Seit Sommer 2017 durchliefen sie Techniktests, nun gehen sie in den Fahrgastbetrieb: Vier elektrisch angetriebene und autonom fahrende Minibusse fahren seit Montag auf dem Campus der Charité in Berlin-Mitte. Ab Mitte April geht der Betrieb auch auf dem Campus des Virchow-Klinikums los. Das Pilotprojekt mit dem Namen „Stimulate“ wird gemeinsam von Charité, den Berlinern Verkehrsbetrieben (BVG) sowie dem Land Berlin getragen. Es kostet insgesamt 4,1 Millionen Euro. Das Bundesumweltministerium unterstützt es mit 3,2 Millionen Euro.
Die Übergabe der Busse in den Fahrgastbetrieb war der erste offizielle Termin für die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Sie sagte: „Die Mobilität in den Städten zu verändern, ist eine ganz große Aufgabe. Viele Menschen wünschen sich, dass Mobilität in den Städten anders funktioniert, dass sie weniger auf das Auto angewiesen sind.“
In Deutschland erproben wir anders als in den USA, sagt Svenja Schulze
Die Ministerin sprach auch den tragischen Unfall in den USA an, bei dem eine Frau von einem fahrerlosen Pkw tödlich verletzt wurde. „Wir in Deutschland gehen vollkommen anders vor“, sagte sie. „Wir erproben in sehr langsamen Schritten, wir erproben mit völlig anderen Geschwindigkeiten und wir wollen wirklich wissen, wie die ganze Sache so funktionieren kann, dass sie sicher ist. Denn das ist unsere oberste Priorität.“
Fahrerlose Minibusse aus Frankreich
Alle vier in Berlin zum Einsatz kommenden Shuttle-Busse kommen aus Frankreich. Zwei wurden vom Hersteller Easymile aus Toulouse hergestellt und können sechs Personen befördern. Die anderen beiden hat Navya aus Villeurbanne (bei Lyon) produziert. Sie können elf Personen aufnehmen.
An verschiedenen Stellen sind an den Fahrzeugen Sensoren und Laser angebracht. Diese scannen die Umgebung und können Hindernisse erfassen. Taucht eines auf, halten die Busse sofort an.
Mittels GPS-Sender orientieren sich die Fahrzeuge in ihrer Umgebung und kennen so ihre Routen.
Die Vorstandsvorsitzende der BVG, Sigrid Nikutta, stellte in ihrer Rede vor allem eines klar: „Nein, die Fahrer der BVG müssen sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen.“ Dafür sei die Berliner Innenstadt viel zu komplex. „Sie wird noch sehr, sehr lange menschliche Fahrer brauchen.“ Dennoch unterstütze die Verkehrsbetriebe Projekte wie diese, da sie bei derartigen neuen Entwicklungen dabei sein wollen.
Nicht nur Transportmittel, sondern auch Forschungsobjekt
Die Busse, in denen während der Anfangsphase, bis voraussichtlich Frühjahr 2019, stets Begleitpersonen mitfahren, sind aber nicht nur für den Transport da. „Stimulate“ist ein Forschungsprojekt des Landes Berlin und der Charité sowie deren Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften. Die Wissenschaftler untersuchen diverse praktische Aspekte des autonomen Fahrens – wie etwa die Akzeptanz unter den Fahrgästen. Das Projekt läuft bis zum Frühjahr 2020. Die vier Busse können elf beziehungsweise sechs Personen befördern und fahren nicht schneller als zwölf Kilometer in der Stunde. Auf den Campussen fahren sie Routen, die allesamt Ringlinien sind. Die Strecken sind zwischen 0,8 und 1,5 Kilometer lang.
Die Berliner sind in der Region nicht die einzigen, die ohne Fahrer auskommen wollen. Auf weitaus längeren Strecken will der Landkreis Ostprignitz-Ruppin das autonome Fahren öffentlicher Verkehrsmittel testen. In einem bundesweit bisher einmaligen Forschungsprojekt sollen die Busse außerhalb der Stadt auf dem flachen Land getestet werden. Der Start ist für Oktober dieses Jahres geplant.
Der Busfahrer ist zu kostbar
Für den praktischen Teil ist die Ostprignitz-Ruppiner Nahverkehrsgesellschaft (ORP) zuständig. Sie stellt die Fahrer. Wie auch in Berlin bleibt in der Anfangsphase stets eine Begleitperson im Bus. „Der konventionelle Busfahrer ist als Arbeitskraft zu kostbar, um den ganzen Tag nur darauf zu warten, dass er mal gerufen wird“, sagt ORP-Geschäftsführer, Ulrich Steffen in Hinblick auf die teils wenig frequentierten Busrouten in der Region.
Die Berliner Forscher stehen indes vor anderen Dimensionen. „Die zwei Charité-Standorte eignen sich besonders gut für das Projekt, da sie über ausreichend große Testfläche verfügen und vom öffentlichen Straßenverkehr abgegrenzt sind“, sagte die Pressesprecherin der BVG, Petra Reetz.
Nach der Jungfernfahrt mit einem der Busse zeigte sich die Umweltministerin begeistert. „Das war eine sehr angenehme Fahrt“, sagte Schulze. Die Elektro-Busse seien viel leiser als herkömmliche Fahrzeuge und würden vor Hindernissen langsam und sanft abbremsen.“
Von Annika Jensen