Es gibt viele Strategien, die Winterferien mit Grundschulkindern zu verbringen: toben, die Trübsal ignorieren, spielen. Hier eine Übersicht. Fässer ohne Boden: Wir haben jetzt Zeit füreinander. Ist das nicht der Sinn der Ferien? Zeit haben wir jedoch schon lange, seit die Schulen dicht sind. Kann man zu viel davon haben? Die Eltern peitschen ihre Kinder durch die Wochenpläne, die ihnen von der Schule mitgegeben wurden. Und nun die Winterferien. Kein Wochenplan. Keine Klassenvideokonferenz. Aber eben auch kein Urlaub in den Skigebieten, nicht mal das Treffen mit den Freunden, weil das gefährlich ist. Unterm Strich bedeutet das, wir bleiben weiterhin zu Hause. Und greifen immer noch zum Wochenplan, weil er der Halt in diesem Durcheinander ist. Er gibt uns Rhythmus, den Kindern wie den Eltern. Wochenpläne sind Fässer ohne Boden. Fertig werden sie nie. Sollen wir sagen: zum Glück? Deals, Deals, Deals: Die Farben laufen nun bunt durcheinander, wie beim Aquarellmalkasten. Das Blaue und das Rote paaren sich zum Lila. Hübsch! Zumindest in der Kunst. Im Grundschulalltag laufen Blau (Schule) und Rot (eigenes Kinderzimmer) seit ein paar Wochen auch zusammen. Das ergibt jedoch kein Lila, sondern Chaos. Es gibt jetzt Deals, obwohl das ein Begriff der Trump-Zeit ist, die wir gedanklich eigentlich verlassen wollten. Wenn ich nachher Disney gucken darf, mache ich die Minusaufgaben! Und wenn dann Plusaufgaben dran sind, will ich später Kika (für Nichteltern: „Kinderkanal“) gucken! Grundschulkinder sind harte Verhandlungsführer. Die Eltern geben nach. Um der lieben Ruhe willen, die sie für die eigene Arbeit brauchen. Und irgendwann wird abgewogen: Ab wann muss eingeschritten werden, im Dienste der Erziehung? Nach dem nächsten Film. Der nächste Film ist immer ein Strohhalm. Chill mal! Wir müssen uns entscheiden, ob wir „die guten alten Zeiten“ in die Ferien holen wollen, die nach Brett- und Kartenspiel gerochen haben. Soll man den Grundschulkindern sagen, „hach, damals haben wir ganze Abende lang Mensch ärger dich nicht gespielt, und wir waren viel fröhlicher als all die Kinder, die jetzt autistisch auf den Bildschirm gucken“? Man muss sich gute Argumente überlegen, wenn das Kind dann sagt: „Chill mal, Papa.“ Das ist ein Satz, gegen den rhetorisch, gedanklich und pädagogisch nichts gewachsen ist. Kein Kraut, kein Argument, kein Wutausbruch. Man setzt sich in die Nesseln, wenn man auf „Chill mal, Papa“ irgendeine Antwort gibt. Biene Maja fliegt raus: Bester Kinderfilm? Papa sagt: Biene Maja! Mama sagt: Muppet-Show! Kind sagt: Pokémon! Und dann beginnt das Armdrücken. Wer setzt sich durch? Nicht Biene Maja, die fliegt schnell raus. Gut sind die Filme von Pixar, einer Animationsfirma, die schon „Ratatouille“ und „Monster AG“ gebaut hat, oder sollen wir sagen: gedichtet? Was Pixar liefert, ist ein virtuelles Lagerfeuer für die ganze Familie. „Ganze Familie“, das klingt fast kitschig heutzutage, weil wir uns in Wahrheit drastisch individualisieren. Doch wenn wir diese Filme schauen, als Familie, reden wir am Ende drüber. Weil wir zusammen gelacht haben. Wer ist die beste Freundin? Ja, es ist blöd, dass Corona ansteckend ist. Ein lächerlich profaner Satz. Doch das Kind hat ihn auf eine Weihnachtskarte geschrieben. Leider gilt er immer noch, auch in den Winterferien. Man sollte nicht zu viele Freunde um sich haben. Immer nur einen. Oder eine. Wer sollte das sein? Es ist nicht schön, wenn man sich früh auf eine beste Freundin konzentrieren muss. Beste Freundinnen wechseln im Grundschulalter stündlich. Das ist kein Ideal für spätere Jahre, in denen man, wenn es gut läuft, eher zur Verlässlichkeit tendiert. Doch nun muss es eben diese eine sein, die man trifft, um den Kontaktkreis klein zu halten. Hoffentlich sind diese beiden nach der Pandemie nicht heillos über Kreuz. Weil sie sich zu oft und eng gesehen haben. Die Wunderwaffe: Die Schaukel ist die Wunderwaffe in der Pandemie. Für andere vielleicht das Trampolin. Oder der Ball. In diesem einen, bezeugten Fall jedoch die Schaukel. Sie steht auf einem öffentlichen Spielplatz, der dem privaten Garten derzeit vorzuziehen ist. Auf öffentlichen Spielplätzen können sich Kinder andere Kinder ansehen, fast wie in der Schule. Spielplätze sind ein großer Freiluftklassenraum, auf dem der Abstand meistens eingehalten wird. Im Zentrum also steht die Schaukel. Sie sorgt für Fahrwind, sie balanciert den Körper aus und auch die häufig unstabilen Laune, die eben rauf und runter gehen, wenn sich der Radius des Alltags auf das Kinderzimmer reduziert. 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Tiere sind für Kinder toll, gerade in der Pandemie, weil Tiere nicht sprechen, aber meistens flauschig sind. Es ist kein Tier bekannt, das sagen könnte: „Bitte kümmere dich um den Wochenplan!“ Diese Schweigsamkeit macht Tiere liebenswert, finden Kinder. Gerade in den Ferien. Ob es auf ein Haustier oder nur ein Kuscheltier hinausläuft, hängt von den Fähigkeiten kindlicher Verhandlung ab. Oder davon, wie lange die Schule noch geschlossen bleibt. Je blasser das Kind, desto eher sind Eltern bereit, einen echten Hund zu kaufen. Von Lars Grote