Wie kurios der ZDF-Soundtrack zu „Ku’damm 63“ in Brandenburg entstand

Es ist nicht leicht, in diesen Wochen musikalisch so etwas wie ein Erwachen oder ein Durchs-Leben-Tänzeln einzuspielen. Gibt es dafür ein Instrument? Aktuell regiert die Pauke, sie simuliert die Magenschläge, die uns immer wieder treffen. Doch die Serie „Ku’damm 63“, die im ZDF ab Sonntag in drei Teilen weiter läuft, spricht von einer anderen Zeit. Der West-Berliner Kurfürstendamm im Jahre 1963 war ein Laboratorium der Moderne, hier keimte der Wohlstand. Zur Blüte trieben auch vier Damen, die durch die Folgen dieser Serie mit ungestillter Amüsierlust laufen. Doch immer wieder liegt ein Schatten über ihrem Leben, der Schatten sagt: Harte West-Mark, schön und gut, doch Zufriedenheit und Liebe lassen sich nicht permanent vom gut gefüllten Konto stimulieren. Kriegsschuld und die Untreue der Männer machen immer wieder einen Strich durchs Glück. Einerseits könnte man dieses Auf und Ab in einer Psychologen-Praxis aufbereiten, andererseits tut es zur besten Sendezeit, um 20.15 Uhr, auch ein wendiger und einfühlsamer Soundtrack. Den hat das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder), kurz: BSOF, eingespielt. Komponiert hat ihn Karim Sebastian Elias, ein Mann, der an der Filmuniversität in Potsdam-Babelsberg lehrt. „Wir sind eng verbunden miteinander, unsere Zusammenarbeit führt bis ins Jahr 2004 zurück“, sagt Roland Ott, der Intendant des BSOF. Immer wieder hat Elias sie in seine Projekte eingebunden, auch in diesem Falle, als er vom ZDF den Auftrag erhielt, den Ku’damm zu vertonen. „Diese Arbeit war uns hochwillkommen“, sagt Ott, denn er weiß, wie viel Beschäftigung dem Haus durch den Lockdown entgangen ist. „Die Kolleginnen und Kollegen waren begeistert, als die Nachricht vom Soundtrack kam“, erzählt Ott, und wenn er davon spricht, wie das Projekt zu einem guten Ende fand, klingt das so spannend wie die Ku’damm-Serie selbst. „Wir haben das Kleist-Forum in Frankfurt gemietet, eigentlich war es während der Pandemie geschlossen.“ Wenn ein Orchester aber Abstand hält und Masken trägt, die es nur abnimmt, wenn es sitzt und spielt, ist einiges zu machen. In zwei getrennten Instrumenten-Gruppen wurden die Stücke aufgenommen, vormittags kamen die Streicher, nachmittags die Bläser. Insgesamt waren gut 70 Musizierende im Einsatz für den Soundtrack, der in zwei Sessions während des Januars und Februars entstand. „Wir haben den Film nicht gesehen, wir haben gespielt, ohne die Bilder zu kennen“, sagt Ott. Das sei bei Soundtracks üblich, es klappe wie bei einer Symphonie: Sie spielen streng vom Blatt, und weil sich nicht mal Streicher und die Bläser sehen, muss alles „taktgenau“, „auf Schlag“, wie Ott das formuliert, über die Bühne gehen. Tonmeister und Dirigent sind hier verantwortlich für Präzision. „Als Klangfarbe steckt viel Romantik in dem Soundtrack“, berichtet Roland Ott, „naturgemäß gibt es viel Stückwerk, kleine und minimale Sequenzen.“ Sie illustrieren eine Wallung oder Emotion, einen Kuss und einen Wutausbruch, sie dauern nur Sekunden. Das alles sind Gefühle, die noch ein bisschen schillernder im Wohnzimmer des Publikums verfangen, wenn die Musik die Richtung weist. Doch ausgerechnet jene Musiker, die uns nun mächtige Gefühle deklinieren, sitzen selbst während der Pandemie emotional meist auf dem Trockenen. Große Gefühle? Schwer zu entwickeln, wenn man Meetings im Orchester sonst mit Videokonferenz abhält. Das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder), kurz: BSOF, wurde 1842 gegründet, sein erster öffentlicher Auftritt fand bei der Eröffnung des von Karl Friedrich Schinkel neu erbauten Frankfurter Stadttheaters mit Albert Lortzings „Zar und Zimmermann“ statt. Roland Ott kam als Intendant im Jahr 2018 zum Orchester. Ott ist in Schwerin geboren, von 1989 bis 2005 war er als Opernsolist und Konzertsänger tätig. Anschließend wechselte Ott ins Musikmanagement, dem Ruf des Royal Opera House in London folgte er 2009 als Managing Director. Die ZDF-Serie „Ku’damm 63“ startet am 21. März, um 20.15 Uhr, weitere zwei Folgen sind am 22. und 24. März ebenfalls um 20.15 Uhr zu sehen. Der Soundtrack des BSOF ist auf Spotify veröffentlicht worden. Leidet die Qualität eines Orchester unter diesen Umständen, die eine Probe kaum erlauben? „Nein, da ist nichts zu spüren“, sagt Ott, „die eigene Spielfähigkeit zu erhalten, zählt auch in einer Pandemie zur Kernaufgabe der Berufsmusiker.“ Ott, der auf seine Karriere als Sänger verweist, erklärt: „Wer Musik studiert hat, verlernt nicht, auf der Bühne zu spielen.“ Rein vom Namen her würde man ja zunächst das „Filmorchester Babelsberg“ aus Potsdam bei solchen Arbeiten am Soundtrack erwarten. Mitunter gibt es Klagen des Orchesters, dass in Frankfurt (Oder) im selben Gewässer gefischt wird. „Wir sehen uns nicht als Konkurrenz“, betont Roland Ott. „Der Markt ist groß genug für beide Orchester, hinzu kommt, dass wir uns in Frankfurt nicht proaktiv um das Ku’damm-Projekt beworben haben – wir wurden vom Komponisten Elias angesprochen, mit dem uns eine lange Freundschaft verbindet.“ Lesen Sie auch Mühlenbecker Land - Dreharbeiten für eine Familiensaga „Ku’damm 63“-Darstellerin Emilia Schüle: „Gleichberechtigung nach wie vor nicht vollständig“ Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt unter Jörg-Peter Weigle in der Saison 2019/20 Doch allein mit einem Soundtrack sind die Zeiten auch in Frankfurt (Oder) nicht zu retten. Wie geht es weiter? „Wir spielen Öffnungsszenarien durch und beobachten, wie in Berlin geplant wird, geimpfte Zuschauer wieder in Konzerthäuser zu lassen.“ Die Saison 2021/22 beginnt im Sommer, „wir müssen davon ausgehen, dass es dann regulär weitergeht“. Das ist der notwendige Optimismus, den man als Intendant benötigt. Konkret weiß Ott aus den vergangenen zwölf Monaten, dass „permanent neu geplant werden muss“. Hoffnung setzt er auf mögliche Open-Air-Konzerte im Mai und Juni. An der frischen Luft ist etwas möglich, das in geschlossenen Räumen nicht erlaubt ist. Es muss nicht mal die Bühne auf dem weltgewandten Ku’damm sein, dem sie jetzt ein Ständchen spielten und wo sich Menschen, in guten Zeiten jedoch, dicht vor den bunten Fenstern drängten. Willkommener ist die Provinz, wo man leicht Abstand halten kann und wo die Luft nicht nur gefüllt ist von den Bläsern oder Streichern, sondern alles unterlegt ist von dem Sound der Bienen. Von Lars Grote