Wohnen in Potsdam: So lebt es sich am Uferpark in der Templiner Vorstadt

Die Entscheidung stand schnell fest. Als Johanna und Marc Wiegand die Grundstücke am Wasser gesehen hatten, war eigentlich sofort fest, dass sie in die Templiner Vorstadt ziehen wollen. Im Jahr 2015 fingen sie an, vor Ort zu bauen, 2017 zogen sie ein –und sind sehr glücklich vor Ort. „Für die Kinder ist es ein wunderschönes Umfeld und auch für uns ist es irgendwie entschleunigend“, sagt Johanna Wiegand. Die 37-Jährige stammt ursprünglich aus Hannover und arbeitet in Berlin als Referentin im Bundesinnenministerium. In Berlin hat sie 2011 auch ihren Mann Marc kennengelernt, der als Jurist im Bundespräsidialamt arbeitet. Inzwischen sind die beiden Eltern von drei Töchtern: der einjährigen Anna, der dreijährigen Helena und der sechsjährigen Clara. Die Älteste ist gerade frisch in der Marienschule eingeschult worden, die Kleinen besuchen die Kita Havelblick. Das Paar wollte schon immer drei Kinder: Bei unserem Besuch an einem Freitagnachmittag, kommt Vater Marc gerade mit den Kindern zu Hause an, er hat sie mit dem Auto abgeholt. Es herrscht Trubel, die Mädchen nutzen die besondere Situation, um nach der Süßigkeitenkiste zu schmulen. „Süßes gibt es nämlich nur auf Nachfrage“, sagt Johanna Wiegand und erlaubt dann allen dreien, sich etwas auszusuchen. Ob der lautstarken Entscheidungsfindung bleiben beide Eltern gelassen. Alle Kapitel unserer großen Potsdam-Serie lesen Sie unter: potsdam.maz-online.de Überhaupt vermitteln sie den Eindruck, dass sie nichts so leicht aus der Ruhe bringen könnte. Die drei Kinder waren immer ein großer Wunsch gewesen, erzählt Johanna Wiegand. „In dem Punkt waren wir uns auch sofort einig.“ Erschöpfend sei es trotzdem manchmal, das eigene Sozialleben bleibe ein wenig auf der Strecke. Der Corona-Lockdown war zusätzlich eine besondere Herausforderung: „In den ersten sechs Wochen haben wir viel gebastelt, geknetet und waren froh, dass ’Die Sendung mit der Maus’ jeden Tag gelaufen ist“, sagt sie und lacht. Mit Freunden durften sich die Kinder in der ersten Zeit gar nicht treffen, extra aufgestellte Tagespläne sorgten für Struktur. „Einfach abgammeln hat nicht funktioniert, die Kinder waren am Ende des Tages dann auch überhaupt nicht ausgepowert.“ Vorgelesen wurde auch viel, Bücher sind sowieso wichtig für Familie Wiegand. Im Wohnzimmer ist ein Regalbrett nur mit Kinderbüchern gefüllt, ein kleineres Regal beinhaltet aktuelle Lektüren der Eltern. Von Rüdiger Zill hat Marc Wiegand gerade „Der absolute Leser: Hans Blumenberg. Eine intellektuelle Biographie“ gelesen. Während seine Frau zurzeit wegen der Kinder gar nicht zum Lesen kommt, wie sie erzählt, versucht er vor dem Schlafengehen immer noch ein paar Seiten zu lesen. Als Handapparat bezeichnet er das kleine Regal im Wohnzimmer scherzhaft, die eigentliche Bücherwand befindet sich unter dem Dach. Eine harmonische Nachbarschaft: Drei Stockwerke hat das 170 Quadratmeter große Haus der Familie, inklusive ausgebautem Dachboden und einer großzügigen Dachterrasse. Von dort hat meinen schönen Ausblick über die Uferpark-Siedlung. Ruhig ist es hier, obwohl die Häuser dicht beieinander stehen und fast nur Familien vor Ort wohnen. Streit mit den Nachbarn habe es bisher zum Glück nicht gegeben, im Gegenteil: Zwei Mal im Jahr wird zum Sommer- und Winterfest miteinander gefeiert. An das letzte Fest erinnert sich auch noch Tochter Clara. Bis halb zwölf durfte sie an dem Tag aufbleiben. „Viel zu kurz“, sagt sie. Lange genug, finden die Eltern. Wenn immer möglich, trifft sich die Sechsjährige in der Siedlung mit Freunden. „Sie sagt einfach Tschüss und ist draußen“, erzählt Marc Wiegand. „Und manchmal haben wir dann auf einmal zehn Kinder im Garten.“ Die Familie wünscht sich bessere Infrastruktur: So entspannt das alles ist, ein bisschen mehr Infrastruktur in der Umgebung wünscht sich die Familie doch. Zwar gibt es sowohl in Caputh als auch am Hauptbahnhof Einkaufsmöglichkeiten, in unmittelbarer Nähe aber außer einem Bäcker nichts. Auch mehr Schulen und Kitas wären vor Ort wünschenswert. „Hier leben so viele Familien, da sind die Plätze begehrt“, sagt Johanna Wiegand. Die Busanbindungen seien ganz in Ordnung, immerhin drei Busse – die Linien 694, 607 und 643 –fahren vor Ort, zu den Stoßzeiten seien diese aber auch sehr ausgelastet. Besonders wegen Corona nutzt Familie Wiegand deswegen öfter das Auto. Die aktuellen Baustellen am Leipziger Dreieck und in der Leipziger Straße erhöhen zusätzlich den Stress. „Zur Zeit ist es wirklich schrecklich, eine Durststrecke“, sagt Marc Wiegand. Dass die Leipziger Straße nun auch auch noch wie berichtet für den Radverkehr gesperrt ist, ärgert das Paar. Es gehört mit zu den Anwohnern der Templiner Vorstadt, die einen kritischen Brief an den SPD-Stadtverordneten Nico Marquardt unterschrieben haben. Enge Verbindung nach Frankreich: Dennoch sind sie glücklich vor Ort: „Hier ist es einfach erholsam, im Sommer gibt es verschiedene Bademöglichkeiten, Hermannswerder ist gleich um die Ecke“, sagt Johanna Wiegand. Dorthin unternimmt die Familie regelmäßig Spaziergänge, Tochter Clara nimmt in der Tanzschule „Hermann Tanzt“ Ballettunterricht, ihre Schwester Helena macht beim kreativen Kindertanz mit. „Ich war auch eine Zeit lang in einem Kurs, aktuell fehlt mir allerdings die Kraft“, sagt Johanna Wiegand, lacht aber dabei. Im nächsten Jahr, wenn die Kleinste etwas älter ist und die Corona-Situation „hoffentlich etwas stabiler ist“, möchten beide Eltern auch selbst kulturell und sozial wieder etwas Fahrt aufnehmen. Mal wieder in die Oper oder ins Kino gehen – und in den Freundeskreis Potsdam-Versailles e.V. eintreten. Johanna Wiegands Mutter stammt aus Frankreich, sie selbst hat unter anderem dort studiert und die Familie ist normalerweise mindestens einmal im Jahr vor Ort. Wegen Corona fand der Urlaub dieses Jahr allerdings innerhalb von Deutschland statt. Das Datenjournalismus-Projekt „Potsdam ganz nah“ ist gefördert durch das Kartographen Mercator Stipendien-Programm für JournalistInnen – eine Initiative des gemeinnützigen Vereins Fleiß und Mut e.V. Von Sarah Kugler