! Machen wir ihm Feuer unter den Füßen“, schreiben sie über einem Foto von Zeligman. Gegründet, weil alle Einwände der Anwohner ignoriert wurden: Gegründet habe man sich, „als klar wurde, dass die Stadt Potsdam alle Proteste, Recherchen und die viele Arbeit und Einwendungen der Anwohner*inneninitiative und von ,Stadt für alle’ einfach ignoriert und das Projekt durchdrücken will“, schreiben sie. Man orientiere sich daran, dass auch in anderen Städten „Kämpfe gegen große IT-Zentren erfolgreich geführt wurden, so, in den USA gegen Amazon und in Berlin gegen den geplanten Google-Campus“, schreibt die Aktionsgruppe über ihr Ziel. Man habe sich mit den Berliner Initiativen vernetzt. „Das Ziel ist tatsächlich, ein Klima zu schaffen, wo sich der um ein gutes Image bemühte Investor nicht mehr sicher sein kann, dass sein Investment hier funktioniert“, schreiben sie der MAZ. Um eine „Gewaltdebatte“ gehe es bei ihren Aktionen nicht – das wäre in Potsdam in der Auseinandersetzung zur Stadtentwicklung kein Thema. „Destruktive Hetze und inakzeptable Form der Auseinandersetzung“: Das RAW-Projekt wird von Mirco Nauheimer als Investorenvertreter gemanagt. „Das ist destruktive Hetze und eine inakzeptable Form der Auseinandersetzung, die ich nicht mittrage“, sagte Nauheimer am Montag der MAZ. „Ich fühle mich nicht persönlich bedroht, aber es ist eine allgemeine Drohung gegen jeden Investor“, so Nauheimer weiter. Die Vorwürfe trägt er auch inhaltlich nicht mit. Ob er sein Projekt nun um 5000 Quadratmeter verkleinere oder nur 900 anstelle von 1400 Arbeitsplätzen entstehen würden, „da wird dann auch keiner sagen, dass er es plötzlich gut findet.“ Er stellt heraus, dass das Creative Village eine ökologisch sinnvolle Nachverdichtung im Stadtzentrum ermögliche. Im Gegensatz zu seinen gewerblichen Nachbarn, von der Schlösserstiftung, die dort ein Depot errichtet hat, und dem Lagerflächen-Anbieter MySpace schaffe er einen lebendigen Gewerbestandort. „Es geht hier um Büroarbeitsplätze direkt am Hauptbahnhof.“ Das Projekt schaffe die Infrastruktur für Ansiedlungen und Start-Ups im Digitalbereich, die dort neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Gentechnik behandeln sollen. „Das sind die Themen unserer Gesellschaft. Wir sind nicht mehr im Klassenkampf“, sagt Nauheimer. Gandhi-Zitat soll Graffiti an RAW-Mauer ersetzen: Der rund 30 Meter lange Schriftzug mit den Worten „RAW-Investor verjagen!“ und dem anarchistischen Symbol eines eingekreisten „A“ soll schnell verschwinden. Das Graffiti werde laut Nauheimer mit dem Satz „Liebe ist die stärkste Kraft“ überstrichen – einem Zitat des indischen Politikers Mahatma Gandhi. Der wurde mit gewaltfreien Protesten nicht nur berühmt, sondern war damit auch erfolgreich. Kommentar zur Aktionsgruppe gegen das RAW-Projekt: So verroht die Debatte Von Peter Degener