Es ist wie in einem Bühnendrama: Die Königin dankt ab nach langen Herrschaftsjahren und aus den Kulissen tritt der, den sie dort vor 16 Jahren hingeschoben hat. Friedrich Merz, der ehemalige Vorsitzende der Bundestagsfraktion, hat seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz nun auch offiziell bekanntgegeben. Quasi seit seinem Rückzug ist Merz die Sehnsuchtsfigur so mancher in der CDU, sein Name fiel messiasgleich übersteigert bei all jenen in der Partei, die mit dem Kurs der Chefin oder mit ihr selber Probleme hatten und selbst nicht genügend Kraft, ein Gegenmodell zu entwickeln. Sie versprachen sich Erlösung – von den schlechten Umfragewerten, vom liberalen Kurs der letzten Jahre, vom mangelnden Wirtschaftsprofil der Partei und vor allem von Merkel.
Merz zehrt von dem Ruf als Steuerexperte, obwohl auch in der CDU seine so genannte Bierdeckelreform mittlerweile nicht mehr als Maß aller Dinge gilt. Er gilt als Gegenentwurf zu Merkel, nachdem sie ihn zu Oppositionszeiten vom Fraktionsvorsitz verdrängt hatte, um ihre Macht in der Partei abzusichern. Zur Geschichte gehört allerdings auch, dass er sich danach gekränkt zurückzog und die Partei sich selbst überließ.
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Nun erfolgt das späte Rückspiel. Wenn Merz erfolgreich ist, wird sich das nicht auf den Parteivorsitz beschränken. Dann war seine Konkurrentin vermutlich die längste Zeit Kanzlerin, dann wird Merz sie vorzeitig vom Spielfeld winken, auch wenn er damit Neuwahlen riskiert. Parteiintern ist Merz‘ Kandidatur nicht nur eine Kampfansage an Merkel: Es ist auch ein Misstrauensvotum gegen Jens Spahn, dem offenkundig auch auf der ihm zugewandten Parteiseite kein Sieg gegen Annegret Kramp-Karrenbauer zugetraut wird. Ein Messias dagegen ist eine tolle Identifikationsfigur, selbst wenn er rachsüchtig sein sollte.
Von Daniela Vates/RND