Blankenfelder Bahn-Surfer geht in Flammen auf: Gerichtsurteil nach acht Jahren gefällt
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Ein Schüler aus Blankenfelde erlitt einen 15.000 Volt starken Stromschlag. Nun landet der Fall vor dem Bundessozialgericht.
© Quelle: Jens Büttner/DPA
Blankenfelde. Der Fall erschütterte die ganze Region. Im Januar 2015 kletterte ein damals 15-jähriger Schüler aus Blankenfelde (Teltow-Fläming) auf das Dach des RE 3. Die Mutprobe endete fast tödlich. Auf dem Dach des Triebwagens schlug ein 15.000 Volt starker Lichtbogen über und setzte den Jungen in Flammen. Schwer verletzt überlebte er im Unfallkrankenhaus Marzahn.
Seit acht Jahren beschäftigt der Fall des leichtsinnigen Bahn-Surfers nun schon die Justiz. Am Donnerstag (30. März) beugten sich die Richter des Bundessozialgerichts in Kassel über die Fallakten. Denn die Unfallkasse Brandenburg weigerte sich, das Unglück als Schulwegeunfall anzuerkennen.
Bundessozialgericht: Bahn-Surfer aus Blankenfelde war unfallversichert
Das Bundessozialgericht sah das anders und entschied nun für den Schüler. Die Kasseler Richter argumentierten unter anderem, der Aufstieg auf die Lok habe den unmittelbaren Heimweg von der Schule nicht unterbrochen. Schüler seien im Rahmen „schülergruppendynamischer Prozesse“ unfallversichert. Das gelte auch für den Fall des Bahn-Surfers, der in seinem Freundeskreis habe als „cool“ gelten wollen.
Jugendlicher aus Brandenburg beim Bahn-Surfern schwer verletzt: Unfallkasse zahlt nicht
Die beklagte Unfallkasse Brandenburg hatte die Übernahme der Behandlungskosten abgeleht. Sie argumentierte, zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit bestehe „kein innerer sachlicher Zusammenhang“. Dagegen hatte der Schüler zunächst erfolgreich vor dem Sozialgericht Potsdam geklagt. In zweiter Instanz verneinte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg aber diese Einstufung als Wegeunfall und wies die Klage ab. Gegen die Entscheidung legte der Kläger nun erfolgreich Revision ein.
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Nach Angaben der Bundespolizei war der Junge gemeinsam mit einem Freund am Bahnhof Rangsdorf im Zug bis ganz ans Ende gelaufen und hatte dort, als der Zug losgefahren war, die Sicherheitstür mit einem Vierkantschlüssel geöffnet, um an dem Triebwagen hochzuklettern.
Bahn-Surfer aus Brandenburg: Zeugen hörten lauten Knall – dann stand der Junge in Flammen
Das war brandgefährlich: Zeugen berichteten damals von einem lauten Knall und einem Lichtbogen – einer kontaktlosen Spannungsentladung aus der 15.000 Volt starken Oberleitung. In Flammen stehend gelangte der Junge zurück in den Zug, wo ihn andere Fahrgäste löschten und am Bahnhof Dahlewitz (Teltow-Fläming) den Rettungskräften übergaben.
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Spezialisten behandeln den Jungen im Zentrum für Schwerbrandverletzte des Marzahner Klinikums. Laut Bundespolizei und Ärzten erlitt der 15-Jährige Verbrennungen zweiten und dritten Grades sowie ein Schädel-Hirn-Trauma. 35 Prozent seiner Körperoberfläche waren verbrannt.
Stromschlag beim Bahn-Surfen: Ist das noch ein Schulwegeunfall?
Wer übernimmt in einem solchen Fall die Behandlungskosten? Anders als zunächst das Potsdamer Sozialgericht hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Sichtweise der Unfallkasse geteilt und argumentiert, dass der Schutz bei Schulwegunfällen zwar auch „für spielerische Betätigungen zu bejahen“ sei, wenn diese sich unter Berücksichtigung „besonderer schülergruppendynamischer Prozesse“ noch im Rahmen hielten.
Im Fall des Bahn-Surfers konnten die Landessozialrichter aber keine derartige besondere Gruppendynamik erkennen. Der Geschehensablauf lasse vielmehr eine „zielgerichtete Zäsur der versicherten Heimfahrt“ erkennen. Außerdem habe der Schüler, damals fast schon 16jährig, über die geistige Reife verfügt, um die Gefahr seiner Aktion einschätzen zu können.
2013 war ein ähnlicher Fall in Rathenow (Havelland) nicht so glimpflich ausgegangen. Ein 13-Jähriger war am Bahnhof auf einen Kesselwagen geklettert und hatte einen Stromschlag erlitten. Wenige Tagen später starb er.
MAZ