Tipps für Singles und Paare in Corona-Zeiten

Lockdown, Homeoffice und der Verzicht auf Reisen: Viele Beziehungen werden in der Corona-Krise auf eine harte Probe gestellt. Ganz andere Probleme ergeben sich für Singles: Sie leiden unter Einsamkeit. Beides muss nicht sein. Beziehungscoach Lutz Friedrich deckt auf, wie das Liebesleben auch in der Krise floriert. Herr Friedrich, wir befinden uns im Shutdown. Es gibt keine Ausgehmöglichkeiten, oft liegen die Nerven blank. Auch bei Paaren? Auffällig ist, dass vor allem Pärchen betroffen sind, die schon vor der Krise Probleme hatten. Diese Konflikte eskalieren jetzt. Es muss deutlich mehr Zeit miteinander verbracht werden, den Komplikationen kann nicht aus dem Weg gegangen werden. Welche Probleme treten konkret auf? Beziehungsprobleme sind extrem vielfältig. Ein Partner sieht seine Bedürfnisse vielleicht nicht befriedigt. Er fühlt sich angegriffen, es beginnt ein Streit. Hauptursache ist mangelnde Empathie, häufig von Seiten der Männer. Alleinstehende haben dafür andere Probleme. Wie findet sich die große Liebe in der Corona-Krise? Erst einmal muss man sich bewusst machen, dass es nicht gleich darum geht, eine Partnerin oder einen Partner zu finden. Ein Mangel an sozialen Interaktionen wird häufig mit dem Wunsch nach einer Beziehung verwechselt. Viel wichtiger ist es, überhaupt soziale Kontakte zu haben – und sei es über das Internet. Die Partnersuche selbst verläuft momentan natürlich anders. Doch schon vor der Krise gingen ein Drittel aller festen Beziehungen auf das Online-Dating zurück. Wie steht denn ein Beziehungscoach zu Tinder, Parship & Co.? Ich war vor ein paar Jahren noch sehr skeptisch. Inzwischen erlebe ich aber, dass es funktioniert. Ich habe Klienten begleitet, die sich als hoffnungslose Singles betrachtet haben. Nachdem ich sie motiviert habe, die Anmeldung bei einem Online-Portal vorzunehmen, wurden sie schon nach kurzer Zeit fündig – und sind auch heute noch vergeben. Trotzdem ist Online-Dating mit Vorsicht zu genießen. Es ist aber besser als nichts. Wenn es diese Möglichkeit gibt, dann sollten wir sie nutzen. Vor allem, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt. Was gilt es zu beachten nach der Anmeldung auf einem Dating-Portal? Ich sage meinen Klienten: Immer dranbleiben! Davon auszugehen, unter den ersten fünf Personen direkt die große Liebe zu finden, führt schnell zu Enttäuschungen. Es ist empfehlenswert, mit mehreren Menschen Kontakt zu pflegen. Mit ein paar weniger Personen sollte telefoniert werden, mit noch weniger Menschen sollte man sich schließlich treffen. Hier ist Ausdauer gefragt. Kommt es zur Verabredung, ist momentan ein Spaziergang das Mittel der Wahl. Reden wir von Tagen, Wochen oder gar Monaten, bis die Zeit für ein erstes Treffen reif ist? Je länger, desto besser (lacht). Wenn man merkt, dass die Chemie stimmt und die Lust besteht, mit der Person zu reden, ist das ein erstes Indiz, dass es gut läuft. Es sollten aber auch schon von Beginn an schwierige Themen angesprochen werden, Bedürfnisse und Gefühle müssen artikuliert werden. Es gilt im übertragenen Sinne, so schnell wie möglich die Maske abzulegen und sich zu zeigen. Nur so kann die Entscheidung über eine gemeinsame Zukunft getroffen werden. „Eine gesunde Distanz ist unabdingbar“: Gibt es aktuell auch Wege