Wirtschaft Potsdam: Affären und Skandale um Betrug, Untreue, Pleiten in kommunalen Unternehmen

Das Klinikum „Ernst von Bergmann“ kommt nicht zur Ruhe. Die wegen des Corona-Ausbruchs beurlaubten Geschäftsführer Dorothea Fischer und Steffen Grebner werden nicht auf ihre Positionen zurückkehren. Doch mit Tim Steckel bekommt einer ihrer Nachfolger nur einen Halbjahresvertrag, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Immer wieder musste die Stadt in den vergangenen Jahren bei einzelnen ihrer Gesellschaften durchgreifen, wurden Geschäftsführer beurlaubt, gefeuert, belangt, weil es unter ihnen nach Ansicht des Rathauses nicht lief oder zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. „Gabi“ als erste namhafte Affäre: Präsent sind die Skandale, die in Schüben den Stadtwerke-Konzern heimsuchten. Die erste namhafte Affäre der letzten 20 Jahre aber gab es im Sozialdezernat, das auch das Klinikum unter sich hat. Der erste Oberbürgermeister-Wahlkampf von Jann Jakobs (SPD) 2002 war überschattet vom Streit um die Gesellschaft für Arbeit, Beratung und Integration (Gabi), unter seiner Ägide als Dezernent gegründet, um Langzeitarbeitslose in Jobs zu bringen. Das Problem: „Gabi“ hatte Vermittlungserfolge abgerechnet, die es nicht gegeben hatte. Jakobs war als Chef des Aufsichtsrates in der Pflicht. Der Staatsanwalt ermittelte, Stadtverordnete bildeten eine Kommission. „Gabi“ wurde aufgelöst, die Chefin ging nach Weimar, Jakobs siegte in der Stichwahl und blieb 16 Jahre OB. Streit um Potsdam Tourismus: Wegen „Missmanagements“ gefeuert wurde 2002 die Chefin der Potsdam Tourismus (PT). Sie wehrte sich, kritisierte Matthias Platzeck und seinen Nachfolger Jann Jakobs (beide SPD) als Vorsitzende des Aufsichtsrates. Die PT war der zweite Versuch der Stadt mit einer eigenen Tourismusgesellschaft. Schon die 1997 gegründete Potsdam Tourismus Marketing (PTM) hatte nach zwei Jahren und Millionenverlusten aufgeben müssen. Der Stadtwerkeskandal begann am 13. Mai 2011 mit dem Fehlen der wichtigsten Protagonisten zur Eröffnung des Freiland-Zentrums: OB Jakobs und Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen, dessen Konzern das Grundstück zur Verfügung gestellt hatte. Bespitzelung und illegales Sponsoring: Kurz darauf erklärte Paffhausen den Rücktritt. Vorwürfe gegen ihn: Bespitzelung des Pro-Potsdam-Chefs, illegales Sponsoring des SV Babelsberg 03. Es blieb ein Ermittlungsverfahren wegen Untreueverdachts, das 2012 gegen Zahlung von 35.000 Euro eingestellt wurde. Paffhausen-Nachfolger Wilfried Böhme trat 2016 wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft zurück. Fast zeitgleich freigestellt wurden Holger Neumann, Chef der Energie und Wasser Potsdam, sowie Enrico Munder, Chef der Stadtentsorgung Potsdam, beides Unternehmen der Stadtwerke. Vorwurf: Überdurchschnittliche Gehaltssteigerungen für eine Prokuristin und Paffhausen-Vertraute ohne Gesellschafterbeschluss. Es folgte der Vorwurf gegen die Prokuristin, einer Privatfirma, die ihr Haus baute, Aufträge zugeschanzt zu haben. Führung des ViP muss gehen: Im Mai 2019 schließlich wurden die Verträge von Oliver Glaser und Martin Grießner, den Geschäftsführern der zu den Stadtwerken gehörenden Verkehrsbetriebe (ViP) aufgelöst. Offizieller Grund: Ein Beratervertrag mit einem externen Unternehmen ohne Genehmigung der Stadt. Inoffiziell soll es Streit um die Finanzierung des ViP seitens der Stadt gegeben haben. Von Volker Oelschläger