Forschungen zum Kriegsende in der Prignitz: Die Stunde Null in Wittenberge

Der Arbeitsplatz hat sich geändert, aber das Thema bleibt: Volontär Lennart Gütschow ist planmäßig zum 1. August von der Stepenitz an die Elbe gewechselt und hat das Büro im Stadt- und Regionalmuseum in Perleberg eingetauscht gegen einen Platz im Wittenberger Stadtmuseum „Alte Burg“. Forschen zur Stunde Null in Wittenberge: Hier wird der gebürtige Hamburger ein weiteres Jahr im Rahmen des Projektes „Kriegsende 1945 in der Prignitz“ forschen und weitere Erkenntnisse zur Stunde Null in der Region zusammentragen, die dann ab September 2021 in eine Ausstellung einfließen sollen. Bis dahin wünscht sich Gütschow eine ähnlich positive Resonanz auf seine Arbeit, wie er sie zuletzt seit Februar in Perleberg und Umgebung erfahren hat. Die Zahl der Zeitzeugen, mit denen er sich bislang zu Gesprächen verabreden konnte, überstieg die Erwartungen bei weitem. Da möchte der Historiker gerne anknüpfen. „Bislang habe ich einige interessante Geschichten gehört“, bilanziert Lennart Gütschow und nennt als Beispiel die Erinnerung eines Mannes, der beim Einmarsch der russischen Armee Anfang Mai 1945 an der Straße gestanden hat. Erste Zeitzeugen haben sich bereits gemeldet: Ein anderer hat als Jugendlicher als Kontaktperson für die russische Administration in Perleberg gearbeitet und übersetzt, erzählt Lennart Gütschow. Bislang waren es aber ausschließlich Männer, die ihre Erlebnisse mitgeteilt haben. Noch fehle der Blick auf die Ereignisse vor 75 Jahren aus der Sicht der Frauen. Dass sich daran noch etwas ändert, darauf hofft auch Wittenberges Museumsleiterin Birka Stövesandt. Viele Jahre haben Zeitzeugen sich gar nicht geäußert. „Jetzt haben viele aber das Bedürfnis“, hat Stövesandt festgestellt. „So etwas braucht Zeit.“ Ergänzend weist Frank Riedel auf das Potenzial, dass vielleicht noch in den hiesigen Archiven schlummert. „Die Bestände sind noch nicht systematisch aufbereitet“, sagt der Fachbereichsleiter für Kultur, Sport und Tourismus in der Perleberger Stadtverwaltung. Für die Ausstellung werden Erinnerungsstücke gesucht: Dass der Weg zu Informationen manchmal schneller als gedacht verbaut sein kann, diese Erfahrung musste Lennart Gütschow auch schon machen. Das Nationalarchiv der USA in der Hauptstadt Washington D.C. habe ihm mitgeteilt, dass die Bestände, die ihn interessieren, noch nicht digitalisiert seien. Um diese einzusehen, müsse er vorbeikommen. Und das ist im Rahmen des vom Land Brandenburg geförderten Volontariats nicht vorgesehen. Also konzentriert sich Gütschow auf die lokalen Quellen und die Bereitschaft der Prignitzer, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Neben Gesprächen und Aufzeichnungen beispielsweise in Form von Tagebüchern ist der 39-Jährige auch an Erinnerungsstücken interessiert, die in die Ausstellung integriert werden können. „Gerne würden wir dafür private Dinge ausleihen“, wirbt Lennart Gütschow um Unterstützung und nennt als Beispiel umfunktionierte Stahlhelme oder erhaltene Uniformen, die vielleicht noch in Kellern oder auf Dachböden liegen. Ein besonderes Gemälde aus Hinzdorf: Ein besonderes Stück hält Birka Stövesandt bereits in Händen: Ein Ölgemälde mit der Ansicht rauchender Schornsteine und Armeestellungen in der Landschaft. Der Ortsname Hinzdorf ist darauf vermerkt. Das brachte einen Antiquitätenhändler aus Celle in Niedersachsen auf die Idee, sich damit im Museum Wittenberge zu melden. „,Hinzdorf liegt doch bei euch im die Ecke´ hat er gefragt“, erinnert sich Birka Stövesandt. Das Bild bekam das Museum daraufhin geschenkt. Es wird auf jeden Fall im kommenden Jahr in der Ausstellung erst in Wittenberge und dann in Perleberg zu sehen sein. Info: Lennart Gütschow ist telefonisch im Stadtmuseum Wittenberge unter 03877/40 52 66 und per E-Mail an l.guetschow@stadt-perleberg.de zu erreichen Von Stephanie Fedders