abseits des Internets, Kontakte zu knüpfen? Ja. Nur weil wir Abstand halten und eine Maske tragen, gibt es keinen Grund, nicht mutig zu sein und unter Einhaltung der Regeln jemanden anzusprechen. Ausgehmöglichkeiten gibt es faktisch keine derzeit. Was macht das mit dem Kennenlernen als Erfahrung? Eine große Chance ist, das Gegenüber viel intensiver kennenzulernen. Man ist gezwungen, tiefer einzutauchen und sich nicht ablenken zu lassen – etwa durch essen gehen oder Konzerte. Daraus ergibt sich das große Potenzial, das Fundament für eine langfristige Beziehung zu schaffen. Und die Kehrseite der Medaille? Viele spüren einen Einsamkeitsdruck. Wenn man jemanden gefunden hat, möchte man den Menschen nicht mehr verlieren. Die Angst, wieder allein sein zu müssen, kann schlimmstenfalls in eine ungesunde Beziehung führen. Sie haben die Freiheit als eine Sprache der Liebe definiert. Was meinen Sie damit? Jede Person braucht alleine Zeit, um sich als eigenständiger Mensch zu fühlen. Regeneration und Selbstreflexion sind die Schlagworte. Wenn das Gegenüber dabei eine Unterstützung darstellt, dann fließt echte Liebe. Heißt konkret? Wenn ein Partner zum Beispiel auf das Kind aufpasst, damit das Gegenüber eine Fahrradtour machen kann. Und nicht eingeschnappt fordert, unbedingt mitkommen zu wollen. Die Zuneigung, die entsteht, ähnelt der, wenn man dem geliebten Menschen ein Geschenk macht oder kuschelt. Eine gesunde Distanz ist unabdingbar. „Es gilt, konstruktives Streiten zu lernen“: Wie kann das konkret umgesetzt werden? Ein erster Schritt ist, mit ihr oder ihm zu sprechen. Als zweites kann ein Plan erstellt werden. Er hält fest, wer in der Zeit des Alleinseins etwa die Kinderbetreuung übernimmt. Ebenso sollte ein Rückzugsort definiert werden. Wenn es zu spät ist und der Kragen platzt, was dann? Es gilt, konstruktives Streiten zu lernen. Das beginnt mit dem Vermeiden von Du-Botschaften und endet damit, den anderen ausreden zu lassen. Anstatt von Vorwürfen sollten Wünsche geäußert werden. Das ist eine Übungssache. Es ist normal, wenn das nicht sofort klappt. Dann ist es wichtig, eine liebevolle Nachsicht zu haben. Und auch mal ein Auge zuzudrücken, wenn der Partner oder die Partnerin überreagiert. Ist das Sich-aus-dem-Weg-Gehen auch eine Strategie? Kurzfristig ist das eine gute Idee, wenn man sich wie ein Vulkan kurz vor der Eruption fühlt. Spätestens am nächsten Tag muss allerdings gesprochen werden. Ich rate keinesfalls dazu, Dinge auszuschweigen. Das rächt sich schnell. In der Extremsituation Quarantäne ist nicht mal der Gang nach draußen möglich. Was dann? Der Fokus sollte zunächst auf sich selbst gerichtet sein, damit es einem gut geht. Erst dann hat man die Kraft, für die Partnerin oder den Partner da zu sein. Das ist nicht egoistisch – ganz im Gegenteil, die Selbstfürsorge tut der Beziehung sogar gut. Langfristig kann hier sogar das Ziel sein, als Einzelperson oder als Paar gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Dass dies möglich ist, erlebe ich regelmäßig bei meiner Arbeit. Lutz Friedrich, geboren 1985 in Chemnitz, ist Master-Psychologe, Paarberater und Coach in Leipzig. Friedrich studierte Psychologie in Mainz und Dresden. Inzwischen bietet er unter anderem Beziehungs- und Paarberatungen an – online und in seinen Beratungsräumen. Von Florian Reinke