Kummer im Klosterkeller an der Friedrich-Ebert-Straße 94: Potsdams älteste Gaststätte bangt um ihre Zukunft. Seit 1736 beherbergt das barocke Haus eine Schankwirtschaft – jetzt sollen im Ober- und im Dachgeschoss Apartments entstehen. Der in Berlin ansässige Investor plant zudem, im Hinterhof – dort, wo zu DDR-Zeiten der Sommergarten und die Selbstbedienungsstrecke zu finden waren – ein Mehrfamilienhaus mit fünf Maisonettewohnungen zu errichten. Das alles bei laufendem Restaurantbetrieb – vorausgesetzt, der Klosterkeller hält die Stellung.
Dort ist, seit Anfang Mai die Bauarbeiten im Vorderhaus und erste Vorbereitungen im Hinterhof begonnen haben, nichts mehr wie es war. Das fängt auf dem Gehweg vorm Haus an und hört im Gastraum auf. „Was hier passiert, ist Schikane“, sagt Restaurant-Inhaber Bernd Hirschauer. „Was hier passiert ist nicht fair. So verhält man sich unter Geschäftspartnern nicht.“
In diesem Jahr gibt es keine Sitzplätze auf dem Gehweg vor dem Lokal
Einschränkung – oder Abschreckung – Nummer 1: die Terrasse. Trotz besten Wetters darf der Klosterkeller nicht wie seit Jahren bewährt Tisch und Stühle auf dem Bürgersteig vor dem Haus aufbauen. „Der Hausbesitzer hat bei der Stadt eine Sondernutzung beantragt“, so Hirschauer. „Die Sitzplätze vor dem Haus, unsere beste Werbung, sind damit nicht mehr möglich.“ Selbst wenn: „Würde hier überhaupt ein Gast verweilen?“, fragt Hirschauer. „Direkt neben Schuttcontainern?“
Seit Ende Juni liegen die Bauarbeiten laut Hirschauer lahm. Das werde auch eine gute Weile so bleiben, denn er habe vor Gericht einen Baustopp erwirkt: „Wenn ich hier um 12 Uhr aufmache, kann man nicht mit dem Presslufthammer arbeiten und mit vollen Schubkarren an den Tischen vorbeiziehen.“ Die Container, die noch immer gut gefüllt sind und den Blick aufs Haus verstellen, würden nun länger nicht gebraucht – doch niemand räumt sie weg. „Das ist geschäftsschädigend“, so Hirschauer: „Unsere Einbußen belaufen sich auf monatlich 15 000 Euro.“ Nicht zu beziffern sei der langfristige Imageschaden.
Trotz der finanziellen Verluste und der Einschränkungen durch Lärm und Schmutz verlange der Vermieter die volle Miete. Und trotz unzähliger Mängel an der Bausubstanz habe er sie kurz nach Kauf des Hauses 2016 erhöht. „Schon der Vorbesitzer hat außer Schönheitskorrekturen und Flickereien nichts an dem Haus machen lassen“, so Hirschauer. Die letzte Ertüchtigung sei in den 1960er Jahren erfolgt.
Die Container sind zur Erlebnisnacht wegzuräumen – bleiben aber
Im Rathaus ist über den Baustopp nichts bekannt. „Ein Baustopp hätte aber keinen Einfluss auf die Baustelleneinrichtung, die befristet genehmigt ist“, sagt Stadtsprecher Jan Brunzlow. Das bedeutet: Die Container dürfen bleiben. „Allerdings ist innerhalb der Genehmigung eine Auflage verankert, die besagt, dass die Baustelle vor dem Haus zur Erlebnisnacht vom Standort zu entfernen ist“, ergänzt Brunzlow. Passiert das nicht, habe der Bauherr mit einem Ordnungsgeld zu rechnen.
Der Investor, der Immobilienentwickler Copro, der in Berlin unter anderem für die „Urbane Mitte am Gleisdreieck“ verantwortlich zeichnet, hat sich zu seinem Vorhaben auf MAZ-Anfrage bislang nicht geäußert. Der zuständige Mitarbeiter sei auf Terminen außer Haus, so dass man „so kurzfristig leider keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen“ könne. Die Container, heißt es, können „kurzfristig leider nicht entfernt werden“. Man stehe jedoch mit der Stadtverwaltung in Kontakt, „um die Beeinträchtigung durch die Container so gering wie möglich zu halten“.
Erlebnisnacht-Veranstalter setzen auf Durchsetzungskraft der Stadt
Ganz und gar nicht glücklich über diese Ansage sind die Macher der morgigen Potsdamer Erlebnisnacht, die P3-Projekt-Eventmanager.„In Potsdam wird viel gebaut, das ist auch gut so“, sagt P3-Geschäftsführerin Gitty Oeckel. „Wir finden es allerdings ärgerlich, dass Bauunternehmen nicht – wie in den amtlichen Genehmigungen angeordnet – Baucontainer beräumen. Das stellt eine Gefahrenquelle dar und macht es den Gastronomen vor Ort sehr schwer, den Platz für die Gäste schön und stimmungsvoll zu bespielen. Ich hoffe hier sehr auf die Unterstützung der zuständigen Ämter in Potsdam.“
Von Nadine Fabian