Transportservice in Luckenwalde: Wie Norbert Görig seinen Traum erfüllte

Norbert Görig hat in den 30 Jahren seiner Selbstständigkeit viele Höhen und Tiefen erlebt. Mit 45 Jahren erfüllte er sich damals mit seinem neu gegründeten Transportservice einen Traum. Er kaufte zwei alte W50 – und verschuldete sich. „Rückblickend würde ich sagen, ich war ziemlich blauäugig“, so der Luckenwalder. Doch sein Unternehmergeist war nicht zu bremsen. Er glaubte, dass er durch seine jahrelange Tätigkeit als Kraftfahrer bei Innenraumgestaltung über ausreichend Erfahrung in der Branche verfügte. Vom Markt gedrängt: Anfangs lief es auch gut. Doch dann wurden Luckenwalder Firmen wie das Wälzlagwerk und die PGH Polsterer und Schlosser dichtgemacht. „Westberliner Speditionen kamen und haben mit ihrem Know-how die ansässigen Unternehmer vom Markt gedrängt“, berichtet Norbert Görig. Doch die Konkurrenz war nicht das einzige Problem. Er konnte nicht telefonieren. Täglich kutschierte er durch die Gegend, um ein passendes Netz zu finden, um mit seinen Kunden telefonieren zu können. Ohne Kontakt – keine Aufträge. So kam das Geschäft nur zäh ins Rollen. Erst vor kurzem fiel ihm der alte Antrag an die Deutsche Post wieder in die Hände. Lkw-Kauf durch Bürgschaft: An seine erste Tour mit dem W50 erinnert er sich noch genau. Es war der Umzug eines Angehörigen der Nationalen Volksarmee von Prora (Rügen) nach Luckenwalde, der ihm 1000 DDR-Mark einbrachte. „Die Währungsunion kam erst Wochen später“, berichtet er. Die beiden W50 wurden Jahre danach gegen einen großen Lkw der Marke Volvo ausgetauscht. Ermöglicht wurde das durch die Bürgschaft eines Westberliner Spediteurs. Nach der Wende stellte sich für den gebürtigen Woltersdorfer die Frage, ob er weitermachen sollte. Viel Entscheidungsspielraum blieb nicht, denn der Kredit bei der Bank lief noch. Durch Zufall entdeckte er in einer Speditionszeitschrift eine Anzeige. Ein Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen bot einem Partner in der ehemaligen DDR Unterstützung an. Görig sah darin seine Chance. Fünf Jahre später, Ende 1995, erhielt er ein Fax, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass für den gesamten Betrieb Insolvenz angemeldet wurde und dass Görig alle Fahrzeuge abgeben sollte. „Wir hatten ja in der Zeit eine ganze Lkw-Flotte angeschafft und von hier aus das Speditionsgewerbe aufgebaut“, sagt der heute 75-Jährige. Der Geschäftsführer hatte ihn entmachtet und sich in sein Ferienhaus nach Portugal verabschiedet. Die Bank forderte von Görig den Rest des Kredits sofort und auf einmal zurück. Görig opferte sein Privathaus, das eigentlich als seine Sicherheit diente. Später bezahlte er es ein zweites Mal. Neues Tätigkeitsfeld: Im Januar 1996 meldete er mit dem „Norbert Görig Frachtenkontor“ sein eigenes Gewerbe an und baute es aus. Das war nur möglich, weil ihm die Kunden die Treue hielten und er zuverlässige Mitarbeiter hatte. Anfangs transportierte er Möbel von Polen nach ganz Europa. Dann übernahm er auch Retourware und wurde zum Großhändler von Möbeln zweiter Wahl. Mit seinem 65. Geburtstag meldete er alle Fahrzeuge ab, doch sein Betrieb läuft nach wie vor. Allerdings hat sich das Tätigkeitsfeld geändert. Inzwischen gehören Vermietung und Verpachtung der Halle und des Gebäudes im Grünen Weg zu seinen Haupteinnahmequellen. Sein Hobby, alte Fahrzeuge zu restaurieren, ist in den vergangenen Jahren in den Hintergrund getreten. Seit seine Frau vor sechs Jahren gestorben ist, fehlt ihm der Elan. „Ich gebe Fahrzeuge, die noch auf Vordermann gebracht werden müssen, in gute Hände, von denen ich weiß, dass sie exzellente Arbeit verrichten. Selbst schraube ich nicht mehr“, betont Görig. Sein Heiligtum ist der Oldtimerbus der Marke H3B–Horch, ein Dreitonner-Bus, der 1952 in Zwickau gebaut wurde und von dem es nur noch drei Exemplare in ganz Deutschland gibt. Früher ist der zweifache Vater und fünffache Großvater damit oft zu Oldtimertreffen gefahren. Durch die Coronakrise war er in diesem Jahr bisher noch bei keinem Treffen. Auf die Leinwand geschafft: Mit dem blauen Bus schaffte er es sogar auf die Leinwand. Im Liebesfilm „Traumfabrik“ sieht man das Liebhaberstück zwar nur kurz, für Görig ist es dennoch ein tolles Gefühl. Er hatte den H3B im Jahr 2008 gekauft. Damals sah das Fahrzeug eher aus wie eine verrostete Fischbüchse. Mit viel Liebe zum Detail hat der Luckenwalder das gute Stück wieder aufgemöbelt und damit seine Enkeltochter auch zum Standesamt gefahren. Von Margrit Hahn