Potsdam droht Alkohol-Ausschankverbot

Sind Menschenansammlungen vor Glühweinständen Corona-Infektionsherde? Die Stadtverwaltung hat jedenfalls die Kontrollen des Ordnungsamtes in der Innenstadt verstärkt. Laut Rathaus-Sprecherin Juliane Güldner will sie die kleinen Stehpartys vor den Ständen unter Kontrolle bringen. In den Abendstunden werden die trotz Corona-Teillockdowns nämlich zusehends zum Problem. Zahlreiche Menschen wollen nicht auf das traditionelle vorweihnachtliche Heißgetränk verzichten, verabreden sich dazu mit Freunden. Bei den verstärkten Kontrollen gehe es um die Maskenpflicht, die Abstandsregelungen und die Anzahl der Menschen, die zusammenkommen, ergänzt Güldners Kollege Jan Brunzlow. Ab Donnerstag, 10. Dezember, gelte die Maskenpflicht außerdem auf den Nebenstraßen der Brandenburger Straße und im kompletten holländischen Viertel, so Brunzlow weiter. „Die Maske darf auch nicht zum Verzehr von Getränken und Speisen abgesetzt werden.“ Damit soll verhindert werden, dass die Menschen vor Ort essen und trinken. Verwaltung beobachtet Geschehen „mit Sorge“: „Wir beobachten das aktuelle Geschehen mit Sorge“, sagt Güldner. „Sollten die Kontrollen keine Wirkung zeigen und die Zahlen der Neuinfektionen in Potsdam weiter ansteigen, werden wir über ein Alkohol-Ausschankverbot nachdenken“, so Güldner. „Aktuell sind wir dabei, weitergehende Maßnahmen nach Paragraph 26 der aktuellen Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg zu prüfen.“ Die sagt, dass die Kommunen und kreisfreien Städte, wenn nötig, strengere Maßnahmen ergreifen dürfen als vom Land vorgeschrieben. Den Händlern käme es nicht gelegen, wenn sie keinen Glühwein mehr verkaufen dürften. Für viele von ihnen ist es die einzige wirkliche Gelegenheit, ein bisschen Umsatz zu machen. Fast alle sind Gastronomen, die ihre Restaurants, ihre Cafés und ihre Kneipen im aktuellen Lockdown geschlossen halten müssen. Nur Abhol- und Lieferservice dürfen sie anbieten. Das holt nicht ansatzweise so viel Geld in die Kassen wie das normale Geschäft. Dietmar Teickner: „Meisten Leute sind verständnisvoll“: „Es gibt schon Stände, wo es massiv voll ist und die Leute nicht auf die Bestimmungen achten“, sagt Dietmar Teickner, Inhaber des Lakritzkontors. Er hat in diesem Jahr im Holländischen Viertel ein leerstehendes Geschäft angemietet und verkauft aus dessen Fenster heraus seinen von der MAZ mehrfach ausgezeichneten „Glögglich“. „Auf der anderen Seite gibt es aber auch genug Leute, also Kunden und Verkäufer, die sich eben dran halten.“ Dazu gehörten er und sein Team. „Wir sprechen die Leute an, wenn sie stehen bleiben, und die meisten reagieren verständnisvoll und gehen weiter oder wechseln die Straßenseite“, so Teickner. Für ihn ist es irrelevant, ob der Betreiber des Glühweinstandes oder die Kunden selbst auf Grüppchenbildung achten sollen. Einige Händler argumentieren nämlich, dass sie keine Verantwortung für das Geschehen vor ihrem Laden hätten. „Wenn ich Glühwein verkaufe, muss ich darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden, damit ich das Geschäft erhalten kann.“ Schilder weisen auf Regelungen hin: Auch Jani Laaksonen vom Finnischen Glögi-Geschäft in der Lindenstraße sagt, dass er darauf achtet, dass die Menschen sich nicht vor seinem Geschäft sammeln. Dafür sei extra jeden Abend ein Mitarbeiter abbestellt, der die Leute gegebenenfalls anspricht. Tatsächlich ist vor seinem Fenster, genauso wie vor dem von Dietmar Teickner, oft viel los. Schlangen bilden sich, in denen die Menschen allerdings meist Maske tragen und Abstand halten. Laaksonen hat vor seinem Geschäft viele Sitzgelegenheiten stehen. Die sind allesamt sehr massiv. Laut brandenburgischer Eindämmungsverordnung dürfen die Gastronomen keine „Abstell- und Sitzgelegenheiten“ bereitstellen. Laaksonen hat Flatterband um die Möbel gewunden und Schilder aufgestellt, die seinen Kunden sagen, dass sie zum Trinken weitergehen sollen. Von einem Glühwein-Verbot würde er wenig halten. „Es würde keinen Sinn machen. Die Menschen wollen zusammenkommen. Wenn sie bei uns keinen Glühwein-to-go mehr bekommen, holen sie ihn woanders“, sagt er. „Schon jetzt kommen die Leute, kaufen den Glühwein in Flaschen, zehn Stück, und sagen, am Wochenende gibt’s eine Party.“ Mehr als 20 Gastronomen verkaufen allein in der Brandenburger und ihren angrenzenden Straßen Glühwein. Mal selbst gemacht, mal aus der Flasche vom Großhändler. Mal mit Honig, mal mit Rum. Dass es für die Gastronomen einen herben Schlag bedeuten würde, wenn sie keinen Glühwein mehr verkaufen könnten, betont Martina Reindl, Inhaberin des Café und Flambée in der Lindenstraße. „Wir verkaufen im Moment zwar auch Flammkuchen und Quarkbällchen“, sagt Reindl, „aber viele wollen dazu einfach einen Glühwein trinken. Wenn der Wein verboten werden würde, rechne ich damit, dass wir schließen können. Es würde sich wahrscheinlich nicht mehr rechnen.“ Lesen Sie auch: Corona in Brandenburg am 8.12.20: Alle Updates im Liveblog Gastro-Corona-Kontrollen in Potsdam: Verwaltung erklärt sich Hotelbranche kritisiert unterschiedliche Corona-Regeln in Brandenburg und Berlin Von Annika Jensen