Berliner Humboldt Forum ist eröffnet

Endlich war es soweit. Das größte Kulturprojekt der neuen Berliner Republik ist auf Sendung gegangen. Coronabedingt freilich vorerst nur online. Aber immerhin. Nach elf Jahren Planung und einer Bauzeit von gut sieben Jahren ist das Berliner Humboldt-Forum am Mittwoch Abend eröffnet worden. „Teileröffnet“, wie es so schön heißt. Denn bislang steht nur das Gebäude mit seinen drei barock rekonstruierten Fassaden im Stil des alten Berliner Stadtschlosses. Die Innenräume des 677 Millionen Euro teuren Baus sind noch weitgehend leer. Sie können aber von nun an virtuell besichtigt werden: Die moderne Teilrekonstruktion des Hohenzollernschlosses mit fünf Portalen und drei Innenhöfen. Eine Mischung aus Historismus und Moderne, entworfen von dem italienische Stararchitekten Franco Stella. Von außen ist das Humboldt-Forum fast ein Schloss: Erst zur „zweiten Teileröffnung“ Ende kommenden Jahres soll dann auch Leben in die Bude kommen. Langfristig werden die mehr als 96.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit Exponaten der ethnologischen Sammlung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Objekten des Berliner Stadtmuseums belegt werden. Hinzu kommen ein Forschungslabor der Humboldt-Uni und Veranstaltungsräume der Humboldt-Forum Kultur GmbH. Mischung, Teilrekonstruktion, Teileröffnung, Worte, die alles andere als Eindeutigkeit ausdrücken. „Hybrid“ lautet derzeit das Modewort dafür, wenn etwas nicht Fisch nicht Fleisch ist, sondern irgendwie anders. Und es ist der wahrlich treffende Ausdruck für den Kulturtempel an der Spree. Denn ähnlich wie beim Potsdamer Stadtschloss widersprechen sich innen und außen. Von mehreren Seiten soll der auf dem Grundriss des alten Stadtschlosses errichtete der Bau bewusst an sein barockes Vorbild erinnern. Drinnen sollte die Architektur freilich der für ein modernes Museum geforderte Funktionalität entsprechen, was sie aufgrund der architektonischen Vorgaben offenbar nicht immer tut. Was auch kein Wunder ist. Denn von außen ist das Humboldt-Forum fast ein Schloss, drinnen aber ein Museum mit dem Anspruch, eines der modernsten und zukunftsweisendsten seiner Art zu sein. Historischer Ort auf der Museumsinsel: Zustande gekommen ist diese Hybrid-Architektur durch das Zusammentreffen unterschiedlichster Interessen und Anliegen im Nachwende-Berlin. Was sollte geschehen an dem historischen Ort auf der Museumsinsel in der Sichtachse von Dom und Lustgarten? Dort, wo Preußenkönig Friedrich I. 1689 nach Plänen des Architekten und Bildhauers Andreas Schlüter ein Barockschloss errichten ließ. Im Zweiten Weltkrieg war es zerbombt worden. Die DDR wollte mit der feudalen Tradition des Bauwerkes nichts zu tun haben, ließ dessen Überreste 1950 sprengen und stellte 1976 den gläsernen Palast der Republik an die östliche Seite des Areals. Der war nicht nur Sitz der Volkskammer, sondern als öffentliches Kulturhaus Ort vergnüglicher Feste und deshalb bei vielen DDR-Bürger nicht in der schlechtesten Erinnerung. Der Abriss des asbestverseuchten Gebäudes 2006 löste zum Teil heftige Proteste aus. Das Humboldt-Forum war lange ohne Inhalt: Nun also freie Fläche. Der Bundestag hatte 2002 eine Teilrekonstruktion beschlossen. Der Unternehmer Wilhelm von Boddin hatte schon seit 1994 für einen Wiederaufbau geworben und Geld gesammelt. Aber was drinnen passieren sollte, interessierte zunächst nicht. Dann kam die Idee des Humboldt-Forums auf und irgendwann der Vorschlag des damaligen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die außereuropäische Kunst aus den schlecht besuchten Museen in Dahlem ins Berliner Zentrum zu holen. Endlich hatte das Forum einen Inhalt. Doch damit auch ein neues Problem. Denn die Sammlung enthält zahlreiche Exponate, die als Raubgut aus der Kolonialzeit gelten. Darunter allein 530 Objekte aus dem Königreich Benin, die zu einem Großteil zurückverlangt werden. Der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh, betonte am Mittwoch, man fühle sich verpflichtet, „sich für demokratische Werte, Meinungsfreiheit und Toleranz einzusetzen“. Das Humboldt-Forum solle ein „Ort des Verstehens, des gemeinsamen Nachdenkens und des gemeinsamen Handelns werden“. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach sich für eine offensive Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte aus. Dafür gibt es demnächst viel Raum, in einem Gebäude, das mit Sicherheit noch eine Weile nach seiner inhaltliche Bestimmung suchen muss. Lesen Sie dazu auch: Kommentar: Bestimmung wird noch gesucht Überlegenheitsdenken war Alexander von Humboldt fremd „Es zählt immer nur das Ich“ Hartmut Dorgerloh soll eine monströse Leerstelle ins Humboldt Forum verwandeln Von Mathias Richter