Unternehmer protestieren in Pritzwalk und Wittenberge

Um 11 Uhr geht die Tür des Modegeschäftes Stil Männermode auf. Inhaber Frank Grütte und sein Team halten symbolisch einen großen und auffälligen Flyer in die Höhe. „Wir gehen mit – voran“, steht darauf geschrieben. Mit dieser Aktion beteiligt sich das Geschäft an einem bundesweiten Corona-Protest, der auf die aktuellen Misstände vieler Unternehmen hinweisen soll. Zahlreiche Pritzwalker Händler waren dem Aufruf ebenfalls gefolgt und hängten gut sichtbar Plakate in ihre Schaufenster. Auch in Wittenberge fand die Idee viel Zuspruch. „Irgendwann ist es zu viel“, sagt Frank Grütte, „die Regierung soll sehen, wie es uns Einzelhändlern wirklich geht.“ Seit Mitte November müssen viele Geschäfte wegen des Lockdowns schließen. Die Innenstädte veröden allmählich. Zudem fühlen sich immer mehr Händler, Gastronomen, Friseure und andere Unternehmer von der Regierung im Stich gelassen. Auf die versprochenen Hilfen warten viele immer noch. „Unsere Kosten laufen weiter“, erklärt Frank Grütte, „und wie wir diese bezahlen sollen, scheint die Verantwortlichen kaum zu interessieren.“ Aus diesem Grund ist es dem Inhaber des Pritzwalker Männemodeladens wichtig, an der bundesweiten Protestaktion teilzunehmen. „Ich stehe hier nicht nur für mich, sondern für alle, die davon betroffen sind“, sagt er. Seine Angestellten unterstützen ihn dabei. Noch geht es dem Geschäft von Frank Grütte gut. Doch lange kann es so nicht mehr weiter gehen, meint er. Auch in Wittenberge beteiligten sich 30 Einzelhändler an der Protestaktion und machten damit auf die Probleme des Corona-Lockdowns aufmerksam. Am Vormittag stellten sich die Händler und gastronomischen Anbieter in der Wilhelm- und Bahnstraße mit pinken Plakaten vor ihre Geschäfte oder brachten die Plakate im Schaufenster an. Die Teilnehmer fordern konkrete Pläne zur Wiedereröffnung, wie es auch in Pritzwalk der Fall ist. Vor allem fehlt es den Wittenberger Unternehmern an Planungssicherheit. Während der Online-Handel durch Corona floriert, geraten die Innenstädte zunehmend in Gefahr, sagt Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann. Für die Zeit nach Corona fordert er von Bund und Land zusätzliche Unterstützung für die Innenstädte. Das ist ein Problem, das auch Frank Grütte sehr gut kennt „Unsere Innenstädte sterben langsam“, sagt er. Der Geschäftsinhaber spinnt den Faden noch weiter, denn er kann aus eigener Erfahrung sprechen: „Es sitzen weit mehr Leute mit in diesem Boot, als es sich viele vorstellen können“, betont er und erklärt es an einem Beispiel. Er holt einen Brief. Einer seiner Lieferanten hat ihm gekündigt und wird ihm ab Mitte des Jahres nicht mehr zur Verfügung stehen. Er ist einer der Verlierer der Krise. „Die Lieferanten gehen mit uns unter und die hat kaum einer auf dem Schirm“, sagt Frank Grütte. Die aktuelle Wintermode hängt in seinem Laden. Bezahlt hat sie der Geschäftsmann bereits. Doch verkauft hat er bisher wenig, denn sein Geschäft läuft aktuell nur im Internet oder per Telefon. Die Frühjahrsmode wird in den nächsten Wochen bereits erwartet und dann muss die Winterkollektion weichen. Ob Frank Grütte auf seinen Kosten sitzen bleibt, weiß er aktuell nicht. Die Idee der bundesweiten Protestaktion stammt von Uwe Bernecker vom Frankfurter Modelabel Funky Staff und Günter Nowodworski, Inhaber der Agentur Now Communication. Ihre Forderungen sind eindeutig: Die Gleichbehandlung mit der Gastronomie, die Wiedereröffnung des lokalen Einzelhandels oder – als Alternative – eine angemessene Entschädigung. Um diesen Forderungen noch einmal Nachdruck zu verleihen, haben die Initiatoren Plakate entwickelt, die sich jeder kostenlos im Internet herunterladen und ausdrucken kann. Die Plakate sollen die Betroffenen in ihre Schaufenster hängen und sich sowie die Mitarbeiter mitsamt Plakat fotografieren. Die Fotos sollen anschließend über möglichst viele Social-Media-Kanäle geteilt werden. Von Julia Redepenning