Die Lachse machen sich in der Stepenitz (Prignitz) rar

Mit weit ausholenden Bewegungen zieht Steffen Zahn den Kescher durchs Wasser. Immer und immer wieder. Für Sekunden bleiben Tropfen am Netz hängen, aber das Objekt der Begierde lässt sich nicht blicken. An diesem Tag einen Lachs aus der Stepenitz zu holen, ist ein mühsames Unterfangen. Bis Dezember wird der Lachs in der Stepenitz gefangen: Jede Woche lassen sich noch bis in den Dezember hinein die vielen Versuche beobachten, den Wanderfisch in Perleberg einzufangen und damit nachzuweisen, dass er wieder dauerhaft heimisch geworden ist in der Prignitz. Denn das war nicht immer der Fall. „Der Lachs gehörte zu den Brotfischen der Elbefischer“, erzählt Steffen Zahn vom Institut für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow. Reichlich war er dort vorhanden, bis am Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert die Bestände mehr und mehr zusammenbrachen. Die Industrialisierung und die Verschmutzung der Flüsse durch das Einleiten ungeklärter Abwässer machten den Lachsen schwer zu schaffen. Hinzu kam der Bau von Wehren zur Nutzung der Wasserkraft, die dem Salmo salar den Weg in die Nebenflüsse versperrte. „Dadurch kam er nicht mehr zu den Laichplätzen“, erklärt Zahn. Seit Ende der 90er Jahre erfolgt die Wiederansiedlung: Ende der 1990er Jahre startete das Projekt zur Wiederansiedlung der Lachse und Meerforellen in der Stepenitz unter der fachlichen Aufsicht des Instituts. Das rund 85 Kilometer lange Gewässer darf immer noch den Titel „sauberster Fluss Brandenburgs“ tragen, bestätigt Zahn. „Er ist ein Highlight im norddeutschen Tiefland“, schwärmt der Wissenschaftler. Und das wissen auch die Lachse zu schätzen. An diesem Tag aber sind sie erst einmal abgetaucht. Ohne Fang steigen Steffen Zahn und die Helfer vom Fliegenfischerverein Berlin/Brandenburg (Fario e. V.) aus dem Kahn am Sandfang. Hier in der Innenstadt, zwischen Wandrahmen und Schule, ist die Stepenitz eingeklemmt zwischen Wehr und Uferbefestigung. Eigentlich eine Sackgasse. Um in den Hauptlauf zu gelangen, müssen die Fische die Treppe am Mühlenkanal nutzen. Dann sind sie auf dem richtigen Weg. Dort überwacht eine Kamera die Bewegungen, ein Video wird für die Auswertung aufgenommen. Im Herbst geht es für die Lachse zurück in die Kinderstube: Die Lachse vergessen nie, wo ihr Zuhause ist. Einmal in die Stepenitz ausgesetzt, sagt ihnen ihr Instinkt, zum Laichen wieder dorthin zurück zu schwimmen. Im April machen sie sich auf den Weg in die Nordsee, verbringen dort den Sommer, und kehren dann im Herbst zurück. Anfang Dezember ist der Höhepunkt der Wanderbewegung, „dann kommen sie in ihre Kinderstube“, sagt Steffen Zahn. Doch trotz der vielen Fischtreppen ist das derzeit ein mühsames Unterfangen. „Wir haben Sorgen, dass es dieses Jahr weniger Lachse geben wird“, sagt Zahn. Es sei eine Frage der Wassermenge. Und die habe durch die trockenen Sommer der vergangenen Jahre abgenommen. Erschwerend kommt ein Schaden an der Staustufe bei Geesthacht hinzu. Das hatte im August dazu geführt, dass die Elbe so wenig Wasser führte wie lange nicht mehr. Dadurch war auch die Fischaufstiegsanlage nicht voll funktionsfähig. Nur ein Lachs geht ins Netz: Umso mehr freuen sich Steffen Zahn und seine Helfer an diesem Tag, als ihnen auf dem Weg aus der Altstadt hinaus bis zum Rieselwehr doch noch ein Lachs ins Netz geht. Vorsichtig wird er aus dem Kahn gehoben und einer ersten Begutachtung unterzogen. Mit geübtem Blick erkennen die Fachleute sofort, dass der Fisch auf dem Weg zum Laichen ist. Er trägt tausende kleiner Eier in seinem Inneren. An dieser Stelle kommt Mirko Beutling ins Spiel. Der Silmersdorfer betreibt mit Unterstützung des Fario e. V. ein Bruthaus in Silmersdorf. Er ist sozusagen der Geburtshelfer für die Prignitzer Lachse und unterstützt mit seinem ehrenamtlichen Engagement das Fortbestehen der Art. Die Zucht erhöht die Überlebensrate der Lachse: „Durch die Zucht haben wir eine Überlebensrate von 95 Prozent. In der Natur wären es nur 50 bis 60 Prozent“, erklärt Beutling, der dafür Sorge trägt, dass die Tiere nach der künstlichen Befruchtung heranwachsen und dann als Jungfische wieder ausgesetzt werden können. Auch wenn es an diesem Tag nur ein Lachs war, der sich einfangen ließ: „Er ist ein Beleg dafür, dass der Kreislauf funktioniert“, freut sich Steffen Zahn. Der Wissenschaftler ist guter Dinge, dass dieser Lachs in den kommenden Wochen noch ein wenig Gesellschaft bekommt. Info: Wer sich für die Arbeit von Mirko Beutling und dem Fario e. v. interessiert: www.farioev.de Von Stephanie Fedders

Perleberg - Die Lachse machen sich in der Stepenitz rar