Gegenkandidat ist der totale Gegenentwurf zum Amtsinhaber

Schon rein äußerlich ist Clemens Neumann das genaue Gegenteil des derzeitigen Bürgermeisters. Er ist groß und stämmig, ihn ziert eine stattliche Körperfülle und eine markante Brille. Er trägt das Haar kurz gestutzt und meistens einen Anzug, dazu das Hemd oft mit einer Fliege. Auch inhaltlich ist er als SPD-Mitglied, als Kirchenältester und als Vorsitzender des Mietervereins ein Gegenentwurf zu Arne Raue (WsJ). Schnell merkt man, dass er vom amtierenden Bürgermeister nicht viel hält: „Ich misstraue Arne Raue“, sagt er in Abwandlung von dessen Wahlspruch. „Ein Bürgermeister hat die Interessen der Stadt zu vertreten, nicht seine eigenen.“ Mit Raue über Kreuz: Unter anderem erinnert er sich an die Zeit, als Raue und die Kirchengemeinde über Kreuz lagen. Es ging um den Umgang mit Geflüchteten, und die damalige Pfarrerin Mechthild Falk wurde zur Zielscheibe böser Vorwürfe. Aus Protest sperrte die Kirche ihre stadtbildprägenden Türme für Besucher. Von seinem Grundstück hat man einen schönen Ausblick auf die Nikolaikirche, das Wahrzeichen der Stadt. Clemens Neumann hat die MAZ in seinen Garten eingeladen. Leider sei der Rasen nicht gemäht, entschuldigt er sich. Zwar nehme er gerade seinen Jahresurlaub, den nutzt er aber für den Wahlkampf und nicht für private Landschaftspflege. Dafür will Neumann die politische Landschaft neu prägen. „Ich war der erste, der sich gemeldet hat, um gegen Herrn Raue anzutreten“, betont er. „Ich sagte mir, irgendwer muss das ja machen, und ich trau mir das auch zu.“ Gute fachliche Voraussetzungen: Die besten Voraussetzungen bringt er dafür mit. Er ist Volljurist und hat viel Verwaltungserfahrung. Nach seinem Jura-Studium diente er mehreren SPD-Bundestagsabgeordneten als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Daneben war er als selbstständiger Rechtsanwalt tätig bis seine aktuelle Abgeordnete Sozialministerin in Rheinland-Pfalz wurde. Sie nahm ihn als persönlichen Referenten mit nach Mainz – weit weg von Familie und Jüterbog. Später gelang es ihm, als Referent in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin übernommen zu werden. Inzwischen arbeitet er als rheinland-pfälzischer Landesbeamter in der Bundesratsverwaltung. Warum will sich so jemand in die Niederungen einer Kommunalverwaltung begeben? Neumann sieht darin keinen Abstieg, selbst wenn er als Laufbahnbeamter irgendwann einmal mehr verdienen dürfte als der Bürgermeister einer brandenburgischen Kleinstadt. Doch: „Das ist ein wichtiger Job, wo ich auch gestalten kann“, sagt er. Hier würden am ehesten die Ergebnisse der eigenen Arbeit sichtbar. Klare Vorstellungen: Clemens Neumann hat klare Vorstellungen, was er als Bürgermeister als erstes tun würde: „Alle Mitarbeiter einzeln kennenlernen und den Kämmerer fragen, warum es seit 2011 keine geprüften Jahresabschlüsse gibt. Ich denke, es ist nur ein Vorwand, um einige Dinge einfach nicht zu finanzieren.“ Neumann ist 46 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder zwischen neun und 17 Jahren. Er stammt aus Berlin, seine Frau aus Belgien. Sie arbeitet in der Botschaft ihres Heimatlandes. 2011 zog die sechsköpfige Familie mit seinen Eltern nach Jüterbog, wo sie ein passendes Drei-Generationen-Haus gefunden hatten. Von der Stadt waren sie sofort begeistert. Erste Kandidatur für politisches Amt: Es ist das erste Mal, dass sich Neumann um ein politisches Amt bewirbt. „Ich will aber kein SPD-Bürgermeister sein“, betont er. Deshalb tritt er als Einzelkandidat an. Sein Wahlkampfteam bestehe aus Menschen unterschiedlicher politischer Orientierung. Sie eint die Ablehnung des amtierenden Bürgermeisters und der Wunsch nach einem Neuanfang. Das einzige, was Neumann mit Raue verbindet, ist die Ablehnung von Straßenplakaten. Stattdessen konzentriert er sich auf vier große Werbebanner, eins in Kloster Zinna und drei im Stadtgebiet. Zudem hat er sich schon mit zwei flächendeckend verteilten Postkarten zu Wort gemeldet. Eine weitere soll folgen. Von Hartmut F. Reck

Jüterbog - Der Gegenentwurf zum Amtsinhaber