Ein Sprungbrett – so sehen politisch Interessierte heute gern das Amt des Potsdamer Oberbürgermeisters. Eher ein Schleudersitz war es nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein existenziell gefährlicher dazu. MAZ-Autor Frank Starke hat nachgeforscht, wer die drei ersten Männer auf diesem Posten in den Jahren nach Kriegsende waren (Frauen waren zunächst nicht dabei). Sie alle wurden zerrieben zwischen den realen Nöten, dem historischen Erbe und den neuen sozialistischen Ansprüchen. Wir haben sie in einer kleinen Serie porträtiert.
Eine Zeit der stalinistischen Umwälzung
Wie ist diese Zeit einzuordnen? Was war entscheidend für eine politische Karriere? Was wurde Menschen an der kommunalen Spitze zum Verhängnis? Die Sowjets und später die SED zogen Potsdam ihre Ideologie auf und hatten der alten Bürgerlichkeit der Residenzstadt den Kampf angesagt. Und sie waren nicht zimperlich. Einige Oppositionelle bezahlten sogar mit ihrem Leben für die eigene politische Überzeugung.
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Der Kommunist, der stets aneckte
Walter Paul (1945-51) wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzt – weil russische Zwangsarbeiter ihn gelobt hatten. Er war zwar Kommunist und ein Vertrauter der Kommandantur, doch bei den lokalren Parteifunktionären eckte er immer wieder an – etwa als er verbot, Bäume im Park Sanssouci zu schlagen. Es war ein Machtpoker mit ungleichen Mitteln. Pauls Leben vollzog danach so manche Wende.
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Der Mann, der das Stadtschloss retten wollte
Kurt Promnitz (1951-57) war dann das erste Beispiel dafür, wie die SED einen in Potsdam völlig unbekannten Funktionär auf den Posten des Oberbürgermeisters hievte. Ein zentrales Thema seiner Zeit ist der Umgang mit dem Stadtschloss. Er startete den letzten Anlauf für einen Wiederaufbau, wollte gar eine Städtepartnerschaft mit Hannover. Das ging den wachsamen Parteioberen zu weit.
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Der Kämpfer für eine sozialistische Stadt
Willi Rescher (1957-61) folgte von Beginn an dem ideologischen Traum von Potsdam als sozialistischer Stadt. Der alte Geist von Potsdam sollte ausgetrieben werden. In Reschers Amtszeit fiel sowohl die Sprengung des Stadtschlosses, angeordnet von der Staats- und Parteispitze, als auch der Aufbau von Pirschheide zum neuen Hauptbahnhof der Stadt. Dann kam der Mauerbau – und auf ihn folgte Reschers Fall.
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Der Wiederaufbau Potsdams unter der Ägide einer Frau
Niemand sonst lenkte Potsdam so lange wie Brunhilde Hanke. Über 23 Jahre war sie Oberbürgermeisterin, kam als perfekte Parteisoldatin, ließ Straßen und Stadtteile im sozialistischen Sinne bauen und setzte sich trotzdem für das historische Potsdam ein. Ihre größte Enttäuschung war die Sprengung der Garnisonkirche. Aber das Holländische Viertel wurde gerettet. Selbst die West-Presse lobte Hanke. Doch am Ende war auch sie nicht mehr linientreu.
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Er konnte die Wahlfälschung nicht mehr deckeln
Wilfried Seidel geht in die Geschichte ein als erster Potsdamer Oberbürgermeister, der nach dem Ausscheiden aus dem Amt strafrechtlich belangt wird – nach einer Anzeige von oppositionellen Kräften wegen Wahlfälschung zu den DDR-Kommunalwahlen im Mai 1989. Doch schon vorher hatte er sich wenig Freunde gemacht, verlor Potsdam doch mehr und mehr seine historische Altstadt.
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Das letzte Aufgebot hatte die kürzeste Amtszeit
Manfred Bille hat die kürzeste aller Oberbürgermeister-Amtszeiten, er steht dem Rathaus vom Mai 1989 bis Mai 1990 vor. Er kommt vom alten Machtapparat, der immer machtloser wird, und kann die aufstrebenden Demokratiebewegungen in Potsdam weder unterdrücken noch einbinden.
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Gewaltige Aufgaben bis zum undankbaren Abgang
Völlig neue Verwaltungsaufgaben, ruinierte Altstädte, Bevölkerungsschwund: Die Aufgaben für Oberbürgermeister Horst Gramlich ab 1990 waren gewaltig. Er holte die Buga nach Potsdam, schuf die Sanierungsgebiete und organisierte das Rathaus. Allerdings misslang unter ihm auch die 1000-Jahr-Feier und die Stadt bekommt das Image der „Jammerhauptstadt“. Für die SPD ging er einst ins Rennen – und die SPD ließ ihn am Ende fallen. 1998 kam die öffentliche Abwahl.
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Von Alexander Engels