Die Potsdamer Schriftstellerin Zaia Alexander und ihr Roman „Erdbebenwetter“

Irgendwie zählt sie immer, sagt Zaia Alexander. Unbewusst, irgendwo ganz hinten im Kopf, aber die Zahlen sind immer da. Deswegen wundert es nicht, dass sie auch in ihrem Debütroman mit Zahlensymbolik spielt. „Erdbebenwetter“ heißt er und so fühlt er sich auch an. Wie ein leichtes Rütteln, das beim Lesen durch den Körper fährt, ein Donnerschlag, der aufweckt. Denn so einen Text, wie ihn die in Potsdam lebende Autorin geschrieben hat, liest man nicht oft. Schon die Geschichte ist merkwürdig schön: Die Protagonistin Lou lebt in Los Angeles und versucht in der Filmindustrie als Produzentin Fuß zu fassen. Das gelingt ihr allerdings nicht wirklich und sie treibt mehr vor sich hin, als ein Ziel zu haben. Bis sie einen alten Bekannten trifft, der ihr mit der Frage „Hast du Lust, ein paar Hexer kennenzulernen?" die Tür zu einer neuen Welt öffnet. Zaia Alexander lebt seit 2008 in Potsdam: Allein dieser Satz, diese schnörkellos formulierte Frage ist erfrischend. Sind doch Hexengeschichten sonst oft mythisiert, die Wege zu den magischen Wesen kompliziert und mit vielen Prüfungen verbunden – egal ob die Geschichte in der realen oder einer Fantasiewelt angesiedelt ist. Doch, und das sagt Zaia Alexander selbst ganz deutlich, „Erdbebenwetter“ ist kein typischer Hexenroman. Und ein Fantasyroman ist er schonmal gar nicht. Vielmehr beschreibe er eine Sehnsucht, unter anderem die Sehnsucht der Schriftstellerin nach ihrer Geburtsstadt Los Angeles, in der sie auch an der University of California in Germanistik promovierte. Seit 2008 lebt Alexander in Potsdam, hergekommen ist sie wegen des Berufs und der Liebe, erzählt sie. Während ihrer Zeit als Programmdirektorin der Villa Aurora in Pacific Palisades, lernte sie viele Künstler kennen, viele gingen nach Berlin, Zaia Alexander zog es in die Wasserstadt Potsdam. „Ich dachte, das viele Wasser kann mir vielleicht den Ozean ersetzen, aber das hat natürlich nicht geklappt“, sagt sie und lacht. Überhaupt sei die Stadt nicht mit Los Angeles zu vergleichen, aber sie liebe die Parks und auch die Ruhe. „Ich kann hier innerhalb einer Stunde mit dem Rad alles Wichtige erreichen, das ist super, ich würde niemals nach Berlin ziehen wollen“, sagt sie. Ein Spiel mit gängigen Hexenbildern: Trotzdem vermisst sie manchmal ihre Heimat, auch in Literatur und Film finde sie sie kaum wieder. „Alle denken immer, sie wissen, wie es dort aussieht, aber mein persönliches L.A. konnte ich nirgendwo finden.“ Deswegen hat sie ihre Erinnerungen an die Stadt aufgeschrieben, auch, weil die Stadt so wie sie kannte, heute nicht mehr existiert, sagt Alexander. Ein reiner Los Angeles-Roman ist „Erdbebenwetter“ dennoch nicht geworden, ganz subtil flicht Alexander die Restaurants, Straßenecken und Wohnsiedlungen ein. Und ganz subtil ist auch die Magie der Hexer, denen Protagonistin Lou begegnet. Was genau mit Lou passiert bleibt im Vagen und genau das macht den Roman so interessant. Alles knistert hier, schwankt zwischen absurd, esoterisch, magisch und bleibt dabei immer faszinierend. Alexander, die auch als Übersetzerin arbeitet, nutzt sehr gekonnt Zahlen-, Traum- und Sprachsymbolik, um ihrem Roman eine vibrierende, mystische Stimmung einzuhauchen und spielt mit den gängigen Hexenbildern, beispielsweise der Katze als Begleittier. Genauso wie Lous Adoptivtochter ist die Katze auf einmal da, ein verwahrlostes Tier zunächst. Bis die Tochter sie drei Mal badet und ihr Fell plötzlich samtig glänzt. Die magische Zahl Drei, später auch die Sieben, kommt öfter vor – beabsichtigt war das nicht, sagt Zaia Alexander. Auch wenn die Sieben lange ihre Glückszahl gewesen sei. Die Alltagsmagie wahrnehmen: „Ich habe sehr viel aus dem Unterbewusstsein geschrieben, was sich wahrscheinlich dadurch ergeben hat, dass ich den Roman zunächst auf Englisch angefangen habe zu verfassen“, sagt sie. Sie war sich zunächst nicht sicher, ob eine L.A.-Geschichte überhaupt auf Deutsch funktionieren würde. „Aber dadurch sind auf einmal noch ganz andere Gedanken dazu gekommen.“ Dieses Unterbewusste ist ihr auch in Bezug auf die Magie der Geschichte wichtig. Es gehe ihr darum, den Blick auf die kleinen Dinge zu lenken, solche, die man erst sieht, wenn man um die Ecke schaut oder tief in sich hinein. Denn auch davon erzählt „Erdbebenwetter“: Alte Träume wieder herauszuholen, sich auf kleine Richtungsänderungen einzulassen und eben seinen Sehnsüchten zu folgen. Protagonistin Lou schafft das, indem sie wieder anfängt zu studieren und Verantwortung für sich und eine Familie übernimmt. Zaia Alexander, indem sie endlich einen Roman fertig geschrieben hat. Den Traum hatte sie schon fast aufgegeben, bis sich die Geschichte in einem Dänemarkurlaub plötzlich selbstständig machte. Ab Mitte Oktober hofft sie, wieder mit dem Schreiben beginnen zu können. Eine Geschichte, die in Potsdam angesiedelt ist, hat sie schon im Kopf, insgesamt drei Romane liegen wohl schon zur Hälfte fertig in der Schublade. Wenn das kein magischer Zahlenzufall ist. Geplante Lesungen: Am 14. Dezember im Kellermann, Rudolf-Breitscheid-Straße 32 und am 21. Januar 2021, um 20 Uhr in der Villa Quandt. Lesen Sie auch Interview mit dem Potsdamer Autor Sven Stricker zu "Bin noch da" und "Sörensen hat Angst" Interview mit Ethnologin Jeanette Toussaint zur Geschichte der Kinos in Potsdam Von Sarah Kugler