Die ehrenamtliche Deutschlehrerin der Yassins ist seit Kurzem im Mutterschutz, aber Rabiha und Mohamed haben einen neuen Kurs im Heim organisiert. Ein syrischer Landsmann soll die Bewohner unterrichten, die noch keinen Integrationskurs haben. Alle sind begeistert, doch ein ignoranter Wachmann macht alles kaputt.
Reporter lieben solche Storys
Es hätte eine schöne Geschichte werden können, eine Gruppe von Syrern, die sich im Wohnheim ihren eigenen Deutschkurs organisieren, um die Wartezeit auf ihre Asylbescheide sinnvoll zu nutzen. Reporter lieben so etwas. Doch am Donnerstag endete im Wohnheim am Birkengrund in Ludwigsfelde eine beispielhafte Initiative, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Basam Dabak lebt schon seit einigen Jahren in Deutschland, er beherrscht die Landessprache gut und war bereit, ehrenamtlich einen Kurs anzubieten. Organisiert hatte den Rabiha Yassin, ihr Mann Mohammed und Basam Dabak hatten sich vor Kurzem beim Mercedes-Werk in Ludwigsfelde kennengelernt, wo sich Mohammed um einen Praktikumsplatz beworben hatte. Genau wie Mohammed Yassin ist auch Basam Dabak Maschinentechniker von Beruf.
Syrischer Landsmann als Lehrer
Rabihas bisherige ehrenamtliche Deutschlehrerin ist seit einigen Wochen im Mutterschutz, und die Sprache von einem syrischen Landsmann vermittelt zu bekommen, machte auch manchen Heimbewohnern Hoffnung, die in anderen Deutschkursen nicht viel gelernt hatten. Anspruch auf einen professionellen Integrationskurs haben die Bewohner nämlich erst, wenn ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist.
Wie gesagt, eine Geschichte, wie Reporter sie lieben. Aber ein Flüchtlingswohnheim ist ein sensibler Bereich, Journalisten können nicht einfach ein- und ausgehen, wie es ihnen gefällt. Wenn die MAZ-Reporter bei den Yassins sind, gilt das als privater Besuch, Zugang zu den übrigen Wohngebäuden bekommen sie nur mit Genehmigung der Heimleitung und der Kreisverwaltung von Teltow-Fläming. Der Pressebesuch zum Auftakt des neuen Kurses hatte also einiges an Vorbereitung gekostet, Absprachen waren getroffen, Genehmigungen eingeholt, Verantwortliche informiert worden.
Zum Kursbeginn fehlt nur der Schlüssel
So auch Herr G, der diensthabende Wachmann im Wohnheim an jenem Nachmittag. Herr G. war also durchaus im Bilde, was es mit den 14 oder 15 Leuten auf sich hatte, die sich direkt vor ihm an der Treppe versammelten. Alle da? Prima, los geht’s! Basam Dabak, dunkles Hemd, dunkle Hose, kultivierte Erscheinung, sicheres Auftreten, geht voran, links herum am Kabuff der Wachleute, seine Schüler im Schlepptau, am Ende des Gangs die Tür links. Hat jemand die Schlüssel?
Alle Folgen der MAZ-Serie
Folge 1: Ein Neuanfang
Folge 2: Privatsphäre
Folge 3: Rabi und Hala in der Schule
Folge 4: Freundliche Menschen
Folge 5: Das Boot
Folge 6: Essen für gute Bekannte
Folge 7: Das Jobangebot
Folge 8: Beim Arzt
Folge 9: Beim Basteln fallen Sprachbarrieren
Folge 10: Der Brief
Folge 11: Vom Gefühl, ein Flüchtling zu sein
Folge 12: Deutsche Sprache, schwere Sprache
Folge 13: Das Leben im Heim
Folge 14: Familie Yassin atmet auf
Folge 15: Zwei Zimmer, Küche, kahle Wand
Folge 16: Integration auf dem Fußballplatz
Folge 17: Ramadan im Flüchtlingsheim
Folge 18: Im EM-Fieber
Folge 19: Innere Sicherheit
Folge 20: Das Zuckerfest
Folge 21: Der steinige Weg zurück in den Beruf
Folge 22: Das jähe Ende einer Eigeninitiative
Folge 23: Schlechte Nachrichten
Folge 24: Auf dem Amt
Folge 25: Papiere, Papiere, Papiere
Folge 26: Ein halbes Jahr im Birkengrund
Folge 27: Rückschläge
Folge 28: Üben mit Frau Hannelore
Folge 29: Neue Perspektiven
Folge 30: Beim Anwalt
Wachmann: „Raus hier, alle raus, aber sofort!“
Super, der Wachmann kommt schon hinterher, sicherlich, um uns den Raum aufzuschließen. „Sie haben sich anzumelden! Das steht klar und deutlich auf dem Schild! Was ist das hier überhaupt für eine Versammlung?“, tönt es uns entgegen. Als einziger Muttersprachler der Gruppe finde ich als erster die Fassung wieder angesichts des empörten Wachmannes. „Wir sind der Deutschkurs, können Sie uns den Raum aufschließen?“ „Nein, raus hier, alle raus, aber sofort!“
Zurück bleiben verdutzte Syrer, die nicht wissen, was los ist, ein empörter Deutschlehrer und der um die Geschichte betrogene Reporter.
Von Martin Küper