Recycling von Plattenbau-Elementen: Zu schade für den Schutt
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Beim Bauvorhaben Blumenviertel Brielow wurden Betonelemente aus dem Rückbau von Plattenbauten verwendet.
© Quelle: BTU Cottbus
Cottbus. Wenn sie sieht, dass ein Plattenbau abgerissen und zu Bauschutt zertrümmert wird, dann blutet Angelika Mettke das Herz. Mettke leitet an der BTU Cottbus-Senftenberg das Arbeitsgebiet Bauliches Recycling. Zerkleinerter Beton kann als Rohstoff im Straßen- und Wegebau verwendet werden oder Kies ersetzen bei der erneuten Herstellung von Beton. Betonfertigteile, wie sie im Plattenbau zum Einsatz kommen, können aber auch behutsam demontiert und erneut verbaut werden. „Untersuchungen belegen, dass die in Nutzung gewesenen Betonelemente noch hohe Gebrauchseigenschaften haben“, sagt sie. Gemäß dem Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 gehe es schließlich darum, in erster Linie den Anfall von Bauabfällen zu vermeiden, um eine möglichst hochwertige Verwendung zu erreichen.
Betonelemente beim Rückbau von WBS 70 gewonnen
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Bauingenieurin, die an der BTU eine außerplanmäßige Professur innehat, mit der Wiederverwendung von Bauelementen. Es begann in den 1980er Jahren mit dem behutsamen Rückbau von Funktionsgebäuden im Lausitzer Braunkohletagebau. Errichtet für Bergleute, mussten sie mit Vorrücken des Tagebaus oft schon nach wenigen Jahren weichen, obwohl ihre Bauweise mit Beton eine lange Lebensdauer erlaubt hätte. Durch den Rückbau konnten Bauteile weitergenutzt werden. Nach der Wende bekam das Thema mit dem Stadtumbau Ost größere Dimensionen. In Berlin und Dresden etwa konnten gute Erfahrungen zum Teilrückbau von Plattenbauten und der Rückgewinnung von Betonelementen gesammelt werden. In der Dresdner Kräutersiedlung etwa wurden von sechsgeschossigen Gebäuden vom Typ WBS 70 im Rahmen einer umfassenden Sanierung die oberen drei Etagen behutsam abgebaut. Mit den gebrauchten Betonelementen wurden Garagen, Carports und Wohngebäude errichtet.
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Dazu zählen etwa in Cottbus errichtete Stadtvillen unter Verwendung von Betonelementen des P2-Typs, außerdem eine Eigenheimsiedlung im Beetzseer Ortsteil Brielow (Potsdam-Mittelmark). In Kolkwitz bei Cottbus wurden für den Neubau des Sportlerheims 80 P2-Betonteile genutzt. „Dieses Bauvorhaben konnte in nur vier Tagen fertiggestellt werden”, berichtet Angelika Mettke. Es wurden Kosten gespart und die Umwelt wurde geschont. „Die verbauten Rohstoffe und die graue Energie, die in den Bauelementen steckt, bleiben ja erhalten“, erläutert die Recyclingexpertin von der Lausitzer Universität.
Knappe Rohstoffe wie Kies und Sand werden geschont
In Deutschland fallen nach Informationen des Umweltbundesamts jedes Jahr rund 200 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfälle an. Gleichzeitig werden die von der Bauwirtschaft genutzten Rohstoffe wie Sand und Kies in einigen Regionen immer knapper und generell teurer. Besonders energieintensiv ist die Herstellung von Zement. Dabei werden Kalkstein und weitere Bestandteile bei Temperaturen von 1400 bis 1450 Grad gebrannt. Die bei den Herstellungsprozessen notwendige Energie wird auch graue Energie genannt. Werden gebrauchte Bauelemente eingesetzt, kann ein großer Anteil der beim Neubau sonst notwendigen Energie eingespart werden. Das gilt auch beim Neubau von Einfamilienhäusern, die auf diese Weise deutlich nachhaltiger gebaut werden können.
Bisher kommt eine solche Nachnutzung noch zu selten vor, bedauert Angelika Mettke. Leichter werden könnte es, wenn das Baurecht angepasst würde. Bisher sehen die Technischen Baubestimmungen eine Verwendung von neuen Bauteilen vor. Kommt gebrauchtes Material zum Einsatz, muss jeweils eine Zulassung im Einzelfall erwirkt werden. Das ist mit einem höheren Aufwand verbunden und schreckt oftmals Interessierte ab.
Dazu kommt, dass zu wenige Bauherren überhaupt von der Möglichkeit wissen, auf Bauelemente aus dem Rückbau alter Gebäude auszuweichen. Noch entscheidender ist, dass beim Rückbau von Plattenbauten viel zu selten an diese Möglichkeit gedacht wird. So sei derzeit die Nachfrage höher als das Angebot an Bauteilen aus „Spendergebäuden”, obwohl weiterhin Teilrückbauten von Plattenbauten stattfinden, bedauert Angelika Mettke. Sie wünscht sich, dass durch einen besseren Informationsfluss mehr von dem wertvollen Material zum Einsatz kommt und hofft, dass die Forschungsergebnisse des derzeit zu bearbeitenden EU-Projektes “ReCreate: Reuse for cicular economy” dazu beitragen werden.
MAZ