Potsdams neuer Spitzenkoch Christopher Wecker aus der Villa Kellermann

An seinem ersten Tag war Christopher Wecker zwei Stunden zu früh im Restaurant. Der gerade 18 Jahre alte Koch-Azubi hatte ein Praktikum bei Tim Raue, gleichsam Star- und Sternekoch, in Berlin geschenkt bekommen und erlebte einen echten Kulturschock in der Hauptstadt. „Ich habe in einem Hostel am Rosenthaler Platz gewohnt, da war ich dann auf einmal mit fünf fremden Frauen in einem Zimmer, zum ersten Mal in meinem Leben“, sagt Christopher Wecker. Er sitzt im Grünen Salon der Villa Kellermann, der Blick geht direkt auf den Heiligen See. Wecker, 26 Jahre alt, ist der Chefkoch. Und seit Montag kocht er in anderen Sphären: Der Feinschmeckerguide Gault & Millau bewertete ihn nur wenige Wochen nach der Eröffnung mit 16 Punkten. „Unwirklich“, sagt Christopher Wecker dazu, „unerwartet und beeindruckend.“ Mehr zum Thema: Günther Jauch ist Gastronom des Jahres Dass er in so kurzer Zeit selbst zum Spitzenkoch werden würde, ahnt der 18-jährige Azubi aus einem Dorf in Nordrhein-Westfalen nicht. Er habe schon früh gewusst, dass er in die Sterneküche wolle, eines Tages mal. „Aber ich wollte nie zu Tim Raue.“ Dessen Ruf als harter Hund schreckte ab: „Ich dachte, das wäre der schlimmste Mensch der Welt.“ Doch das Praktikum nimmt er an, natürlich. Christopher Wecker will lernen. „Ich bin jeden Tag sehr früh aufgestanden, um immer als erster da zu sein, weil ich zeigen wollte, dass ich hier nicht der kleine Depp bin“, sagt er. „Und am ersten Tag war ich dann direkt zwei Stunden zu früh da, außer mir natürlich niemand anderes.“ Auch abends bleibt Wecker bis zum Schluss, vereinbart noch ein zweites Praktikum – und bekommt eine Stelle angeboten. Eigentlich war der Schritt zu groß: „Nüchtern betrachtet war das ein viel zu großer Schritt für mich“, sagt Christopher Wecker heute. „Nichts, was ich gelernt hatte, konnte ich da anwenden. Ich habe bei null angefangen, aber immerhin hatte ich dadurch auch keine falschen Vorstellungen.“ Er landet mit kaum 19 Jahren in der Sterneküche, erlebt in kurzer Reihenfolge mit, wie das Restaurant Tim Raue den zweiten Stern erhält, die Topwertung von 19 Punkten im Gault & Millau, in die Liste der 50 besten Restaurants weltweit aufgenommen wird. „Eine wahnsinnige Zeit“, sagt er. Barack Obama kommt zum Essen, Christopher Wecker ist dabei. Die Königsberger Klopse, die damals serviert wurden, stehen heute in der Villa Kellermann auf der Karte. Insgesamt sei die Speisekarte eine Mischung aus Raue und Wecker. „Wir hatten eine generelle Idee und haben die gemeinsam erarbeitet, zum Beispiel wie man eine Makrele Hausfrauenart interpretieren kann.“ Der Gault & Millau kommentiert, die Küche sei „modern und auch mit etwas Augenzwinkern“. Doch das bedeutet für Christopher Wecker und sein Team vor allem Arbeit. Morgens erledigt er Büroarbeiten, fährt zum Bäcker und besorgt das Brot für die Gäste, schreibt Mails. Von mittags bis 23 Uhr dauert dann der eigentliche Arbeitstag, am Wochenende geht alles noch früher los. Elternzeit? Gemeinsame Entscheidung dagegen: Wenn Christopher Wecker dann nach Hause fährt, wartet seine Familie auf ihn. Er ist verheiratet, hat einen acht Monate alten Sohn. „Die Geburt unseres Kindes und die Eröffnungsphase der Villa Kellermann waren zeitgleich“ sagt er. „Es war klar, dass das hier sehr viel Zeit schlucken wird und ich meine Frau nur wenig unterstützen kann.“ Elternzeit sei so für ihn nicht in Frage gekommen – aber das habe das Paar gemeinsam entschieden. „Als das Angebot kam, diesen Posten hier zu übernehmen, war klar, dass das nicht zusammen funktioniert. Ich wusste, ich will das. Und meine Frau sagte: ’Mach es, diese Chance kommt nie wieder und wir kriegen das hin’.“ Was passiert, wenn der Stern kommt: Außer Christopher Wecker haben zwei andere Potsdamer Köche sich auf 16 Punkte im Gault & Millau gekocht: Alexander Dressel vom Kabinett Friedrich Wilhelm und David Schubert vom Kochzimmer. Silvio Pfeufer, Berliner Shootingstar mit seinem Restaurant Einsunternull und wie Christopher Wecker noch keine 30 Jahre alt, hat die selbe Wertung erreicht. Der große Test: So schmeckt es im Kabinett Friedrich Wilhelm So schmeckt es im Kochzimmer Alle drei haben auch schon einen Stern von Michelin verliehen bekommen. Christopher Wecker will davon nichts hören. „Das ist nicht unser Ziel, das war es auch nie“, sagt er. Den Druck der Auszeichnungen spürt er zum ersten Mal ganz direkt. 280 Reservierungen sind am Abend der 16-Punkte-Nachricht eingegangen, Mails im Sekundentakt. „Dementsprechend müssen wir uns jetzt verhalten, uns noch mehr konzentrieren und noch genauer arbeiten.“ Von seinem Chef Raue hat er gelernt, den Moment zu feiern – und dann sofort noch härter zu arbeiten. Und was, wenn doch Anfang März die Nachricht vom ersten Stern kommt? Christopher Wecker nimmt einen Schluck Wasser, bevor er antwortet. „Das sehen wir, wenn es passieren sollte.“ Von Saskia Kirf

Christopher Wecker - Makrele mit Niveau: Das ist Potsdams neuer Spitzenkoch