Ein Storch um Winter: Wer hat den Prignitzer Storch bei Vehlow gesehen?

Grüne Acker, die teilweise noch mit Schnee bedeckt sind – ein Bild, das aktuell fast täglich in Vehlow in der Gemeinde Gumtow zu sehen ist. Wenn jedoch inmitten des leichten Schneegestöbers ein Storch zu bestaunen ist, schaut man automatisch ein zweites Mal hin. Normalerweise sollte der Vogel um diese Jahreszeit schon längst sein Winterquartier weit außerhalb Deutschlands bezogen haben. Doch scheinbar zieht der Storch bei Vehlow es vor, in der Prignitz zu bleiben. Ein Storch im Januar bei Vehlow entdeckt: Krank oder gar verletzt scheint der Weißstorch nicht zu sein. Vielmehr war er aktiv, suchte fleißig nach Futter und mochte es überhaupt nicht, aus der Nähe betrachtet zu werden. Dann flog er weg. Dennoch stellt sich natürlich die Frage: Ist dieses Verhalten normal? Auf MAZ-Anfrage erklärt Sophie Hoffmann von der Naturwacht in Rühstädt, dass es durchaus vorkommen kann, einen Storch im Winter zu sehen. „Es ist aber eher die Ausnahme“, sagt sie. Sie weiß, dass auch in der Nähe von Cumlosen (Amt Lenzen-Elbtalaue) bereits ein Storch im Winter gesichtet wurde. Über einen möglichen Grund, warum die Tiere so lange hier bleiben, kann aber nur spekuliert werden. Womöglich handelt es sich um einen Jungstorch, der den Anschluss verpasst hat. Gelegentlich, aber selten, werden Störche verletzt oder Jungstörche fallen aus dem Nest und müssen vom Menschen gepflegt werden. Haben solche Störche einen Winter in Deutschland verbracht, erlischt ihr angeborener Zugtrieb und sie ziehen nicht mehr zusammen mit ihren Artgenossen gen Süden. Hin und wieder kommt es auch vor, dass eigentlich gesunde Störche nicht mit ihren Artgenossen in den Süden fliegen. Störche finden im Winter genügend Futter – wenn die Bedingungen stimmen: Doch bislang ist nicht geklärt, warum einige Weißstörche lieber in Deutschland bleiben als in wärmere Regionen auszuwandern. Ein Problem sei es aber nicht. Trotz Schnee und teilweise kalten Temperaturen sind die Winter vergleichsweise mild; deshalb finden Vögel genügend Futter. Solange keine geschlossene Schneedecke liegt und kein strenger, lang anhaltender Frost herrscht, findet der Storch auch in unseren Breitengraden noch genug Nahrung – beispielsweise Mäuse, Regenwürmer oder kleine Schnecken und Fische. Der Weißstorch ist ein klassischer Zugvogel. Normalerweise verbringt er das Winterhalbjahr in warmen Regionen. Die meisten Störche sind sogenannte Ostzieher. Sie umfliegen das Mittelmeer über den Bosporus und den Nahen Osten in Richtung Südafrika. Der geringere Anteil der Störche gehört zu den Westziehern. Diese fliegen über Spanien nach Afrika. Dabei ist es weniger die Kälte als vielmehr die winterliche Nahrungsknappheit, die den langen Zug nach Afrika erfordert. Im Schnitt sind ab Mitte respektive Ende März die ersten Störche wieder zurück und besetzen die Horste. Zuerst kommen die männlichen Vögel und warten sehnsüchtig auf die Damen, die oft eine Woche später eintreffen. Im letzten Jahr konnte der erste Storch in Rühstädt in der ersten März-Woche gesichtet werden. Ornithologie Jürgen Kaatz denkt, es ist ein Wildstorch: „Das ist unzweifelhaft ein Storch auf dem Foto“, erklärt Ornithologe Jürgen Kaatz aus Dranse (Stadt Wittstock/Dosse) auf MAZ-Anfrage. „Für einen Zugstorch ist es jedoch sehr zeitig“, betont er. Auf dem Foto ist leider nicht erkennbar, ob der gesichtete Storch einen Ring trägt. „Das wäre jedoch sehr spannend zu erfahren“, meint der Experte. Beringte Weißstörche bieten die Möglichkeit, ihre Lebensgeschichten anhand der Ringnummern zu verfolgen. Nützlich kann dies zum Beispiel dabei sein, das Zugverhalten oder die Nutzung unterschiedlicher Storchenhorste nachzuvollziehen. Dass sich der Vogel nicht aus der Nähe betrachten lässt, weist darauf hin, dass es sich bei dem Tier um einen Wildstorch handelt. Wäre er etwa zeitweise in einer Wildtierauffangstation zu Hause gewesen, wäre sein Verhalten anders. Eine mögliche Erklärung, warum der Vogel im Januar auf einem Feld in der Prignitz zu bestaunen ist, gibt es vom Ornithologie auch: Experte schließt einen Ostzieher aus: Es könnte sich um einen Westziehern handeln, der in Spanien überwintert hat und aufgrund der Wetterlage früher nach Deutschland zurückgeflogen ist. Dass es sich um einen Ostzieher handelt, schließt Jürgen Kaatz aus. Es könnte sich auch um ein Exemplar handeln, das Deutschland überhaupt nicht verlassen hat. „Einige überwintern sogar schon in der Rhein-Region“, sagt der Ornithologe. Eine weitere Erklärung, die der Experte in Betracht zieht, lautet: Der Storch stammt womöglich aus Schweden. Dort gibt es seit mehreren Jahren ein Wiederansiedlungsprojekt. „Das klappt ganz gut“, weiß er. Diese Störche fliegen manchmal auch nach Deutschland und überwintern hier. Jedoch könnte nur ein Ring am Storchenbein eine eindeutige Antwort geben. Trägt das Tier wirklich keinen, handelt es sich um einen Wildstorch. „Das wäre mein erster Januarstorch“, meint Jürgen Kaatz dazu. Wer hat den Storch noch gesehen? Und jetzt sind die Vehlower, Demerthiner, Wutiker und Rosenwinkler gefragt: Wer hat den Storch gesehen? Sollte er hier überwintern, wird er wohl möglich in einem der Horste nächtigen oder sich auf einem hohen Gebäude niederlassen. Über einen Tipp oder gar ein Foto würde sich die MAZ-Redaktion und der Ornithologie Jürgen Kaatz sehr freuen – wenn möglich so dicht wie möglich. Vielleicht trägt der Bursche ja doch einen Ring. Lesen Sie auch: Störche Prignitz – Adebar macht sich rar Prignitz: Die ersten Störche sind zurück Fehrbellin: Die ersten Störche sind zurück Von Julia Redepenning