Arbeitsmarkt und Corona: Prignitz kommt stabil durch die Krise

Es gibt Jahrestage, die keinen Anlass zum Feiern geben. Ein Jahr Corona hat seine Spuren hinterlassen, auch für Arbeitsmarkt und Wirtschaft im Landkreis Prignitz. „Wer hätte gedacht, dass wir uns noch immer nach einem Jahr dazu treffen müssen?“ findet Andreas Ditten, der für Wirtschaft zuständige Geschäftsbereichsleiter in der Prignitzer Kreisverwaltung. Besser durch die Corona-Krise gekommen als andere: Gleichwohl ist die Region bislang nach wie vor vergleichsweise besser durch die Krise gekommen als andere. Das ist das Fazit einer Bilanz, die am Mittwoch Vertreter von Jobcenter, Arbeitsagentur, Landkreis und Wirtschaftsfördergesellschaft in der Kreisverwaltung in Perleberg gezogen haben. Allein der aktuelle Blick auf die Arbeitslosenzahlen macht beide Aspekte deutlich: Im März verzeichnete der Landkreis Prignitz eine Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent, leicht niedriger als im Februar, aber um 1,1 Prozentpunkte höher als vor genau einem Jahr. Das entspricht den Tendenzen im ganzen Arbeitsamtsbezirk Neuruppin. Jugend- und Frauenarbeitslosigkeit steigen um mehr als 30 Prozent: Das bedeutet: Trotz Krise hat es keinen exorbitanten Anstieg der Arbeitslosigkeit gegeben, jedoch ist ihr jahrelanger Abbau erstmal deutlich gebremst worden – die Arbeitslosigkeit nahm um zehn Prozent im Jahresdurchschnitt zu. Die Jugend- und die Frauenarbeitslosigkeit sind jeweils um mehr als 30 Prozent innerhalb eines Jahres angestiegen. Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung trifft die Krise ebenfalls härter. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. Branchenmix wirkt sich in der Prignitz positiv aus: Die Betroffenheit ist dabei von Branche zu Branche unterschiedlich. Das produzierende Gewerbe steht im Vergleich besser da, weiß Ditten. „Da stand die Aufrechterhaltung der Produktion im Vordergrund, und das hat sich bewährt.“ Als positiv für die Prignitz erweist sich jetzt der Branchenmix, wie der Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft Prignitz, Uwe Büttner, betont. Auch das Handwerk hat stabilen Boden – abgesehen von den körpernahen Dienstleistungen. Ditten hatte darüber jüngst mit Robert Wüst, Präsident der Handwerkskammer Potsdam, gesprochen. Gastronomie-Branche braucht eine Perspektive: Ganz hart getroffen hat es die Gastronomie. „Die Branche braucht eine Perspektive“, betont Ditten, der auch im Vorstand des Tourismusverbands Prignitz sitzt. Erstaunlicherweise haben aber laut Büttner viele Unternehmen gerade in diese Branche investiert, etwa in die Digitalisierung von Buchungssystemen. Insgesamt sei der Arbeitsmarkt in der Krise robust, ist sich Beate Kostka, Chefin der Arbeitsagentur in Neuruppin, sicher. Trotz Pandemie sinke die Anzahl der Menschen stetig, die Grundsicherungsleistungen des Jobcenters begehren – im Vergleich zu 2005 liegt ihre Zahl um 60 Prozent niedriger, was Gordon Werber vom Jobcenter Prignitz bestätigt. Und sie ist auch im vergangenen Jahr weiter gesunken. Beschäftigungswachstum hat sich in der Prignitz fortgesetzt: Ein anderer Indikator ist, dass Prignitzer Unternehmen weiterhin Fachkräfte suchen. Der Stellenbestand bleibt auf hohem Niveau. So waren im März 834 offene Arbeitsstellen am ersten Arbeitsmarkt gemeldet – vor genau einem Jahr waren es nur 811. Im Gegensatz zu den drei anderen Landkreisen in der Zuständigkeit der Arbeitsagentur Neuruppin hat sich in der Prignitz sogar das Beschäftigungswachstum weiter fortgesetzt und lag mit Stand von Ende September 2020 bei 0,3 Prozent. Lesen Sie auch Corona in der Prignitz: Inzidenz steigt auf 140,50 Prignitz: Impfzentrum fährt Leistung hoch – wenn Impfstoff da ist Ausgangssperre in der Prignitz: Das Gassigehen bleibt erlaubt Perleberg und Wittenberge: Schnelltests am Ostersonnabend Ferner hat Kurzarbeit Arbeitsplätze gesichert, vor allem in den besonders betroffenen Branchen wie Gastronomie, Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau, Einzelhandel, Gesundheitswesen, Werbung und Marktforschung. Meldungen für Kurzarbeit folgen den Pandemiewellen: Die Statistik über die Neu-Anzeigen für Kurzarbeit im Laufe des vergangenen Jahres folgt exakt den Wellen der Pandemie. Im März 2020 hatten 330 Unternehmen Kurzarbeit für 3400 Personen angezeigt, im April 2020 waren es 530 Anzeigen für 4510 Personen. Mit dem Abebben der ersten Welle sanken die Zahlen deutlich, um dann ab November 2020 wieder anzusteigen. Der letzte in der Statistik verzeichnete Wert sind 110 Anzeigen im Januar 2021 für 1330 Personen. Was diese Statistik nicht besagt, ist, in welchem Ausmaß sich die Menschen nach der ersten Meldung noch weiter in Kurzarbeit befinden – selbst in Branchen wie dem Friseurhandwerk, das wieder öffnen dürfte, blieb Kurzarbeit häufig bestehen, weil die Arbeit aufgrund der Corona-Auflagen limitiert war. Jugendliche: Ausbildungschancen weiter gut: Für Jugendliche gestaltet sich der Einstieg in den Arbeitsmarkt in der Krise schwerer. „Die Betriebe sagen, dass sie nicht wissen, wie es weitergeht“, erklärt dies Beate Kostka, „das sehen wir mit Sorge.“ Auf der anderen Seite setzen Prignitzer Unternehmen weiter auf Ausbildung: Die Zahl offener Ausbildungsstellen (467) und die Bewerberzahl (272) sind fast unverändert gegenüber dem Vorjahr. Auf jeden Bewerber kommen 1,72 Stellen. Von Bernd Atzenroth