Perleberg: Angela Drößler ist die Pflegerin mit dem Rad

Wenn Angela Drößler aus Perleberg auf ihren Drahtesel steigt, fährt sie nicht etwa zur nächsten Kaufhalle, sondern sie fährt zu ihren Patienten. Anders als ihre Kollegen vom ambulanten Pflegedienst des DRK in Perleberg nimmt sie für ihre Route nicht das Auto, sondern fährt Fahrrad – und das schon, seit sie dort arbeitet. DRK Perleberg organisierte eine Radtour für Schwester Angie: „Als wir unsere Angie damals einstellten, wussten wir, sie fährt kein Auto“, sagt Pflegedienstleiterin Sarah Roßmann. Es musste ein Lösung her und die wurde sehr schnell gefunden. „Wir haben dann für unsere Angie eine Fahrradtour organisiert“, erklärt Sarah Roßmann, „und sie war damit auch gleichzeitig die erste Pflegekraft, die mit dem Fahrrad ihre Touren absolviert. Und das macht Angela Drößler noch heute fast täglich. „Ich fahre immer“, sagt sie, „egal, wie das Wetter draußen ist.“ Dabei wurde sie schon mehrfach nass, einfach komplett nass bis auf die Knochen oder bräunte auf den Weg von Patient zu Patient schon einmal für den Sommer vor. „Ich bin auch im größten Schneetreiben unterwegs gewesen“, erinnert sich Angela Drößler. Angie stürzte im Winter mit dem Rad: Im Schnitt dauert eine Tour drei bis sechs Stunden. Ganze zwei Mal wurde ihr das Fahrrad geklaut. Doch das hielt sie niemals davon ab, weiter zu machen. Und den ein oder anderen Unfall habe sie auch erlebt. Schwester Angie erinnert sich: „Ich bin einmal, im Winter, wirklich doll mit dem Rad gestürzt.“ Sie habe damals den Bordstein wegen der Schneemassen nicht sehen können und fiel samt Fahrrad hin. „Im ersten Moment habe ich mich angesehen“, erzählt sie, „mit tat so viel weh.“ Dennoch ist sie aufgestanden und verantwortungsbewusst zu ihren Patienten gefahren – mit demoliertem Drahtesel. Sie beendete ihre Tour und zu Hause kam das böse Erwachen. „Ich hatte viele blaue Flecken und ein unglaublich dickes Knie“, sagt Angie. Entmutigt habe sie dieser Zwischenfall jedoch nicht. Sie stieg weiterhin aufs Rad. Lesen Sie auch: Investor will in Rathenow Pflege- und Seniorenheim bauen Angehende Pfleger im Perleberger Krankenhaus beschäftigen sich mit Sterben, Tod und Trauer DRK Meyenburg startet mit der Tagespflege Angela Drößler war früher Frisörin: Das hat auch einen Grund, wie Angela Drößler verrät: „Ich komme ursprünglich aus einem ganz anderen Bereich“, erzählt sie, „und es gab auch eine Zeit, da hatte ich keine Arbeit.“ Angela Drößler kommt ursprünglich aus Bad Wilsnack. Gelernt hat sie den Friseurberuf. Viele Jahre war sie in Wittenberge in einem Studio tätig. Nachdem sie und ihr damaliger Ehemann sich trennten, versuchte sie, allein mit den Kindern in ihrer Heimat glücklich zu werden. Später ging sie nach Perleberg. „Ich habe gehofft, hier eine Arbeit zu finden“, erzählt Schwester Angie, „doch ich habe keine Stelle bekommen“. Das Arbeitsamt brachte sie zur Pflege: Durch das Arbeitsamt sei sie dann überhaupt erst zur Pflege gekommen. Sie habe damals über das Amt Kurse und Praktika vermittelt bekommen. Sie habe sich schnell in ihre neue Arbeit verliebt. „Wenn ich heute noch einmal die Wahl hätte, würde ich wieder in die Pflege gehen“, sagt Angela Drößler. Also hat sie damals all ihren Mut zusammen genommen und eine Bewerbung geschrieben. Doch vorerst ohne Erfolg. Sie hat dann ehrenamtlich den Senioren-Club des DRK in Perleberg betreut. „Angie war einfach klasse“, sagt Sarah Roßmann, „sie hat immer für gute Stimmung gesorgt.“ Und viel wichtiger: Angela Drößler hatte selbst richtig Spaß. „Für mich war immer eines wichtig“, betont sie, „ich möchte nie wieder Hartz IV beziehen.“ 2013 unterschrieb sie ihren Arbeitsvertrag: Dann kam der Tag, an den sich Angie Drößler noch heute erinnert, als wäre es gestern gewesen. Am 29. August 2013, ein Donnerstag, wurde ihr größter Wunsch wahr. Die damalige Pflegeleiterin Diana Grothe hielt eine blaue Mappe in der Hand: ihre Bewerbung. Sie fragte, ob das Angebot noch steht. Angela Drößler zögerte nicht und sagte zu. Einen Tag später unterschrieb sie ihren Arbeitsvertrag. Am Montag darauf trat sie ihren Dienst an. Natürlich mit dem Fahrrad. Und das wird sie noch bis zum 25. Oktober machen. Danach wird Angela Drößler ihren letzten Urlaub nehmen, ihre Überstunden abbummeln und danach – ab 1. Januar – in den Ruhestand gehen. Pläne für den Ruhestand: „Ich freue mich darauf“, sagt sie. Pläne für ihre Freizeit hat sie bereits reichlich. Sie möchte Zeit mit ihrer Enkeltochter verbringen und sich um ihren Garten kümmern. Dennoch wollen ihre Kollegen gar nicht daran denken, dass ihre Kollegin bald nicht mehr mit dem Rad unterwegs ist. „Sie wird uns allen sehr fehlen“, sagt Sarah Roßmann. Vor allem gilt es noch eine Frage zu klären: Wird sie auch weiterhin alle mit ihrem tollen Gemüse aus eigenem Anbau versorgen? Denn das macht sie jetzt regelmäßig. „Ich werde das Team vermissen“, sagt Angela Drößler. „Wir haben viele tolle Momente erlebt. Ein Patient bleibt für immer in Erinnerung: Sie erinnert sich an die Weihnachtsfeiern, die vielen Feste und an ihre Patienten. Eine ist ihr bis heute im Gedächtnis geblieben. Sie ist ihr so ans Herz gewachsen, dass sie sogar zu Beerdigung ging. „Es gibt immer einen Patienten, mit dem ein Pfleger stirbt“, erklärt Sarah Roßmann. „Das gehört zu unserem Beruf.“ Wer die Stelle von Schwester Angie übernehmen wird, ist bisher noch nicht klar. Abschließend kann Angela Drößler nur eins sagen: „Gute Kollegen sind die, an die man noch Jahre später zurückdenkt und mit denen man trotz der vielen Arbeit die schönste Zeit seines Lebens hatte.“ Lesen Sie auch Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Lütkenwisch an der Elbe DRK Meyenburg startet mit der Tagespflege DRK unterrichtet jetzt im Rathaus Rathenow: Pläne für ein neues Pflege- und Seniorenheim Von Julia Redepenning