Ludwigsfelde/Rangsdorf Weißer Schaum sei Kerosinrückstand und gefährlicher als Lärm

„Es kann doch nicht sein, dass die Nutzung von Dieselkraftstoff in Städten eingeschränkt wird, die viel schädlicheren Auswirkungen von Kerosin im Luftraum über Wohngebieten aber völlig unangetastet bleiben!“ Das schreibt eine Gruppe von Promovierten und Ingenieuren an den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Der bekommt die Wut der Ludwigsfelder und Rangsdorfer über weißen Schaum auf Seen und Grundstücken höflich formuliert auf den Tisch, weil die Männer woanders bisher kein Gehör fanden. Seit Jahren versucht Horst Steinicke, ehemaliger Ludwigsfelder Stadtverordneter und Mitgründer der Bürgerinitiative für ein lebenswertes Ludwigsfelde, auf ein Problem aufmerksam zu machen: Seiner Meinung nach ist Kerosinregen im Umfeld des Flughafens Schönefelds die Ursache, der auf die Landschaft, Nahrungsmittel und Wohnumfeld fällt, als Folge von startenden und landen Fliegern. Dieser verursache den Schaum und sei schädlicher sei als die Lärmbelastung. Flughafengesellschaft und Behörden widersprechen: Flughafen-Betreibergesellschaft, Landesumweltamt, die Stadt, Brandenburgs Landesregierung, der regionale Wasserverband Warl, Bundesumweltamt und Bundesumweltministerium kamen bisher zu anderen Ergebnissen; sie nahmen die Kritik nicht an, reagierten teils halbherzig oder gar nicht. Inzwischen kämpft Steinicke gemeinsam mit Apotheker Dieter Wendorff, Ingenieur Axel Höppner, Physiker Friedbert Quednau und Chemiker Konrad Schwabe sowie Manfred Haak gegen den Schaum, nicht nur mit Worten. Steinicke hatte ein zertifiziertes Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis Argumente lieferte. Ende 2019 hatten die Männer eine frische Schaum-Probe vom Rangsdorfer See und eine Probe von einer Pool-Abdeckplane in der Thälmannstraße Ludwigsfelde nach Jüterbog zuTerracon gebracht, einem akkreditierten Prüflabor für Umwelt- und Pestizid-Analytik. Auf der Plane attestiert das Labor 175 Milligramm Kohlenwasserstoffe je Kilogramm (mg/kg) – nach Meinung der Auftraggeber Kerosin – , 8,34 mg/kg Antimon, ein silberglänzendes, sprödes Halbmetall, sowie 19910 mg/kg Sulfat und 519 mg/kg Nitrat. Diese Giftmengen überstiegen jeden zugelassenen Grenzwert, so die Kritiker, und verursachten unter anderem Krebs. Chemie-Ingenieurin Christiane Horvath, die Terracon-Chefin, verweist auf zwei Dinge: Diese Proben habe der Auftraggeber gebracht, sie seien nicht von Mitarbeitern entnommen, und ihr Labor erstelle keine Gutachten, lediglich Prüfberichte, das seien keine vergleichende Bewertungen des Gefundenen. Es gibt noch eine weitere Prüfung von weißem Schaum, vom Siethener See: Der Ludwigsfelder Ekkehard Sehmisch hatte unter Zeugen eine Probe genommen und sie nach Magdeburg ins Labor für Umweltschutz (LUS GmbH) geschickt, um sie auf Öl beziehungsweise Kerosin prüfen zu lassen. Er teilt mit: „Das Ergebnis ist sehr weit weg von den zulässigen Werten.“ Das LUS attestierte 3,7 mg Mineralöl-Kohlenwasserstoff in einem Liter Flüssigkeit. Pauschalantwort befriedigt nicht: Den Brief an Steinmeier schrieb die besorgte Gruppe, nach dem sie immer wieder Schaum und Beläge auf Pflanzen, Dächern und anderen Flächen fand, doch nirgends Verständnis für ihre Besorgnis. „Auf unser Einschreiben voriges Jahr ans Umweltbundesamt in Dessau mit Protokollen der Giftfunde und dem Prüfbericht bekamen wir nach sechs Wochen eine Pauschalantwort von jemandem, der unser Schreiben offenbar gar nicht kannte. Das ist natürlich unbefriedigend“, so Steinicke. Die Männer wandten sich daraufhin an Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Steinicke sagt: „Aus dem Haus der Umweltministerin kam nicht mal eine Eingangsbestätigung.“ Politik soll Risiken endlich ehrlich behandeln: Im Schreiben an den Bundespräsidenten heißt es: „Aus unseren Überlegungen sehen Sie, dass es uns nicht darum geht, Flugzeuge von unseren Wohngrundstücken fernzuhalten oder deren Start und Landung zu verbieten. Wir wollen, dass die Risiken aller zivilisatorischen Einflüsse auf Natur und Mensch von den Politikern endlich ehrlich behandelt werden.“ Die Unterzeichner erklären, sie hätten Steinmeiers Weihnachtsansprache aufmerksam zugehört. Darin beklage er den Vertrauensverlust zwischen Regierenden und den Menschen im Land, den es zu überwinden gelte. „Wir bitten Sie um Ihren Rat, wie wir Behörden zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen bewegt werden können. Wir sind zu einer konstruktiven Mitarbeit jederzeit bereit“, heißt es abschließend. Von Jutta Abromeit

Ludwigsfelde/Rangsdorf - Gruppe schreibt wegen vermeintlichen Kerosinschaums an Bundespräsidenten