Brandenburgs Bauern wollen nachhaltiger wirtschaften

„Wir haben heute einen Weltrekord aufgestellt“, sagt der alte und neue Vorstand des Landesbauernverbandes (LBV) Brandenburg, Henrik Wendorff. „Wir haben heute den ersten digitalen Landesbauerntag veranstaltet.“ Was sonst als alle vier Jahre als ganztägiges Großereignis mit rund 600 Delegierten der 3000 Verbandsmitglieder in großen Hallen zelebriert wird, musste dieses Jahr wegen der Pandemie ins Internet verlagert werden. Ursprünglich war der Landesbauerntag für das Frühjahr auf dem Spargelhof Klaistow (Potsdam-Mittelmark) geplant gewesen. Online-Auftritte statt Reden in großer Halle: Zugeschaltet waren nun rund 200 Mitglieder. Neben dem Online-Auftritt von Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) ging es vor allem um einen jahrelang vorbereiteten Entwurf über Zukunftsperspektiven für die brandenburgische Landwirtschaft bis 2030. Das „Der neue Brandenburger Weg“ überschriebene 40 Seiten umfassende Papier wurde gestern von den Delegierten angenommen. „Wir machen damit ein Angebot“, so Wendorff. Nun brauche man eine Diskussion in Gesellschaft und Politik. Der Bauernverband will mit seinen Vorschlägen den Forderungen nach einer nachhaltigen Landwirtschaft nachkommen. Es geht dabei um eine verstärkte regionale Vermarktung der Produkte, um mehr Tierwohl und um den Schutz der Biodiversität auf dem Acker, Die Vorschläge zum Tierwohl fasst Wendorff mit den Worten „mehr Licht, mehr Luft, mehr Platz“ zusammen. Festlegen will er sich dabei nicht, denn die Verhältnisse variierten bei den Tierarten. Vor allem aber soll die Anpassung laut dem Papier nicht zu schnell gehen. Jährlich sollen etwa die Ställe für die Schweinehaltung im Schnitt um drei Prozent größer werden. Investitionen sind auf lange Zeit angelegt: Der Entwurf zeige die Bereitschaft der Bauern, sich zu verändern, aber Veränderungen müssten auch möglich sein. Schweineställe seien zum Beispiel eine auf rund 20 Jahre angelegte Investition. Wenn ein Bauer etwa aus Gründen des Emissionsschutzes keine Genehmigung für eine Erweiterung bekomme, sei das schwierig. Dabei sorge schon die Erweiterung eines Stalles für geringere Emissionen. „Wir brauchen vereinfachte Verfahren“ fordert Wendorff. Ein zentrales Thema für die Bauern sei die angestrebte regionale Vermarktung der Produkte. Brandenburg habe die Millionenstadt Berlin als Zentrum: „Wir haben damit um die 6,5 Millionen Menschen im Ballungsraum“, sagt Wendorff. Derzeit würden höchsten 30 Prozent der landwirtschaftlichen Produkte Brandenburgs direkt in diesen regionalen Markt gehen. Der größte Teil werde in andere Bundesländer oder gar andere Staaten exportiert, dort verarbeitet und komme als fertiges Produkt wieder zurück. Dem Papier zufolge gibt es zum Beispiel einen theoretischen Bedarf von 214 Millionen Kilogramm Schweinefleisch und 60 Millionen Kilogramm Rindfleisch in der Region. Ein Weg zu mehr direkter Vermarktung sieht Wendorff durch die Steuerung der Verbrauchernachfrage. Die könne gesteigert werden, indem man die Produkte mit regionalen Siegeln versehe. Der Verband fordert in diesem Zusammenhang außerdem eine regionale Schlacht- und Verarbeitungsstruktur. Insgesamt ist nach Wendorffs Ansicht die Schweinehaltung in Brandenburg ohnehin viel zu stark zurückgegangen. Die Vielfalt der Betriebe schützen: Der dringende Appell an den Landwirtschaftsminister laute, die Vielfalt der märkischen Höfe zu fördern. Die reiche vom fünf Hektar großen Nebenerwerb bis hin zum 6000 Hektar zählenden Großbetrieb. Kleine dürften etwa durch neue Fördervorschriften nicht gegen Große ausgespielt werden. Landwirtschaftsminister Vogel begrüßt das Konzept grundsätzlich und verspricht, die gewachsenen landwirtschaftlichen Strukturen auch im Rahmen der neuen gemeinsame EU-Agrarpolitik zu schützen. „Zugleich müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden für Artenschutz und eine klimaresiliente Landwirtschaft“, fordert Vogel. Verbunden mit dem Landesbauerntag war die Wahl eines neuen Vorstands – diesmal per Briefwahl. Neben Wendorff auf vier Jahre im Amt bestätigt wurden auch die beiden Vizepräsidenten Sven Deter und Heiko Terno. Neu im Vorstand sind die 34 Jahre alte Agrarwissenschaftlerin Caroline Bartsch und der 54 Jahre alte Agraringenieur Bernd Starick. Von Rüdiger Braun