Teltow-Flämings Wirtschaftsförder im Interview zur BER-Eröffnung und den Effekt auf die Wirtschaft im Landkreis

Der neue Hauptstadtflughafen BER eröffnet direkt vor den Toren von Teltow-Fläming. Als Nachbarlandkreis erhofft man sich auch hierzulande einen Aufschwung mit dem Start in Schönefeld. Im MAZ-Interview spricht Teltow-Flämings oberster Wirtschaftsförderer Siegmund Trebschuh darüber, was sich der Landkreis für die eigene Wirtschaft erhofft und wo es noch Handlungsbedarf gibt, damit die Pläne aufgehen. Herr Trebschuh, welche Hoffnungen machen Sie sich für die Wirtschaft in Teltow-Fläming, wenn der BER öffnet? Siegmund Trebschuh: Teltow-Fläming ist schon heute Teil der dynamischsten Wirtschaftsregion Mitteleuropas. Diese Dynamik hat nicht ausschließlich mit dem BER zu tun und wurde aktuell mit der Auszeichnung als Premier-Kommune 2020 von der Oskar-Patzelt-Stiftung gewürdigt, auf die wir sehr stolz sind. Mit der Eröffnung des BER verbinden wir die Hoffnung auf zahlreiche Wirtschaftsimpulse für Teltow-Fläming als Teil der Flughafenregion und damit die Erweiterung unserer regionalen Unternehmenslandschaft, die wiederum die Schaffung von nationalen und internationalen Arbeitsplätzen nach sich zieht. Schon heute müssen wir aber feststellen, dass unsere Gewerbeflächen im unmittelbaren Flughafenumfeld nahezu ausgelastet sind. Durch die Eröffnung des BER erhoffen wir uns deshalb, dass sich unsere wirtschaftliche Dynamik noch stärker in den Süden des Landkreises ausweitet. Diese Entwicklung eröffnet für den Landkreis auch weitere Möglichkeiten als Wohnstandort. Dabei müssen wir den notwendigen Ausbau von Verkehrs- und Sozialinfrastruktur vorantreiben und dürfen nicht in der Fürsorgepflicht gegenüber den Bürgern bezüglich der Belastung durch den BER nachlassen. Wie weit in den Süden des Kreises wird der BER-Effekt ausstrahlen? Wir gehen davon aus, dass der BER in alle Bereiche des Landkreises ausstrahlen wird. Dazu wurden mit dem Ausbau der B 96 und der L 40 infrastrukturelle Grundlagen geschaffen. Der Landkreis hat durch den von uns mitfinanzierten Ausbau der B 101 beste Voraussetzungen geschaffen, dass der BER bis in den Süden von Teltow-Fläming ausstrahlen wird. So ist zum Beispiel unsere Kreisstadt Luckenwalde dadurch bezüglich der Erreichbarkeit des BER in den Radius der „LKW-Stunde“ gerückt. Dies ist ein Indikator für zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen. Aus unserer Sicht gehört der gesamte Landkreis zur Flughafenregion. Eine wesentliche Verbesserung werden wir in Bezug auf den Öffentlichen Personennahverkehr erleben. Mit der Umsetzung der geplanten Konzepte im Bereich der Schiene und des Busverkehrs werden wir bis 2025 eine enge Anbindung an die Bundeshauptstadt und den Flughafen realisieren. Dazu hat der Kreistag jüngst ein umfassendes Buskonzept zur Anbindung an den BER verabschiedet, welches in Abhängigkeit der Schaffung eines notwendigen Busknotenpunkts und des Bahnausbaus mehrere Etappen beinhaltet. Mit der Fertigstellung der Dresdner Bahn soll der Endzustand des Gesamtsystems erreicht werden. Erste Schritte werden schon zum 1. November 2020 umgesetzt. Welche Branchen in TF werden wohl besonders von der BER-Eröffnung profitieren? Aus meiner Sicht wird in unserem Landkreis besonders die Dienstleistungsbranche von der Eröffnung des BER profitieren. Ebenso hat jetzt schon