Torwächterhaus am Dammtorturm in Jüterbog als Denkmal des Monats Oktober 2020 ausgezeichnet

Streit zwischen Kirche und Stadt: In Jüterbog ist das nicht nur Geschichte sondern auch ein wohlbekanntes Thema der jüngeren Vergangenheit. Schon mehrere Male bekamen sich die Christen und Bürgermeister Arne Raue (WsJ) in die Haare. 2018 gipfelte der Streit über Fremdenhass, Rassismus und persönliche Anfeindungen in der Kleinstadt darin, dass die evangelische Kirchengemeinde die symbolträchtigen Türme der Nikolaikirche aus Protest gegen das Verhalten des Bürgermeisters für Besucher schließen ließ. Doch es geht auch anders – das bewiesen der Bürgermeister und Pfarrer Tileman Wiarda am Freitag. Gemeinsam nahmen sie die Auszeichnung als Denkmal des Monats für das Torwächterhaus am Dammtorturm entgegen. Die Ehrung verleiht die AG Städte mit historischen Stadtkernen zwölfmal im Jahr an besondere Denkmäler ihrer Mitgliederkommunen. Bereits acht Mal in den vergangenen 16 Jahren konnte man sich in Jüterbog an anderer Stelle über diese Auszeichnung freuen. Doch das Haus am Turm unweit des Dammtors spielt für die Verbindung zwischen Stadt und Kirche eine ganz besondere Rolle. „Eng verwoben und aneinander gelehnt“: „Dieses Gebäude ist ein gutes Beispiel dafür, wie Stadt und Kirche in Jüterbog eng verwoben und aneinander gelehnt sind“, sagte Pfarrer Wiarda am Freitag am Rande der Auszeichnung, die nur im kleinen Kreise verliehen werden konnte, „das ist in Jüterbog bis heute so – trotz aller Differenzen, die es in letzter Zeit gegeben hat.“ Aneinander gelehnt erscheinen Turm und Turmwächterhaus tatsächlich bei näherer Betrachtung. Denn wer in der Küche der „Turmstube“ steht – unter diesem Namen nutzt die Junge Gemeinde das Haus heute – blickt direkt auf das blanke Mauerwerk des mehr als 30 Meter hohen Turms. Turmstube im kirchlichen und Turm im städtischen Besitz sind so bis heute untrennbar miteinander verbunden. Brandanschlag 2015 brachte traurige Berühmtheit: Doch nicht nur Mauersteine und Putz verbinden Stadt und Kirche an dieser historischen Stelle. Vor fast genau fünf Jahren erlangte der Treffpunkt der evangelischen Jugend in Jüterbog traurige Berühmtheit: In der Nacht nach einer NPD-Demo auf dem Marktplatz wurden die Räume bei einem Anschlag teilweise zerstört. Die Jüterboger demonstrierten daraufhin ihren Zusammenhalt und richteten das Gebäude durch Spenden und die Hilfe zahlreicher Freiwilliger wieder her. Alles andere als „tote Masse“ sind Dammtorturm und das dazugehörige Torwächterhaus für Bürgermeister Raue deshalb bis heute. „Hier kann man die Geschichte unserer Stadt erleben“, sagte er. Damit das bis heute möglich ist, hat die Stadt vor einigen Jahren selbst viel Geld in das Ensemble gesteckt. Schon 1992 flossen etwa 150.000 Städtebaufördermittel in den Turm und 25 Jahre später noch einmal eigenes Geld aus der Stadtkasse. 2000 und 2003 wurde mit Städtebaufördermitteln auch das Torwächterhaus saniert – übrigens das einzige seiner Art, das es in der Mittelalterstadt bis heute noch gibt. Ehrenamtliche Stadtführer bringen Einwohnern und Touristen die 700 Jahre alte Geschichte an diesem Platz regelmäßig näher. Von Victoria Barnack