Wohnen in Potsdam: So funktionieren Wohnungsgenossenschaften

Exakt 91.116 Wohnungen gibt es laut dem Arbeitskreis StadtSpuren zurzeit im Potsdam. 16.568, also 18,18 Prozent davon, sind im Eigentum von Genossenschaften, genauer Wohnungsbaugenossenschaften. 31.500 Potsdamer leben in diesen Genossenschaftswohnungen. Doch wie funktioniert das System Genossenschaft eigentlich? Wie kann ich Mitglied werden? Und welche Genossenschaften gibt es in Potsdam? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. Was ist eigentlich eine Wohnungsbaugenossenschaft? Eine Wohnungsbaugenossenschaft, auch Genossenschaft, Baugenossenschaft, Wohnungsgenossenschaft, Wohnbaugenossenschaft, Siedlungsgenossenschaft, Wohnungsverein oder Bauverein genannt, ist ein gemeinschaftliches Wohnungsunternehmen. Sie hat das Ziel, ihre Mitglieder mit sicherem, preiswertem Wohnraum zu versorgen. Und zwar auf Dauer. Genossenschaften sind eine große zivilisatorische Leistung: Menschen tun sich zusammen und bauen als Solidargemeinschaft und zur Selbsthilfe. Alle Kapitel unserer großen Potsdam-Serie lesen Sie unter: Das Handeln einer Genossenschaft ist auf langfristigen Erfolg und nicht auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet. Sie arbeitet selbstkostendeckend. Genossenschaften haben zudem immer zur städtebaulichen und baukulturellen Entwicklung von Städten beigetragen. In Potsdam sieht man das am Beispiel der Kleinen Weinmeisterstraße oder der gartenstädtischen Siedlung Am Brunnen. Wem gehören die Wohnungen? Das Unternehmen und die Wohnungen gehören den Mitgliedern gemeinschaftlich. Mit dem Eintritt in die Genossenschaft erhält ein Mitglied einen Versorgungsanspruch für einen Wohnraum. Die Wohnung gehört ihm jedoch nicht. Stattdessen erhält er ein Dauernutzungsrecht, ähnlich einem Mietverhältnis. Die Genossenschaft kann dieses Dauernutzungsverhältnis nicht kündigen, wenn das Mitglied sich vertragskonform verhält. Welchen Vorteil hat eine Genossenschaft? Neben dem Kündigungsschutz gibt es weitere Vorteile. Man kann die Mitgliedschaft vererben. Man ist im Alter sicher durch bezahlbaren Wohnraum und jedes Mitglied kann im Rahmen der Satzung bei genossenschaftlichen Angelegenheiten mitbestimmen. Seit wann gibt es Genossenschaften? Genossenschaften gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie erlebten immer dann eine Hochzeit, wenn Wohnungsprobleme gelöst werden mussten – vor dem ersten Weltkrieg, in den 1920er Jahren, in den 1950er Jahren in der DDR. Unverständlicherweise ist das aktuell nicht mehr so. Es gibt hin und wieder kleine Genossenschaften, in denen sich Leute für den Bau eines einzelnen Gebäudes zusammentun. Wie kann ich Mitglied in einer Genossenschaft werden? Die Mitgliedschaft regeln Genossenschaften in ihrer jeweiligen Satzung. Mitglieder können meist Einzelpersonen, Personengesellschaften und juristische Personen werden. Der Erwerb der Mitgliedschaft ist mit der Übernahme eines Geschäftsanteils, der Zahlung eines einmaligen Eintrittsgeldes und der Anerkennung der Satzung der Genossenschaft verbunden. Über die Aufnahme entscheidet der Vorstand der Genossenschaft. Auch die Höhe eines Geschäftsanteils ist durch die Satzung geregelt. In der Potsdamer Genossenschaft „Bauverein Daheim“ beträgt er zum Beispiel 205,00 Euro. Entstehen noch andere Kosten? Erhält ein Mitglied eine Wohnung, muss es entsprechend der Wohnungsgröße weitere Genossenschaftsanteile übernehmen. Bleiben wir beim Beispiel „Bauverein Daheim“, so wären das für eine Zwei-Raum-Wohnung zwei Anteile. Diese Anteile sind der Beitrag am Eigenkapital der Genossenschaft und werden nicht verzinst. Wie ist das mit der Miete? Eine Miete – sie heißt in einer Genossenschaft Nutzungsentgelt – fällt ebenfalls an. Sie ist aber stets günstiger als bei privaten oder kommunalen Vermietern, da, wie bereits erwähnt, nur die Selbstkosten in Rechnung gestellt werden und die Genossenschaft keinen Gewinn erwirtschaften muss. In Potsdam zum Beispiel beträgt die Durchschnittsmiete pro Quadratmeter bei den Genossenschaften 5,35 Euro. Dem aktuellen Mietspiegel zufolge liegt die stadtweite Durchschnittsmiete bei 6,88 Euro. Private Mieter verlangen Mieten, die fast zwei Euro über der der Genossenschaften liegen. Bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung sind das pro Monat rund 140 Euro mehr. Wie viele Genossenschaften gibt es in Potsdam? In Potsdam gibt es acht Genossenschaften. Die älteste – sie entstand 1896 – ist der „Bauverein Daheim“ mit der Kolonie Daheim, einer kleinen denkmalgeschützten Siedlung in der Teltower Vorstadt. Der Bauverein hat 182 Wohnungen. Die größte Genossenschaft ist die Wohnungsgenossenschaft Karl Marx mit 6600 Wohnungen in allen Stadtteilen Potsdams. Wie stehen die Chancen, kurzfristig in Potsdam Mitglied einer Genossenschaft zu werden? Wohnen in einer Genossenschaft ist auch in Potsdam attraktiver geworden in den letzten Jahren. Der große Mangel an preisgünstigen Wohnungen führt zu größerer Nachfrage. Die Genossenschaften können jedoch nicht unendlich neue Mitglieder aufnehmen, wenn sie parallel dazu keine neuen Wohnungen bauen. Dazu kommt die Nachfrage aus der Mitgliedschaft heraus – Familien verändern sich. Da sehen sich Genossenschaften zuerst ihren Mitgliedern verpflichtet. Der Bau neuer Wohnungen setzt immer geeignete und bezahlbare Grundstücke voraus. Daran mangelt es in Potsdam. Umso erfreulicher sind die aktuell positiven Bespiele wie die Vergabe von 80 Prozent der Grundstücke im Block III der künftigen neuen Potsdamer Mitte an Genossenschaften und die Pläne, im künftigen großen Wohngebiet Krampitz genossenschaftlich tätig zu werden. Der Arbeitskreis StadtSpuren arbeitet zudem gemeinsam mit den Genossenschaften an einer Entwicklung, die sich auf Verdichtung orientiert, um auf eine Anpassung des Portfolios in Richtung große und barrierefreie Wohnungen zu erreichen. Das Datenjournalismus-Projekt „Potsdam ganz nah“ ist gefördert durch das Kartographen Mercator Stipendien-Programm für JournalistInnen – eine Initiative des gemeinnützigen Vereins Fleiß und Mut e.V. Von Elvira Minack