der Flugplatz Schönhagen massiv an Bedeutung gewonnen und hier erwarten wir mittelfristig weitere Impulse. Weiterhin sehen wir den BER als eine wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahme, die den Landkreis mit der Welt verbindet. Daraus werden sich weitere Synergien entwickeln, die sich positiv auswirken. Wir sehen mit der Eröffnung des BER weitere Impulse für den Wissenschaftsstandort Berlin-Brandenburg und erhoffen uns dadurch eine Stärkung wissensintensiver Branchen in der Flughafenregion und damit auch unseren Landkreis. Welche Herausforderungen gibt es aus Ihrer Sicht noch, damit der Landkreis wirtschaftlich vom BER profitiert? Eine wichtige Herausforderung für die zukünftige wirtschaftliche Partizipation an den wirtschaftlichen Impulsen des BER wird die Schaffung von geeigneten Gewerbeflächen sein. Hier haben wir folgende Situation: Im Norden des Landkreises TF nimmt der Ansiedlungsdruck, nicht zuletzt im Bereich der Logistik, stark zu. Vor allem das GVZ Großbeeren sowie die Gewerbeflächen in Ludwigsfelde werden sehr gut nachgefragt und neigen sich dem Ende. Der Landkreis beteiligt sich als Teil der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Dialogforum Airport Berlin Brandenburg an der Fortschreibung des Gemeinsamen Strukturkonzeptes zur Entwicklung der Flughafenregion. Auch hier wird auf die immer knapper werdenden Gewerbeflächen hingewiesen. Weiterhin werden vor allem auf Grund des zunehmenden Ansiedlungsdrucks mit den Kommunen des Flughafenumfeldes entsprechende Zielvorgaben und Qualitätsstandards zum Ansiedlungsmanagement rund um in der Flughafenregion entwickelt. Deshalb wurde durch die Wirtschaftsförderung des Landkreises TF eine interkommunale Arbeitsgruppe zur Gewerbeflächenanalyse und -entwicklung im gesamten Landkreis initiiert, um gleichzeitig die Kommunen im direkten Flughafenumfeld zu entlasten und den festgestellten Bedarf an Gewerbeflächen zu decken. Das Ziel soll es sein, eine Potentialanalyse für die Jahre 2030 bis 2050 zu erarbeiten. Wenn wir es daraufhin schaffen, neue Gewerbeflächen entlang der potentiellen Verkehrsachsen Dresdner Bahn und Anhalter Bahn sowie B 96 und B 101 zu entwickeln, werden wir wirtschaftlich noch mehr von unserer Berlin- und BER-Nähe profitieren. Die Gewerbeflächen sind das Eine – aber was ist mit der Infrastruktur: Straße, ÖPNV, Radwege? Es muss uns gelingen, die Verkehrsinfrastruktur an die Erfordernisse einer modernen Flughafenregion anzupassen: Im Bereich des schienengebunden ÖPNV gilt es im Schulterschluss mit unseren Städten und Gemeinden die Forderung nach dem Ausbau der Anhalter Bahn als einer für uns wichtigen Verkehrsader und der Schaffung von Umsteigemöglichkeiten an Nord/Süd-Ost/West-Kreuzungspunkten der Bahnverbindungen zu verstärken. Wir müssen auch den Ausbau unserer Radwegeinfrastruktur verbessern. Hierzu hat der Kreistag die Verwaltung im Juni 2020 mit der Aktualisierung des Radwegekonzeptes beauftragt. Eine kreisliche Arbeitsgruppe, der unter anderem die Kommunen, der Landesbetrieb Straßenwesen und der ADFC angehören werden, soll diesen Prozess fachlich begleiten und eine Prioritätenliste erstellen. Wenn wir es schaffen, diese Herausforderungen zu meistern, werden wir uns wirtschaftlich weiterhin so erfolgreich weiterentwickeln und die Lebensbedingungen für unsere Menschen stetig verbessern. Von Victoria Barnack