Potsdamer Kabarettistin Bella Liere tritt mit erstem Soloprogramm „Sie lachen das schon“ im Obelisk auf

Sie hat genug durchgeatmet: Auch wenn Bella Liere die Zwangspause durch den Corona-Lockdown ein bisschen gebraucht hat, freut sie sich, wieder auf die Bühne zu können. Die positive Energie ist ihr anzusehen, die 34-Jährige strahlt, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Am Freitag, 18. September, hat ihr erstes Soloprogramm „Sie lachen das schon“ im Kabarett Obelisk Premiere. Eine Mischung aus Stand Up Comedy, Musik und verschiedenen Personifikationen wird es sein, erzählt Liere. „Ihre Freundinnen“ nennt sie die Rollen, die sie auf der Bühne spielt. Alles Figuren, die etwas zugespitzt sind – und trotzdem oder gerade deswegen Wahrheiten aussprechen. Pankow heißt beispielsweise eine Kleptomanin, welche die Philosophie vertritt, dass die Welt eine bessere wäre, wenn jeder nur nach dem greift, was er tragen kann. „Sie erklärt dir ganz genau, wie das Leben läuft“, sagt Liere. Ausländerfeindlichkeit und Vorurteile: Ihr ist es sehr wichtig, dass sie ihrem Publikum immer auch etwas zum Nachdenken mitgibt: „Ich will nicht nur Blödsinn auf der Bühne machen.“ Ihre Figur Istanbul thematisiert deswegen Probleme, mit denen Liere selbst konfrontiert war. Bei einem Auslandsaufenthalt in Tunesien lernte sie ihren jetzigen Mann kennen, er begleitete sie nach Deutschland – und wurde hier nicht nur freundlich empfangen. „Er wurde oft gar nicht als er selbst wahrgenommen, sondern schnell mit dem Stempel Flüchtling versehen“, erzählt sie. Sie selbst wurde gefragt, ob sie jetzt ein Kopftuch tragen müsse und ob sie überhaupt noch allein das Haus verlassen dürfe. Klischees, die Liere in ihrem Programm aufgreift. „Istanbul konfrontiert die Zuschauer mit den Vorurteilen, das muss manchmal sein“, sagt die Kabarettistin, die in Karl-Marx-Stadt geboren wurde und in Potsdam lebt. Liere spielte auf dem Theaterschiff: Bella Liere kommt ursprünglich vom Schauspiel, schon während der Schulzeit auf Hermannswerder, hat sie nebenbei auf der Bühne gestanden. Nach dem Abitur wirkte sie unter anderem im Kulturforum Kreuzberg mit und war dann ab 2008 viel auf dem Theaterschiff Potsdam zu sehen. „Dort habe ich auch das erste Mal gesungen, ich wusste gar nicht, dass ich das kann.“ An das Musical „Beatles on Bord“ erinnert sie sich noch sehr gern zurück: „Das habe ich so geliebt und die Leute haben so gelacht, das war toll.“ Mit dem Stück „Mondscheintarif“ bestritt sie 2011 ihr erstes Soloprogramm auf dem Theaterschiff, es folgten ernstere Stücke wie beispielsweise 2013 „Carmen – unter der langen Brücke“. Allerdings: Das Komische liegt Liere mehr, wie sie schnell feststellte. „Ich habe die dramatischen Rollen immer mit nach Hause genommen, konnte nicht los lassen. Das war sehr anstrengend.“ Komisch sein ist harte Arbeit: Was nicht heißen soll, dass es keine harte Arbeit ist, Menschen zum lachen zu bringen. „Mein Mann sagt immer, mein Job sei einer der härtesten überhaupt“, sagt die Kabarettistin und lacht, „Aber im Ernst: Texte zu schreiben und vor allem zu sprechen, die so klingen als hätte man sie sich gerade erst ausgedacht, ist Arbeit.“ Ungefähr ein Jahr hat es gedauert, bis ihr Programm fertig war. Immer wieder hat sie Passagen umgeschrieben, weil sie auf der Bühne nicht funktioniert haben. „Das Schlimmste ist, wenn keiner lacht und du das trotzdem aushalten musst“, sagt sie. In Programmen mit Kollegen sei ihr das schon passiert, dann gelte es, einfach weiterzumachen. Kein Ersatz für Gretel Schulze: Seit 2017 ist Liere im Kabarett Obelisk, Andreas Zieger hat sie dorthin geholt und ihr auch viel beigebracht. Überhaupt hätten die Kollegen sie sehr unterstützt, Tatjana Meissner sei beim Schreiben ihres Programmes eine große Hilfe gewesen. Auch mit der im vorigen Jahr verstorbenen Gretel Schulze stand Liere gemeinsam auf der Bühne. „Sie war eine totale Power-Frau“, sagt Liere. Den Druck, die entstandene Lücke ausfüllen zu müssen, verspürt sie nicht. „Ich bin ja nicht ihr Ersatz, meine Fangemeinde ist eine andere“, sagt Liere. Schulze sei das Aushängeschild des Kabarett gewesen und ja, man spüre diese Veränderung. „Aber inhaltlich sind die Programme weiterhin stark, daran hat sich nichts geändert.“ Mehr Aufmerksamkeit für die Situation der Kulturszene: Liere ist nicht fest beim Obelisk angestellt, sie arbeitet als freischaffende Künstlerin. Den Corona-Lockdown hat sie genutzt, um kreativ zu sein und Comedy-Clips für ihren Youtube-Kanal gedreht. „Gute Stücke entstehen aus der Krise“, sagt sie dazu. Existenzängste hatte sie keine. „Das liegt vielleicht daran, dass ich noch nicht so lange im Geschäft bin.“ Außerdem hat sie ein zur Not ein zweites Standbein: Liere ist ausgebildete Physiotherapeutin. Was sie sich allerdings wünscht, ist mehr Aufmerksamkeit für die Situation der Kulturszene. Wie überall können auch im Obelisk wegen der Abstandsregelungen derzeit sehr viel weniger Karten verkauft werden. Nur rund 60 Plätze von den ursprünglich 190 dürfen besetzt werden. Besonders über die sonst so gut besuchte Weihnachtssaison könnte das für das Obelisk einen finanziellen Einbruch bedeuten. Davon möchte sich Liere allerdings nicht verunsichern lassen: „Ich lebe lieber in dem Moment und versuche, keine Angst zu haben.“ Premiere am Freitag, 18. September um 19.30 Uhr im Kabarett Obelisk. Von Sarah Kugler