„Wir streamen“ – zwei Potsdamer zeigen, wie das geht

Das kulturelle Leben ist in Potsdam durch die Corona-Epidemie erlahmt. Selbst davon betroffen sind der Tonmeister und Musiker Robert Klix (32) und der Interface-Designer Sebastian Rauer (33). Sie haben mit ihrer Firma „Wir streamen“ nun eine Initiative gestartet, die das Kulturleben trotz abgesagter Konzerte am Leben erhalten soll – und zwar im Internet. Das Duo berät dabei, wie einfach Streaming funktionieren kann: Klix war als Techniker gerade auf einer Tour mit dem Musiker Michael Schulte, die abgesagt wurde. Designer Rauer musste erleben, wie in seinem Umfeld plötzlich alle Aufträge wegbrechen. „Viele gute Leute haben jetzt Zeit. Warum nutzen wir das nicht für etwas Sinnvolles?“, sagt Rauer. Kurzerhand haben sie die Website wirstreamen.es/corona aufgesetzt, die seit einer Woche online ist. Dort machen sie Künstlern ein verführerisches Angebot: „Wir bieten ab sofort über den Zeitraum der Corona-Epidemie unser Streaming-Angebot in vollem Umfang für Euch an. Kostenfrei!“ Sie haben schon „Rock in Caputh“ und die „Stadt für eine Nacht“ übertragen: Mit Kameras und Mikrofonen wollen sie Konzerte und andere Veranstaltungen für Kreativschaffende auf Youtube, Instagram oder Facebook streamen. Die Potsdamer haben Erfahrung darin. Das Festival „Rock in Caputh“ haben sie 2018 für alle, die nicht vor Ort sein konnten, ins Netz gestellt. Auch von der „Stadt für eine Nacht“ in der Schiffbauergasse haben sie schon live gestreamt. „Das ist in der aktuellen Zeit ein Herzensprojekt für uns. Wir können unser Wissen sinnvoll einsetzen es ist aber auch ein wichtiger Schritt in die Zukunft, damit wir gestärkt aus der Krise hervorgehen“, sagt Klix. Denn es könne ein Netzwerk für alle Beteiligten entstehen und eine Akzeptanz des Streamingformats, die es bislang so nicht gegeben habe, hofft er. Das Duo kann einerseits die Technik für Streams bereitstellen und selbst bis zu drei Veranstaltungen gleichzeitig übertragen. Jetzt suchen Klix und Rauer zudem Leute die ebenfalls Technik oder Know-How haben, um mehr Veranstaltungen abdecken zu können. Außerdem hoffen sie auf Kooperationspartner, die auch Räume zur Verfügung stellen, in denen Künstler auftreten können. Die erste Hofsession von Potsdamer Musikern ist schon online: Ein erste „Hofsession“ mit zahlreichen Potsdamer Musikern, die im Freien in einem Babelsberger Hinterhof aufgenommen wurde, ist bereits online gegangen und auf dem Youtube-Kanal von „wir streamen“ frei verfügbar. Dort finden sich auch Mitschnitte vom „Rock in Caputh 2018“, etwa die Auftritte von Hasenscheiße und dem Berlin Boom Orchestra. Anders als die Livestreams der üblichen Konzerte, ist die Situation aber derzeit in einem entscheidenden Punkt anders: Die Künstler spielen ohne Publikum. „Es ist eine wahnsinnige Herausforderung und sehr ungewohnt für Musiker, ein ganzes Konzert nur in eine Kamera zu spielen. Sie kriegen kein Feedback“, sagt Klix. Der Lindenpark will das Nirvana-Tribute-Konzert am 4. April streamen: Das Angebot von Wir streamen hat schon positive Reaktionen bekommen. Eine erste Kooperation wurde mit den Veranstaltern des Lindenparks in Babelsberg vereinbart. „Wir müssen so viele Konzerte absagen, aber wollen das Nirvana-Tribute-Konzert am 4. April gerne wie ursprünglich geplant spielen und dabei live streamen“, sagt Reiko Käske vom Lindenpark. Dazu hat er mit Wir Streamen bereits Kontakt aufgenommen. „Wir hatten schon fast 200 Karten verkauft und die Käufer nun ermutigt, die Tickets nicht zurückzugeben“, sagt Käske. Der Stream soll zwar kostenlos sein, doch trotz allem entstehen Kosten – etwa für die Gage der Band um den Kanadier Andre Dusk. Der Lindenpark und Wir Streamen wollen je nach Entwicklung der Corona-Krise auch weitere Konzerte übertragen. „Die Leute werden das Kulturleben schmerzlich vermissen. Wir müssen aber auch Bands finden, die sich das vorstellen können. Und es ist nur mit dem guten Willen des Publikums möglich, vielleicht durch ein Crowdfunding. Denn andere Erlöse haben wir nicht und darüber muss man ehrlich reden“, sagt Reiko Käske. Kulturministerium ist ebenfalls im Gespräch für eigene Plattform: Die eigentliche Kompetenz von Klix und Rauer liegt allerdings in der Beratung. „Viele wissen nicht, wie einfach ein simpler Stream mit vorhandener Technik realisiert werden kann und wir helfen, das aufzusetzen“, sagt Klix. Auch das Kulturministerium ist laut Klix mit Wir streamen im Gespräch. „Dabei geht es um die technische Beratung und auch eine Plattform, auf der Streamingangebote aus dem Land Brandenburg gebündelt werden könnten“, sagt er. So helfen die beiden dabei, dass auch Unterricht stattfinden kann, bei dem in beide Richtungen kommuniziert wird, Online-Whiteboards genutzt werden und Dokumente zwischen Lehrer und Schüler geteilt werden können. Ein Streaming-Anbieter wie Skype wäre für viele dieser Anwendungen ungeeignet. „Skype erfüllt nicht die Datenschutzbestimmungen. Man kann nicht einfach Stimmen und Gesichter von Schülern im Netz streamen“, sagt Rauer. Lesen Sie auch: >>>Berliner Nachtleben steht still – DJs legen jetzt im Livestream auf >>>Corona: Nikolaisaal stellt Konzertmitschnitte ins Netz >>>Corona: Hans-Otto-Theater geht ins Internet >>>Fit und nicht allein durch die Krise – via Skype Von Peter Degener

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