Für viel Aufregung unter den Vereinen auf dem Sportkomplex am Luftschiffhafen hat der Vorschlag zur Erhebung von Nutzungsgebühren gesorgt. In einer Studie der KPMG-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hatten einige Vereine vorgeschlagen, künftig Gebühren für die Nutzung von Sportanlagen zu verlangen, um das negative Verhältnis von Kosten zu Einnahmen auf dem Gelände zu verbessern. Die MAZ fragte Vereine nach ihrer Meinung und hörte ein deutliches Nein. Vor allem für den Breiten- und Freizeitsport könnten Nutzungsgebühren vernichtend sein, hieß es. wird. Auch der Stadtsportbund als Dachorganisation der Vereine lehnt solche Gebühren ab.
„Diskussion völlig daneben“
„Wenn Ihr Gebühren erhebt, macht Ihr den Sport kaputt“, wettert Turbine-Fußballtrainer Bernd Schröder: „Falls sich die Sportstadt Potsdam den Sport in der Stadt nicht leisten kann, dann muss sie ihn beenden. Man kann Sport nicht allein als Profitcenter sehen. Ich glaube nicht, dass man den Luftschiffhafen retten kann, wenn wir den Vereinen Gebühren abknöpfen. Wenn die Freizeit- und Erholungssportler zahlen müssen, können die einpacken.“ Turbine trainiere in vier Mannschaften: die U15 und die U17 seien schulisch bestückt, die 2. Bundesliga zu 70 Prozent und die 1. Bundesliga zu 40 Prozent. „Ich finde diese Diskussion völlig daneben.“ sagte Schröder. Für die Feststellung, dass man das Luftschiffhafenareal besser vermarkten muss, brauche er keine Studie; die jüngste habe rund 120000 Euro gekostet. Über die Jahre habe man fast schon eine Million Euro für Sportstudien ausgegeben und „nur herausgefunden, was wir eh schon wissen“. Die MBS-Arena ist für Schröder die einzige denkbare Einnahmequelle.
Potsdams Sportförderung dürftig
„Die Kostenfreiheit der Hallen und Plätze ist faktisch die einzige Sportförderung der Stadt“, erklärte SC Potsdam-Chef Peter Rieger: „Es gibt in anderen Kommunen ja Nutzungsgebühren, aber die haben eine echte Sportförderung, die das wieder ausgleicht.“ Werder etwa habe rund 150000 Euro für knapp 24000 Einwohner. Potsdams Sport liege weit hinter der Förderung im Kulturbereich, ärgert sich Rieger. Das Theater werde massiv gestützt, das Soziokulturzentrum Freiland aus dem Boden gestampft und den Künstlern das alte Rechenzentrum als Bleibe geboten. „Sowas kennen wir im Sport überhaupt nicht.“ Der SCP betreibe viel Freizeit- und Breitensport, bezahle Trainer und müsse die Kosten für Vereinsräume, den Vereinsbetrieb und für Sportstätten wie die Schwimmhalle tragen. Im Kirchsteigfeld habe man fast 160 000 Euro in den Vereinssitz investiert und 30000 in dessen Ausstattung. Außerdem würden diverse Abgaben an den Stadt- und den Landessportbund sowie Fachverbände gezahlt. Trainingslager, Wettkämpfe und Sportexkursionen müssten finanziert werden.
Die lange Schließzeit der Hallen am Luftschiffhafen hat die Mitgliederzahl von 3500 auf 2900 sinken lassen, doch hielt der Club seine hauptamtlichen Trainer, um sie nach Wiedereröffnung sofort einsetzen zu können. 150000 Euro kostete das. Inzwischen hat man wieder fast 4000 Mitglieder; der Breitensport ist vor allem am Luftschiffhafen angesiedelt. „Wenn wir von denen Gebühren verlangen, geraten wir gegen die vielen Fitness-Center ins Hintertreffen“, sagt Rieger: „Bei denen trainiert jeder für sich, bei uns unter fachlicher Anleitung.“ Gebühren fordern würde Rieger allerdings von zahlreichen neuen Kleinvereinen, die sich etwa im Fußballsektor nur gegründet haben, um an Hallenzeiten fürs Freizeit-Kicken zu kommen.
Nachwuchssorgen steigen
Ron Schmidt ist Triathlon-Cheftrainer am Bundesstützpunkt Potsdam und sieht vor allem seine Nachwuchsarbeit in Gefahr. „Hier kann man nicht noch Nutzungsgebühren verlangen. Wenn doch, müssten wir Mitgliedsbeiträge erhöhen. Dann verlieren wir Mitglieder.“ Das Land Brandenburg ist in seinen Augen ein Vorbild für den Breitensport, verspielt diesen Ruf aber, wenn Sportreiben generell Geld kostet. Er glaubt aber, dass „große Vereine mit Kursangeboten Geld verdienen und durchaus Gebühren zahlen könnten.“
„Wir zahlen doch schon für unseren Sport“, sagt Anje Schmidt, Chefin des Laufclub Potsdam. Es gebe pro Mitglied eine 3-Euro-Sportstättenumlage, 1200 Euro für den Verein im Jahr. Man entrichte Beiträge an die übergeordneten Sportverbände; auf 27 Euro pro Mitglied und Jahr summiere sich das. Dazu müsse man den eigenen Vereinsbetrieb finanzieren, darunter Wettkämpfe. „Wenn die Mieten steigen, müssten wir das auf die Mitglieder umlegen. Das nimmt uns die Luft zum Atmen. Mancher kann sich die Mitgliedschaft dann nicht mehr leisten, und ich weiß nicht, ob der Verein dann noch fachgerecht zu führen ist.“ Man habe Sportler aus allen sozialen Schichten; bei Gebührenerhebung gebe es eine Sozialauslese und Verlierer.
Von Rainer Schüler