Herbert Köfer wird 100 Jahre alt, ein Geschenk hat er bereits erhalten

Neulich lief uns Herbert Köfer über den Weg, zu später Stunde, draußen war es dunkel – im Fernsehen aber schien die Sonne, der Film hieß „Krauses Zukunft“, und wer von Zukunft spricht, darf Herbert Köfer nicht vergessen. Er wird am Mittwoch 100 Jahre alt. Er war schon immer da, seit es das Fernsehen gibt. Man möchte sich nicht ausmalen, dass es je anders kommen könnte. Köfer war gut angezogen für den Gastauftritt bei Krause, was man von Horst Krause wiederum nicht jederzeit behaupten kann. Krause, Titelheld in diesem klugen, märkischen Heimatfilms, mag Hosenträger und kariertes Hemd. Punkt. Herbert Köfer aber liebt die feine Weste, das Jackett, eine Brille, so rund und smart, wie man sie in Start-Ups zu schätzen weiß. Hat Herbert Köfer eine Ahnung, was „Start-Up“, diese dynamischen Geschäftsideen junger Leute, und „smart“, der gelenkige und zeitgemäße Blick aufs Leben, bedeuten? Absolut. Er hat keine Angst vor der Moderne. Köfer fühlt sich auch auf Facebook daheim, er diktiert die Sätze, seine Frau Heike, 40 Jahre jünger, schreibt sie auf: „Sie ist einfach schneller mit den Fingern.“ Im Zuhause am Seddiner See (Potsdam-Mittelmark) steht sein Hometrainer, auf dem er regelmäßig radelt. Mit 92 Jahren hat es dieses Haus gebaut, fürs Foto griff er zur Schubkarre. So viel zum Thema „Köfer und die Zukunft“. Hometrainer und Facebook – das sind die Zutaten des 21. Jahrhunderts. Horst Krause wiederum hat nicht mal Internet, er lebt vom Fax. Dabei ist Krause erst 79 Jahre alt. Herbert Köfer also saß im Krause-Film in einem Haus, das bedroht wurde von einem Schaufelbagger. Der grub nach Kohle. Köfer und das Häuschen sollten weichen, weil der Hunger dieser Baggerschaufeln nicht zu stillen war. Köfer saß dort wie ein Umweltaktivist, fast so aufgebracht wie Greta Thunberg: Kohle hat keine Zukunft, nehmt Windräder!, las man in Köfers Gesicht, und am Ende wurde alles gut. Er zog bei Krause ein. Krauses Schwester Elsa, gespielt von Carmen-Maja Antoni, gab ihm eine saure Gurke. „Vielleicht bisschen zu viel Kümmel“, monierte Köfer, und Antoni hatte geraunt: „Na, na, na, Opa!“ Opa? „Bisschen frech, die Kleine“, lachte Köfer. Denn einerseits ist Carmen-Maja Antoni ja nicht besonders groß, andererseits bewegt sie sich, mit 75 Jahren, eine ganze Generation unter ihm. Solche Leichtigkeit liebt Köfer, den Small-Talk präsentiert er uns mit Stil. Jetzt, da die Kinos langsam sterben und die Menschen vor den Streamdiensten sitzen, in denen fast nur Menschen unter 60 Jahren spielen, merkt man erst, was fehlt, wenn das Alter verschwiegen oder übergangen wird. Wer durchs Land des Streaming läuft, sieht viel Sex, Gewalt und Dystopien, düstere Blicke in die Zukunft. Einer wie Köfer aber, der Volksschauspieler aus Berlin, hat noch gelernt, dass auch Gemüt in einen Film gehört. Und manchmal eben eine Anzugweste. „Bist du jetzt nicht mehr lustig?“: Wer aber glaubt, Köfer könne nur lächeln oder Anekdoten präparieren, kennt nur die Hälfte seiner Arbeit. Ja, die Leute mögen ihn für seine Schwänke, dafür, dass er als Hauptmann von Köpenick vorm Fernsehballett tänzelt, flirtet und die Leute von der Schwerkraft des Alltags entlastet. Doch dieser Ausflug in die leichte Muse hat ihn nicht daran gehindert, ins Charakterfach zu wechseln. 1963 spielte er unter Frank Beyer „Nackt unter Wölfen“, ein antifaschistischer Film aus Babelsberg nach dem Roman von Bruno Apitz. Manche Fans jammerten: „Herbert, bist du nicht mehr lustig?“ Die Witze waren nicht verschüttet, sondern lediglich auf Eis gelegt, weil Köfer wusste, dass ein Schauspieler im Ton stets variabel bleiben muss – sonst wird er zur Charge, zur Eintagsfliege, zum Clown mit eingefrorenem Grinsen. Im Kopf beweglich war er immer, auch Anfang der 50er Jahre, als er am Deutschen Theater unter Wolfgang Langhoff in Berlin gespielt hat. Es kam ein Angebot vom DDR-Fernsehen, das damals in den Kinderschuhen steckte, nur im Testlauf lief, im ganzen Land gab es zehn Fernseher. „Herr Köfer, helfen Sie uns, dieses Fernsehen aufzubauen!“, bat man ihn. Die Kollegen lachten, „der Herbert geht zum Fernsehen, und keiner guckt zu!“ Viele dieser Geschichten erzählt er im Buch „99 und kein bisschen leise“, das vor einem Jahr im Eulenspiegel-Verlag erschien. Ärger darüber, dass er seinen 100. Geburtstag nicht groß feiern kann, zeigt Köfer nicht. Sein innigster Wunsch: „Dass in unser aller Leben bald wieder Normalität einzieht“. Ein Geschenk hat er bereits bekommen: Er wurde gegen Corona geimpft. Wenn nun Borussia Dortmund, sein Lieblingsklub, wieder auf die Beine kommt, wäre auch das ein Geschenk. Wieder auf die Beine zu kommen: Bei niemandem lässt sich das so gut lernen wie bei Herbert Köfer, der weitermacht. Immer weiter. Lesen Sie auch Diese Rolle will Herbert Köfer unbedingt noch einmal spielen Zum Geburtstag auf die Klubhausbühne – Herbert Köfer feiert 94. in Ludwigsfelde Herbert Köfer plauderte im Kremmener „Brunchtalk“ – Charakterkopf mit Segelohren Von Lars Grote