Neue Dauerausstellung "Friedrich der Große in Charlottenburg"

Der Neue Flügel in Charlottenburg beherbergt, wenn man das mit einem Sinn für Gegenwartsbegriffe definieren will, den Nachtclub des Schlosses, die Bar und die Disco. Auch Bücher gibt es hier, die nicht von Kriegskunst reden, sondern von Philosophie. Das klingt nach guter Laune und dem Willen, nicht nur zu kämpfen, sondern zu gestalten. Friedrich II., genannt der Große, ließ den Neuen Flügel ab 1740 bauen, gleich nach der Besteigung des Preußischen Throns. Dieser östliche, 140 Meter lange Anbau atmet einen Hauch von Freiheit, er ist die Spielwiese des Schlosses, das zuvor ein ernstes Haus war und vor Ehrgeiz platzte. Friedrich I. ließ das Domizil ab 1695 erbauen, zunächst als Sommerpalais, bis 1712 dann als Schloß. Kurfürst von Brandenburg ist er gewesen, doch er wollte hoch hinaus. Und hat sich 1701 zum König von Preußen ernannt. Schloss Charlottenburg war das Ticket, auf dem er nach europäischer Macht griff. Sein Schloss erinnert an den Stammsitz eines Sonnenkönigs. Man sah den Baustil des Barock, man spürte den Geist des Absolutismus, der Einfluss von Versailles war greifbar. Sophie Charlotte, Gattin von Friedrich I., federte den Ehrgeiz ab und förderte Musik, Tanz und Theater. Als Friedrich der Große den Anbau seines Flügels in Auftrag gab, korrigierte er die Großmannssucht der Vorgänger und etablierte endgültig die Künste in Charlottenburg. Von dieser Um- und Neugestaltung berichtet nun die neu konzipierte, überarbeitete Dauerausstellung im Flügel, die gerade eröffnet wurde. Friedrich I. ließ für Kurfürstin Sophie Charoltte ab 1695 das Sommerpalais nach Plänen von Johann Arnold Nering bauen. Ab 1701 Ausbau zum Schloss durch Johann Friedrich Eosander von Göthe. Friedrich II. ließ von 1740-1746 den östlichen Neuen Flügel erbauen. Bau des Theaters und des Belvedere unter Friedrich Wilhelm II. Das Mausoleum für König Luise entstand 1810, ihrem Todesjahr. Bau des Neuen Pavillons anno 1825. Schloss Charlottenburg, Neuer Flügel. Spandauer Damm 10-22, Berlin. Geöffnet Di-So 10 bis 17.30 Uhr. Das Leben scheint leicht in Charlottenburg. Doch Friedrich hat nur selten hier gewohnt. Des Krieges müde, des Blutvergießens überdrüssig, hat er in diesem Hause die Hochzeiten der Verwandtschaft gefeiert, die als lebensgroße Porträts gleich im ersten der 16 Räume dieser Ausstellung im Obergeschoss des Flügels zu sehen sind. Wo genau sie sich in der immensen, weitläufigen Schlossanlage eingerichtet hatten, zeigt ein Modell des Hauses in der Mitte des Raums. Meist hat Antoine Pesne diese Bilder gemalt, der Pariser Künstler und Preußische Hofmaler. Er sollte mit seinen Gemälden das Image der Dynastie formen, die Lesart der Nachwelt lenken und die Vita seiner Dienstherren polieren. Die Ausstellung erinnert auch daran, dass die Regierungszeit des Monarchen nicht nur mit einem neuen Schlossbau, sondern auch mit dem Überfall auf Schlesien begann, dem insgesamt drei verheerende Kriege folgten sollten. Weil diese Kriege aber nicht durchweg dem Naturell des Herrschers entsprachen, sondern auch Flöte und Philosophie zu seinen Leidenschaften zählten, gibt es im Flügel neben Schreibkammer und Konzertzimmer genügend Platz für Bilder von Antoine Watteau, der eine „Gegenwelt“ geschaffen hat zum Ernst der Politik. Was Watteau malte, waren Idyllen, Mythen, Verklärungen der Liebe und des ländlichen Lebens. „Die Einschiffung nach Cythera“ stellte er fertig um 1719, Friedrich II. hat es wohl 1763 erworben. Seine Bilder wirken wie mit Watte getupft, die Konturen zerfließen, die Wonne bleibt das Kraftzentrum der Werke. Kinderlein, Engel, galante Kleider und Märchenwälder zählen zum Arsenal des Malers, dessen Bilder einst nur in Frankreich zahlreicher vertreten waren als am Hofe Friedrichs. Die Möbel stammen aus Potsdam: Die originale Hängung im Schloss wurde rekonstruiert, erstmals kehren alle erhaltenen Werke wieder an ihre ursprünglichen Orte zurück. Hier erfahren die Gäste, dass der König die meisten der Gemälde auf Versteigerungen älterer Privatsammlungen erwarb, deren Verkaufskataloge er aufmerksam studierte. Die Ausstattung von Friedrichs Wohnung, geprägt vom friderizianischen Rokoko, ging fast durchweg verloren – nicht nur, weil sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. den größten Teil des Inventars entfernen ließ. Auch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg hinterließen massive Schäden. Beinahe komplett erhalten jedoch blieben die Möbel aus der Wohnung Friedrichs des Großen im beschädigten, abgetragenen und inzwischen als Landtag wiedererrichteten Potsdamer Stadtschloss. Ähnlich wie die Möbel für den Neuen Flügel in Charlottenburg, wurden sie zwischen 1745 und 1748 entworfen. Jetzt sind sie im Neuen Flügel zu sehen, um dort ein originales Ambiente von Friedrichs Wohnkultur zu vermitteln. Man muss nicht mal die Goldene Galerie nehmen, diese gleißende Halle für Tanz und Feiern, einen der schönsten Rokoko-Säle Europas, um den Reichtum der neuen Dauerausstellung zu belegen. Die Ausstellung zeigt, wie Friedrich der Große im Neuen Flügel an seinem Image feilte, wie sehr er zwischen den Extremen der schönen Kunst und des brutalen Krieges lavierte. Im Zweifel fühlte er sich bei der Muse in Charlottenburg mental zu Hause. Wie selten er hier freilich Hof hielt, weil er in die Schlacht zog, zeigt, wie stark dieser Monarch zerrissen war. Die Spurensuche in Charlottenburg ist hochergiebig. Von Lars Grote