Der Großbeerener Unternehmer Uwe Hanneken verließ Schloss Genshagen am Montag mit diesem Gedanken: „Wir müssten jungen Leuten für ein soziales Jahr mit zwölf Monaten in zwölf EU-Ländern einen europäischen Pass in die Hand drücken, dann würden sie sich ganz sicher als Europäer sehen.“
Wie Hanneken verbreitet vielleicht ein Saal voller Europa-Enthusiasten die Idee des geeinten Kontinents künftig noch intensiver. Das scheint das Ergebnis einiger Stunden im Schloss: Inspiriert von Möglichkeiten für und mit Europa und viel später als gedacht verließen Gäste, Veranstalter und Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien, am späten Montagabend Schloss Genshagen. Die dortige Stiftung hatte zu einem der vielen über den Kontinent verstreuten Bürgerdialoge über Europa eingeladen, der große Saal reichte kaum für alle Interessierten.
Nach einem Tag voller Termine war Grütters überrascht: „Das habe ich nicht erwartet, eine so lebhafte Diskussion, so viele Ideen für Mehrsprachigkeit, für einen europäischen Garten, für Musik, Theater und andere Projekte.“Das sei nicht nur der politische Krisen-Modus gewesen, das Geäußerte habe sie sehr bewegt, so die Kultur-Staatsministerin. „Das war kein Klagelied, eher Begeisterung für Europa – danke dafür!“
Überrascht vom Ansturm waren auch die Veranstalter, Moderatorin Stephanie von Oppen vom Deutschlandradio Kultur musste sogar vorbereitete Fragen ungestellt lassen. Gekommen waren neben Berliner Intellektuellen Genshagener, Großbeerener, Rangsdorfer und 24 Nachwuchswissenschaftler und Studenten der Genshagener Sommerschule aus Frankreich, Deutschland und Polen.
Es ging darum, wie Bürger Europa im Alltag erleben, welche Rolle Europa für Deutschland spielt und wie Europa aussehen soll. Doch unbestritten wollten Gäste die Politikerin und Kultur-Botschafterin Grütters „mal live erleben“, wie etliche später zugaben. Weitere, etwas weniger beachtete Podiumsgäste waren Katarzyna Wielga-Skolimowska vom Goethe-Institut Berlin und Constanze Itzel, die Leiterin des Hauses Europäische Geschichte in Brüssel.
Der MAZ sagte Grütters: „Unser Bürgerdialog über Europa bestätigt deutlich, dass es in Deutschland – allen Populisten und Europakritikern zum Trotz – immer noch eine große Begeisterung für das vor allem kulturelle Gemeinschaftsprojekt gibt.“ Die europäische Idee lebe von Menschen, die gemeinsame Werte von Frieden, Toleranz, Rechtsstaat und Demokratie verteidigten. Ihre Erfahrungen zeigten, dass vor allem das emotionale Moment kulturellen Austauschs wichtig sei für eine selbstbewusste Annäherung der Völker, so Grütters.
Sie sieht die Stiftung Genshagen als Brückenbauerin zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, als idealen Ort solcher Bürgerdialoge. Auch wegen der Worte der Rangsdorfer Französisch-Lehrerin Ina-Maria Thraem: Die hatte Fontane-Gymnasiasten inspiriert, vor Veteranen in Rangsdorfs Partner-Gemeinde Mayet das Lied eines Soldaten im Ersten Weltkrieg auf Französisch zu singen und damit Tränen auf beiden Seiten ausgelöst. Das sei Erinnerungskultur, die verbinde, so die Politikerin.
Von Jutta Abromeit