Wohnen in Potsdam: Baugemeinschaft „23 Riesen“ hat ein Mehrgenerationenhaus geschaffen

Sieben Jahre dauerte es von der Idee bis zum Einzug von Wilfried und Ute Naber in ihr Traumhaus, das sie sich mit rund 60 Menschen teilen. Sie waren die Initiatoren des Wohnprojekts „23 Riesen“ in der Heinrich-Mann-Allee 23, eine Hausgemeinschaft ganz eigener, sympathischer Art. Die Hochzeit ihres Sohnes 2006 war der Auslöser. „Bei unseren eigenen Eltern haben wir gesehen, wie die am Ende alleine wohnten“, sagt Naber mit Blick auf seine Frau Ute – mit einem Mehrgenerationenhaus wollten sie verhindern, dass es ihnen irgendwann genauso ergehen würde. Vier Jahre lang dauerte es, bis das geeignete Grundstück gefunden wurde. Ein Tipp verhalf zu zwei leerstehenden Gründerzeitbauten in der Heinrich-Mann-Allee gegenüber der Staatskanzlei. „Das waren ruinöse Altbauten, die seit über zehn Jahren leer standen“, sagt Naber. Auch eine Baulücke neben dem Vorderhaus gehörte zum Grundstück. + Alle Kapitel unserer großen Potsdam-Serie lesen Sie unter: potsdam.maz-online.de Baugemeinschaft entschied sich für Mehrheitsprinzip: Zugleich suchten er und seine Frau Mitstreiter für das Projekt, die sie vor allem über Mundpropaganda fanden. Das Ziel: „Es soll nicht so anonym sein, wie in anderen Blocks, sondern Kontakt über das Normale hinaus geben.“ Den Namen des Projekts leiteten sie sich vom Steinmetzmeister Robert Riese ab, dessen Schriftzug noch immer am Vorderhaus zu lesen ist. In Kombination mit der Hausnummer waren die „23 Riesen“ geboren. Heute sind die Bewohner zufrieden, doch der Weg zum Ziel war eine Herausforderung. Weil sich die Baugemeinschaft für ein Mehrheitsprinzip entschied, mussten unzählige Kleinigkeiten diskutiert und Zweifler überzeugt werden. Wie bei allen Bauprojekten war die größte Hürde allerdings die Finanzierung. Rund 4,5 Millionen Euro wurden investiert, um zu sanieren und die Baulücke an der Straße zu schließen. Insgesamt 21 Wohnungen wurden geschaffen – mit Fahrstuhlzugang, breiten Türen und großen Badezimmern konnten sie sich Förderung für altersgerechtes Wohnen sichern. Jede Wohnung hat zudem einen Balkon. Im Vorderhaus kamen ein Friseur und eine Tagesmutter unter. Nettokaltmiete liegt bei 11,50 Euro: Der Erwerb im Jahr 2010 und der Baustart im Jahr darauf gelangen über eine besondere rechtliche Konstruktion. Die Initiatoren holten die Stiftung Trias ins Boot, die gemeinschaftliche Wohnprojekte fördert. Im Fall der „23 Riesen“ wurde die Stiftung Eigentümer des Grundstücks und verpachtete es wiederum an das Berliner Martinswerk, welches Bauherr war und an den Verein 23 Riesen vermietet. Die Bewohner sind alle Mitglied. Die Rechtsform als Verein, das weiß Naber nun, ist ungeeignet, eine richtige Genossenschaft wäre die bessere Form gewesen. Doch der 73-jährige Wilfried Naber ist Rentner und hat über Jahre die wichtigen Aufgaben als Schatzmeister und Hausverwalter gewissenhaft ausgeübt, mittlerweile gibt es dafür einen Nachfolger. Ähnlich wie bei einer Genossenschaft haben sich alle Mieter mit einer Einlage beteiligen müssen – und für jeden Quadratmeter Wohnfläche 111 Euro als Eigenanteil gezahlt. Den eigentlich angepeilten Mietpreis von 10,50 Euro Nettokaltmiete haben die 23 Riesen nicht ganz halten können – sie liegen heute bei 11,50 Euro. Angesichts der Mietentwicklung in Potsdam fühlt sich das aber heute nicht mehr so schlecht an. Vor allem haben Naber und seine Mitbewohner keine Ungewissheiten zu befürchten, wie die Mieten sich weiter entwickeln werden. Jeder dritte Bewohner der „23 Riesen“ ist ein Kind: Es klingt wie ein Modellprojekt, das auf die schwierige Wohnungssituation in Potsdam zugeschnitten ist. Doch seitens der Stadt gab es keinerlei Unterstützung für die 23 Riesen. „Ganz im Gegenteil, die Stadtverwaltung hat uns sehr beäugt“, sagt Wilfried Naber. Mittlerweile hat sich das verändert. Heute will die Verwaltung solche Projekte grundsätzlich unterstützen – in Krampnitz sollen solche vielfältigen Baugemeinschaften zum Zuge kommen. Die Grundidee der „23 Riesen“ hat sich im Grunde erfüllt. Menschen zwischen vier und 82 Jahren leben heute in den Gebäuden, jeder dritte Bewohner ist ein Kind, dazu kommen zwei Studenten-WGs. „Man ist nicht alleine und wird hier aufgefangen“, ist sich Naber sicher. Regelmäßiger Hausbrunch, Sommerkino im Hof, auch gemeinsamer Tanz haben sich etabliert. Den riesigen, über 5000 Quadratmeter großen Garten, der sich zum Telegraphenberg hochzieht, verwandelten sie gemeinsam aus einer Brache in eine vielfältig genutzte und barrierearme Oase mit Bienenstöcken, Weinreben, Gemüsegarten, Spielplatz und Feuerstelle. Der Erfolg des Projekts „23 Riesen“ hat sich herumgesprochen. Es gibt eine Warteliste von Interessenten, die als Nachmieter einsteigen würden. „Es fragen viele Leute, aber es ist bislang nur einer ausgezogen“, sagt Naber. Das Datenjournalismus-Projekt „Potsdam ganz nah“ ist gefördert durch das Kartographen Mercator Stipendien-Programm für JournalistInnen – eine Initiative des gemeinnützigen Vereins Fleiß und Mut e.V. Von Peter Degener