Blankenfelde: Urteil im Prozess um Tod eines Autohändlers

Wegen eines tödlichen Pumpgun-Schusses in das Gesicht eines Geschäftspartners ist der Blankenfelder Imbissbetreiber Bernd S. zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Schwurgericht des Landgerichts Potsdam wertete die im Januar 2020 in einem Container auf S.s Grundstück verübte Tat als Totschlag im minder schweren Fall und Verstoß gegen das Waffengesetz. Damit blieb das Gericht deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die zehn Jahre Haft für angemessen hielt, und der Nebenkläger, die wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert hatten. Der 59-jährige, der weiter in Untersuchungshaft bleibt, muss außerdem an die Witwe ein Hinterbliebenengeld von 20.000 Euro zahlen sowie künftige materielle und immaterielle Schäden ersetzen. Binnen einer Woche können alle Seiten Rechtsmittel einlegen. Nach zwei Stunden der mündlichen Urteilsbegründung wandte sich Richter Theodor Horstkötter noch einmal an die Familienmitglieder. Er sprach davon, dass man „im Kopf Dinge ansammelt, die einen Film erbringen, dass der Angeklagte kaltblütig auf Serif G. geschossen hat. Diesen Film konnten wir nicht feststellen.“ Das Gericht ermittle die forensische Wahrheit; was sich nicht beweisen lasse und wovon die Richter nicht überzeugt sind, das können sie nicht zu Lasten des Angeklagten verwenden, so Horstkötter weiter, der auch um ein „kritisches Hinterfragen“ bat. Lesen Sie auch Prozess wegen möglichem Totschlag in Blankenfelde hat begonnen Prozess geht weiter: Angeklagter Bernd S. muss sich wegen Totschlags verantworten Prozess wegen Totschlags in Blankenfelde vor dem Landgericht fortgesetzt Prozess um Tod von Autohändler: War es Mord oder fahrlässige Tötung? Schon vorher hatte der Richter betont, dass es um die persönliche Schuld des Angeklagten gehe, nicht aber darum, das Nebenkläger die Tat als gesühnt ansehen. Auf Akzeptanz stieß die recht milde klingende Haftstrafe bei der erneut zahlreich erschienenen Familie allerdings nicht. Viele waren damals zu S.s Grundstück gefahren war und hatten durch Anzeigen Druck bei den Ermittlungen gemacht. S. hatte damals der Familie ins Gesicht gelogen, behauptet, dass er Serif G. nach Neukölln zurückgebracht hatte. Wegen zahlreicher mildernder Umstände – der Angeklagte habe keine Vorstrafen, er habe sich gestellt, seine Entschuldigung bei den Angehörigen sei von Herzen gekommen – sah sich das Gericht gehalten, den Totschlag als minder schweren Fall einzuordnen. Es wählte die Haftstrafe aus dem Bereich von einem bis zu zehn Jahren – und entschied sich dann etwa für die Mitte. Das Hinterbliebenengeld erhöhte das Gericht weit über die gesetzlichen Vorstellungen hinaus, unter anderem wegen des würdelosen Umgangs mit dem Leichnam. Gericht: Bernd S. wollte ein letztes Geschäft mit Serif G. abwickeln: Nach Ansicht des Gerichts wollte Bernd S. seine Beziehung zu Serif G. beenden, noch ein letztes Geschäft mit ihm abwickeln. „Sie hatten noch eine Rechnung offen“, sagte Horstkötter und beschrieb, dass S. seine Forderung mit dem Preis für einen Hähnchenwagen verrechnen wollte, den er jetzt von G. kaufen wollte. Aber, so das Gericht, G. hätte das nicht schlucken können – weil er S. immer wieder hingehalten habe bei finanziellen Dingen, aber auch, weil er seiner Familie gegenüber schon von einem guten Geschäft gesprochen hatte. In dem Container, in den Bernd S. Serif G. gebracht oder gelockt habe, habe er die für eine Auseinandersetzung zurechtgelegte und geladene Schusswaffe auf G. gerichtet, um die Verrechnung durchzusetzen. Weil G. zweifelte, dass das Repetiergwehr geladen ist, schoss S. zur Probe in die Containerwand und richtete den Lauf anschließend wieder ins G.s Richtung. G., der die Bedrohung nicht hinnehmen wollte, sei einen Schritt auf S. zugegangen. Danach kommt, „was Sie nicht machen wollten“, so Richter Horstkötter. S. sei in die Defensive geraten, wollte der Gegenwehr entgegentreten und habe abgedrückt. Später habe S. den Leichnam verpackt und in seinen Keller gebracht. Gericht: Bernd S. wollte nicht töten – es war aber kein Unfall: Zuvor hatte das Gericht die ökonomischen Beziehungen zwischen Täter und Opfer beleuchtet. S. habe sich vertröstet gefühlt, als ein nicht deklarierter Kaufpreisteil für ein Grundstück in Blankenfelde an einen Strohmann nicht floss. Auch, als Bernd S. ein Auto bei einem Bäcker kaufte, wo sonst auch Serif G. preiswert Wagen erworben hatte, habe G. ihn unter Druck gesetzt, zu jenem Bäcker hinzufahren. Und als G. 1000 Euro fehlten und er S. verdächtig, zieht der sich im eigenen Imbiss aus, macht sich im Sinne des Wortes nackig. „Das ist die Vorgeschichte“, sagt Hostkötter. Das Ziel von Bernd S. sei nicht gewesen, einen Menschen zu töten, sondern an die Kfz-Papiere für das letzte Auto zu gelangen und die Verrechnung zu vollziehen, so Horstkötter. Einen Unglücksfall schlossen die Richter aber aus. Die Geschichte, dass Serif G. ihm die Waffe abkaufen wollte, nahmen ihm die Richter nicht ab, auch nicht, dass sich versehentlich ein Schuss gelöst habe. Um den Abzug zu betätigen, müsse man 3,2 Kilogramm bewegen. Das sei eine Anstrengung, der Finger „muss am Abzug gewesen sein“, so Horstkötter. Die Richter hielten Bernd S. nicht für fähig, jemand anderen eiskalt zu erschießen, sahen einen Mord mit Heimtücke, aus Habgier oder auch aus fremdenfeindlichen Motiven nicht. Sie nahmen ihn als hilfsbereiten, friedfertigen Menschen wahr, der manchmal leichtgläubig sei und sein Herz auf der Zuge trage. Das hatten nicht nur Zeugen mehrfach bestätigt; für Serif G. ließ er mehrmals Autos auf den eigenen Namen zu und habe auch die Steuer gezahlt. Von Ingmar Höfgen