Es quietscht in der Jungen Philharmonie

Man kennt die schiefen Töne vom Orchester nicht, doch das Landesjugendsinfonieorchester, oder kurz „Junge Philharmonie Brandenburg“, ist nun Teil einer Debatte, die nicht mehr ordentlich vom Blatt gespielt wird, sondern in Teilen aus dem Bauch heraus geführt wird – mit Vorwürfen, die grundsätzlich sind und von Enttäuschung zeugen. Der Dirigent Sebastian Weigle hat das Orchester verlassen, er war den jungen Spitzenmusikern seit Gründung des Ensembles 1992 eng verbunden, im Jahr 1993 stieg er auf zu ihrem Chefdirigenten. Weigle, 56 Jahre, genießt Weltruf, er ist geboren in Ost-Berlin, als Dirigent arbeitete er als Generalmusikdirektor am Gran Teatre del Liceu in Barcelona, leitete bei den Bayreuther Festspielen von 2007 bis 2011 Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ und hatte Engagements an der Wiener Staatsoper und der Metropolitan Opera in New York. Gutes Ansehen in Brandenburg: Kurz: Weigle brachte Renommee in das Brandenburger Nachwuchsorchester, wo junge Musiker bis 25 Jahre ihr herausragendes Talent erproben und die Weichen mit Weigles Hilfe stellen, ob sie die Musik zu ihrem Beruf erwählen. Weigles Kündigung hat zu tun mit der Absage des Konzertes zum 25. Geburtstag der Jungen Philharmonie, das in diesem November im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt stattfinden sollte. Weigle sieht seine Gastspiele beim Brandenburger Nachwuchs als Herzenssache, nicht um der Karriere willen, sondern um Talente zu fördern. Seinen Terminplan zurrt er knappe zwei Jahre im Voraus fest, die kurzfristige Absage der Jungen Philharmonie fand er „überraschend und ärgerlich“. Die Junge Philharmonie Brandenburg ist ein Jugendsinfonieorchester, es hat etwa 170 Mitglieder zwischen 13 und 25 Jahren. Künstlerischer Leiter von 1993 bis 2017 war Sebastian Weigle. Das Orchester wurde 1992 gegründet, es holte den 1. Preis beim 25. Internationalen Jugendmusikfest in Wien. Seit 2017 arbeitet der 29-jährige israelisch-amerikanische Dirigent und „Echo“-Preisträger Yoel Gamzou mit der Jungen Philharmonie. Das Neujahrskonzert der Jungen Philharmonie findet am 9. Januar 2018 im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt statt. Karten in der MAZ-Ticketeria unter 0331/2 840284. Der Förderverein der Jungen Philharmonie, dem der ehemalige Brandenburger Kultur- und Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) vorsitzt, findet die Absage des Konzertes, die vom Verband der Musik- und Kunstschulen in Brandenburg (VdMK) ausgesprochen wurde, unverhältnismäßig. Aus dem Verein heißt es: „Sebastian Weigle nimmt sich unter Mühen die Zeit für sein ehrenamtliches Engagement in Brandenburg und wurde von der Spitze des Verbandes unnötig brüskiert. Darunter leiden die jungen Musiker, die von Weigles Qualifikation profitiert haben. Das Image des Orchester ist nun gefährdet.“ Geschäftsführer gescheitert? Die Vorwürfe zielen gegen Winnetou Sosa, den neuen Geschäftsführer des Verbandes. Im September des vergangenen Jahres trat er sein Amt beim VdMK an, er folgte Thomas Falk, der die Leitung der Musikkultur in Rheinsberg übernommen hat. Sosa verantwortete zuvor mehr als zehn Jahre lang als Verwaltungsdirektor und Teil des Leitungsteams der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft deren konzeptionelle Ausrichtung. Aus dem Förderverein der Jungen Philharmonie gibt es Vorwürfe, Sosa sei in der Akademie gescheitert, herausgeflogen und ziehe nun beim VdMK Kompetenzen an sich, „die ihn überfordern“. Dazu zähle die Absage des Konzerts, die großen Schaden angerichtet habe. Winnetou Sosa entgegnet, das Konzert sei noch von seinem Vorgänger Falk angeschoben worden, die Finanzierung habe nicht auf sicheren Füßen gestanden – die Zeit des Führungswechsels an der Verbandsspitze habe eine gewissenhafte Planung der Veranstaltung nicht erlaubt. Der Vorstand habe deshalb entschieden, das Jubiläumskonzert ins nächste oder übernächste Jahr zu verlegen. „Danken Weigle für Arbeit“: „Wir sind Sebastian Weigle zu größtem Dank verpflichtet“, sagt Sosa, er bedauere dessen Kündigung ausdrücklich. Sosa hatte für den Sommer zwischenzeitlich einen neuen Dirigenten gefunden: Der 29 Jahre alte israelisch-amerikanische Dirigent Yoel Gamzou gewann den „Echo“-Klassik-Preis 2017 und arbeitet nun mit den jungen Brandenburgern zusammen. „Das ist Teil eines Generationenwechsels, den wir einleiten wollen.“ Die neue, vor zwei Wochen gewählte Vorsitzende des VdMK, die Politikerin der Linken und langjährige Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große, möchte den Konflikt zwischen Förderverein und Winnetou Sosa im Dezember aufarbeiten und schlichten: „Ich gehe davon aus, dass die Junge Philharmonie mit dem neuen Dirigenten weiterhin in der obersten Liga spielt.“ Von Lars Grote

Dirigent Sebastian Weigle ist zurückgetreten - Es quietscht in der Jungen Philharmonie