„Vier Jahre, vier Ecken“ im Rechenzentrum: Künstler in der Midlife-Crisis?

Wenn mit vier Jahren schon das halbe Leben um ist, hat der Geburtstagsbrunch des Rechenzentrums einen leichten Beigeschmack. Vor vier Jahren sind die ersten, der heute über 200 Kultur- und Kunstschaffenden in das Kreativhaus an der Dortusstraße eingezogen. In vier Jahren enden alle Mietverträge. Die Zukunft ist ungewiss. Einst wurden in dem Gebäude Daten verarbeitet. Einsen und Nullen in Rechnern und Kabeln. Ein Ort für Kunst war darin nie angedacht. Und doch hat sich der Ort entwickelt. Projektleiterin der Stiftung SPI, Anja Engel sieht die vergangenen Jahre positiv: „Der Transformationsprozess zur Umnutzung der Räume hat gut geklappt. Wir sind ein Ort der städtischen Kultur.“ Vom Datennetzwerk zum Künstlerkern: Wen man am Sonntag auch fragt, die Vorteile des Rechenzentrums sind klar das Netzwerk und die Lage. Hermann Vösgen, Vorsitzender von Für e.V. sieht in der breiten Mischung von Kunst, Kultur und auch Kulturwirtschaft eine Stärke. „Es gibt einen festen Kern an Künstlern“, sagt er. Die Kommunikationsdesignerin Birka Pannicke bestätigt das. „Es ist ein schöner Kreativpool mit Menschen, die sehr freigeistig sind“, erklärt sie. Auch Beatrix Behrens, die von Anfang an im Rechenzentrum ein kleines Atelier hat, schwärmt von dem Netzwerk in dem Gebäude. „Wenn man eine Krise hat, kann man zusammen einen Kaffee trinken. Das hilft“, sagt sie. Keine Alternative für Künstler: Für Behrens ist das Rechenzentrum eine der wenigen Möglichkeiten einen eigenen Raum für Kreativität zu haben. Sie fertigt Bücher und Schachteln aus Papier. Damit verdient sie nicht die Welt, aber genug, um sich das Atelier leisten zu können. „Es gibt außer die schon ausgebuchte Scholle keine Alternativen in Potsdam, weil die Mieten so hoch sind“, sagt sie. Es gäbe noch eine Fabrik in Werder, aber diese sei nicht beheizt. Doch gerade die Miete ist ein Problem für Gregor Hiller. Er ist nebenberuflich Musikproduzent und hat seit drei Jahren ein Studio in der Dortustraße. „Es gab im letzten Jahr eine Mieterhöhung um drei Euro pro Quadratmeter. Und nun ist die Miete gestaffelt“, erzählt er. Statt sieben Euro zahlt er nun elf. Für ihn ist das ein Grund die Lage zu überdenken. Bleiben will er erstmal trotzdem, weil es auch für ihn keine Alternative gibt. Neuer Investor, alte Struktur? Aktuell wird von der Stadt Potsdam nach einem neuen Investor für das neue Kreativquartier gesucht, das auf dem Gelände der alten Feuerwehr entstehen soll. Das findet Harald Kümmel, Leiter des Planungsbüros der Stadt Potsdam nötig. „Es ist wichtig für die Kreativwirtschaft, dass auch Selbstständige Räume zum Arbeiten haben“, sagt er. Vom neuen Konzept erwartet er, dass es die jetzt vorhandene Kleinteiligkeit beibehält. Die 200 Schaffenden haben kleine 15 Quadratmeter Ateliers. Das neue Kreativquartier soll mit 10.000 Quadratmetern doppelt so groß wie das Rechenzentrum werden. Für Hermann Vösgen vom Für e.V. ist das ein Problem. „Es wird sehr schwer so ein Netzwerk wieder herzustellen“, sagt er. Mehr zum Thema: Vierter Geburtstag des Kreativkosmos Rechenzentrum Garnisonkirche lädt kritische Nachbarn ein Bekommt das Rechenzentrum doch noch eine Chance? Die Lage hat einen Vorteil, der mit der Größe wächst: „Es ist mitten in der Stadt und macht die Künstler sichtbar“, sagt Beatrix Behrens. Für Birka Pannicke ist das die Möglichkeit Kunst auch günstiger als in Museen erlebbar zu machen. Vorausgesetzt die Mieten bleiben für die Künstler bezahlbar. Die Vielfalt zumindest, die man am Sonntag im Rechenzentrum bei „Vier Jahre, vier Ecken“ zu sehen bekommt, ist in dem Maß eine Seltenheit. Zumindest die nächsten vier Jahre sind dem Rechenzentrum sicher. Die Zukunft bleibt für viele Nebenberufler mit einem neuen Investor aber ungewiss. Von Jan Russezki

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