Rathausbau-Affäre Blankenfelde-Mahlow: Prozess dauert mindestens bis Februar 2021

Wenn nachfolgende Generationen in Blankenfelde und Mahlow einmal wissen wollen, wie das mit dem gescheiterten Rathausbau Anfang der 2010er Jahre war, dann werden sie vielleicht in den Amtszimmern fündig. 78 Ordner mit Schriftstücken sollten sich dort finden – diese Dokumentation will Ilona L. dem damaligen Bürgermeister Ortwin Baier übergeben haben. L., die damals die Gemeinde beriet, muss sich wie weitere vier Angeklagte wegen angeblich begangener Korruptionsdelikte vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Inzwischen sind Termine bis in den Februar 2021 angesetzt. Nicht nur in der Verwaltung könnte sich die umfangreiche Dokumenten-Sammlung finden. Auch die auf Korruption spezialisierte Staatsanwaltschaft Neuruppin hat ein Exemplar. Es wurde vor Jahren bei einer Durchsuchung in den Räumen des ebenfalls angeklagten Ingenieurs Karlheinz M. sichergestellt. Interessanter als die offiziellen Papiere: Viel interessanter als die offiziellen Papiere scheinen aber jene Schreiben zu sein, die nicht in den 78 Ordnern enthalten sind – und die ebenfalls gefunden wurden. Es sind E-Mails, die ein diffuses Bild auf zwei ehemalige Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung werfen. Die Mails wurden bei der Verhandlung am Dienstag per Videobeamer öffentlich bekannt. Die Schreiben enthielten den Absender des ebenfalls angeklagten Karlheinz M., der für L. gearbeitet hatte, gerichtet waren sie an die privaten – und nicht etwa dienstlichen – E-Mail-Adressen des ehemaligen Baudezernenten und des ehemaligen Referenten des Bürgermeisters. Verschickt wurde mal ein Entwurf eines zweiten Beratervertrages für L., mal ein Entwurf für die nötige europaweite Ausschreibung des Beratervertrages – oder auch Angebote von Mitbewerbern. Nicht jeder bekam alles. Eine Gemeindevertreterin erhielt offenbar ebenfalls Post. Dass M. alle Mitglieder der AG Rathaus oder die Gemeindevertreter einbezog, die letztlich bestmöglich entscheiden mussten, kam am vierten Verhandlungstag nicht zur Sprache. Ein „Blindkopie ging stets an Ilona L. Die Mail-Adresse von Ilona L. stand stets im Bereich „Blindkopie“ – die anderen Empfänger sahen also nicht, dass L. im Verteiler ist. Ob sie diese E-Mails auch alle zur Kenntnis genommen hatte, konnte sie nicht mehr sagen. Damals sei sie viel unterwegs gewesen, hatte kein Smartphone und konnte nur am stationären Rechner E-Mails lesen. Einige habe sie wegen der Absender oder der Themen angeschaut. M., der „transparent alle in Kenntnis gesetzt“ habe, habe sie vertraut. Inhaltlich mitbekommen haben will L. von dem, was M. wohl tat, nichts. Im Ergebnis der von M. offenbar betriebenen, heimlichen Informationsverteilung erhielt L. den Anschlussvertrag und blieb Rathaus-Beraterin der Gemeinde – bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Neuruppin bekannt wurden. Von dem Honorar landeten 65 Prozent bei M., auch dessen Mitarbeiterin erhielt Geld von L. Diese Quote habe bei der von Vertrauen geprägten Zusammenarbeit mit M. immer gegolten, berichtete L., und habe auch in etwa der geleisteten Arbeit beim Rathaus-Projekt entsprochen. Ortwin Baier weilt im Ausland: Weiter verhandelt wird am 10. November – allerdings werden, anders als geplant, Ex-Bürgermeister Ortwin Baier (SPD) und der frühere Geschäftsführer der Wobag noch nicht im Justizzentrum an der Jägerallee erscheinen müssen. Baier entschuldigte sich bei Gericht damit, dass er auf einem längeren Auslandsaufenthalt weile – er komme erst im Januar aus Griechenland zurück. Bleibt es dabei, dann würde der SPD-Landtagsabgeordnete in den kommenden beiden Monaten nicht nur sechs Landtagssitzungen verpassen; er müsste sich auch im Ausschuss zum Flughafen BER und überdies im Innenausschuss vertreten lassen. Vor Gericht wird Ortwin Baier wohl erst im Januar seine Erinnerungen preisgeben müssen. Beim Termin in zwei Wochen dürfen das erst einmal die übrigen Angeklagten tun. Von Ingmar Höfgen