Ökobilanz, Versiegelung, Wohnfläche: Das Einfamilienhaus im Faktencheck

Der Bau von Einfamilienhäusern ist politisch in die Kritik geraten, da für den Bau angeblich zu viel Bodenfläche versiegelt wird.

Der Bau von Einfamilienhäusern ist politisch in die Kritik geraten, da für den Bau angeblich zu viel Bodenfläche versiegelt wird.

Der Traum vom Eigenheim – in Deutschland lebt er nach wie vor. In Corona-Zeiten sogar noch stärker als sonst, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzen­verbandes der Wohnungs­wirtschaft (GdW). Doch um das Thema ist eine politische Debatte entbrannt: Ist das Einfamilien­haus auf der grünen Wiese ökologisch und klimapolitisch noch vertretbar? Die Vorwürfe lauten vor allem: Zu viel Fläche wird versiegelt und zu viel Ressourcen werden verbraucht. Was ist dran an der Kritik? Eine Analyse:

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„Flächenverbrauch“ ist ein Trugschluss

Versiegelung: Täglich werden in Deutschland rund 60 Hektar Fläche neu versiegelt – das entspricht rund 80 Fußballfeldern und ist doppelt so viel, wie die Bundes­regierung anstrebt. Das habe ökologische Folgen, so das Umwelt­bundesamt: Es versickert weniger Wasser, es kommt zu Überflutungen, das Mikro­klima verschlechtert sich, Böden werden unfruchtbar. Ein großer Teil der Flächen­versiegelung geht auf den Hausbau zurück, ein anderer auf den Bau von Zufahrts­straßen.

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Die Formulierung „Flächen­verbrauch“ sei allerdings ein Trugschluss, meint Corinna Merzyn, Haupt­geschäftsführerin des Verbandes Privater Bauherren (VPB): „Die Fläche wird nicht verbraucht. Meistens wird sie sogar ökologisch wertvoller genutzt als vorher.“ Denn viele Neubaugebiete seien zuvor mit Pflanzenschutz­chemie behandelte Acker­flächen mit Mono­kulturen gewesen. Einfamilien­häuser hingegen seien oft von Gärten umgeben, in denen vielerlei Pflanzen wachsen und die Lebens­räume etwa für Insekten bieten. Auch Gedaschko sieht eine Chance für biologische Vielfalt – vorausgesetzt, es entstehen keine Schotter- oder Stein­gärten.

Deutsche bewohnen immer mehr Fläche

Bautätigkeit: Das Statistische Bundesamt weist für den Zeit­raum von 2001 bis 2019 aus, dass die Zahl der gebauten Einfamilien­häuser zunächst stetig gesunken ist und sich seit etwa zehn Jahren auf knapp 100.000 eingependelt hat. Die Zahl der neu geschaffenen Wohnungen in Mehrfamilien­häusern stieg hingegen seit 2010 stark an und erreichte 2019 mit 140.000 einen Höchst­stand. Dennoch: „Zwei Drittel aller Wohn­gebäude sind Einfamilien­häuser“, sagt Gedaschko. Allerdings beträgt der Anteil an Wohnungen in Mehrfamilien­häusern insgesamt 53 Prozent des gesamten Bestandes – Tendenz steigend.

Wohnfläche: Laut Statistischem Bundesamt betrug die Wohn­fläche für Einfamilien­häuser im Jahr 2019 im Schnitt rund 130 Quadratmeter, für Wohnungen in Mehrfamilien­häusern hingegen nur knapp 70 Quadratmeter. Aber: „Im Einfamilien­haus leben oft Familien, in Wohnungen hingegen mehr Singles“, erklärt Gedaschko. Die pro Person zur Verfügung stehende Fläche sei deshalb fast gleich groß. Insgesamt bewohnen die Deutschen allerdings mehr als doppelt so viel Fläche wie vor 60 Jahren, erklärt Christine Heidmann von der Aktion Pro Eigenheim.

Klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050

Wohnlage: Heidmann plädiert für innerörtliche Nachverdichtung statt Neubau auf der grünen Wiese. „Eine Zersiedelung können wir uns heute nicht mehr leisten“, ist auch Gedaschko überzeugt. Andererseits: In vielen Städten ist Bauland knapp. Neue Einfamilien­häuser entstehen deshalb vor allem in den Speck­gürteln teurer Metropolen, sagt Merzyn. Eine Alternative ist die Nachnutzung bestehender Gebäude. Dann werden weniger Ressourcen verbraucht und die sogenannte graue Energie, die bereits im Gebäude steckt, geht nicht verloren. „Mit dem Thema Abriss sollte viel sorgfältiger umgegangen werden“, meint Gedaschko deshalb. Förder­programme wie „Jung kauft Alt“ unterstützen den Erhalt von Altbauten.

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Ökobilanz: Politisches Ziel in Deutschland sei es, bis 2050 einen klima­neutralen Gebäude­­bestand zu erreichen, sagt Matthias zu Eicken, Referent für Wohnungs­­politik beim Eigentümer­­verband Haus und Grund. Das gelte für alle Gebäude­arten gleichermaßen. Private Eigentümer seien besonders häufig bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen.

Kettenhäuser hinterlassen geringen ökologischen Fußabdruck

Einfamilien­häuser verbrauchen verglichen mit Mehrfamilien­häusern in der Regel mehr Energie und Material – unter anderem weil sie verhältnis­mäßig viel Außen­fläche besitzen. Andererseits können sie sich selbst mit Energie versorgen, etwa durch Solar­anlagen oder Wärmetauscher. „Bei Gebäuden mit mehr als sechs Geschossen ist das in der Regel nicht möglich“, sagt Gedaschko. Die CO₂-Bilanz falle bei Einfamilien­häusern außerdem gut aus, wenn sie zum Beispiel mit Holz aus nachhaltiger Forst­wirtschaft gebaut werden.

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Perspektive: Zu Eicken ist der Ansicht, dass die Entscheidung, wo was gebaut werden darf, den Kommunen überlassen bleiben sollte. Sie könnten etwa auf kleine Grundstücks­zuschnitte und eine kompakte Bebauung hinwirken, ergänzt Merzyn. Heidmann rät dazu, Wohn­flächen möglichst gering und Grund­risse flexibel zu planen – auch aus Kosten­gründen: „Jeder eingesparte Quadrat­meter entlastet das Baubudget um bis zu 5500 Euro.“ Doppel-, Reihen- und Ketten­häuser hinterlassen einen vergleichsweise geringen ökologischen Fuß­abdruck. Dazu tragen auch eine nachhaltige Bauweise, moderne Technik und lange Lebens­zyklen der Gebäude bei.

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