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Streit um Kita-Satzungen

Das ist der Mann hinter den Kita-Beiträgen

Elternbeiträge sorgen in Brandenburg immer wieder für Ärger.

Elternbeiträge sorgen in Brandenburg immer wieder für Ärger.

Potsdam. Benjamin Wagner steht nicht im Rampenlicht. Aber das Ergebnis seiner Arbeit bewegt viele Eltern in Brandenburg. Wagner arbeitet beim Institut für Public Management in Berlin (IPM). Seine Fachgebiete: Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, Controlling, Kosten- und Leistungsrechnung und Gebührenkalkulationen.

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Und es sind gerade diese Kalkulationen, die immer wieder Unmut und Unverständnis auf Seiten der Elternschaft provozieren. Denn Benjamin Wagners Job besteht darin, dass er im Auftrag von Gemeinden Kita-Elternbeiträge berechnet.

Benjamin Wagner arbeitet für das Institut für Public Management (IPM) und erstellt im Auftrag von Gemeinden Kita-Kalkulationen

Benjamin Wagner arbeitet für das Institut für Public Management (IPM) und erstellt im Auftrag von Gemeinden Kita-Kalkulationen

Als das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) vor zwei Wochen einmal mehr über Elternklagen gegen aus ihrer Sicht unfaire Kita-Satzungen verhandelte, da musste Wagner in die Bütt und die Fragen der Richter und der Klägeranwälte beantworten.

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„Ich habe für die beklagte Stadt Altlandsberg die rechnerische Kalkulation der Elternbeiträge erstellt und auch erfolgreich verteidigt“, erklärt Wagner. „Auch wenn ich jetzt den nachvollziehbaren Missmut der Eltern auf mich ziehe: Das Urteil ist aus Perspektive unseres Kita-Gesetzes die richtige Entscheidung.“ Das Gericht hatte alle Klagen der Eltern zurückgewiesen.

Geklagt hatten Eltern aus Wustermark (Havelland), Tauer (Spree-Neiße) und eben Altlandsberg (Märkisch-Oderland). Es ging um die Frage, ob Kommunen die Personalkostenzuschüsse des Landes richtig ansetzen, um die soziale Staffelung von Satzungen und um die Frage, ob Grundstückskosten auf die Eltern umgelegt werden dürfen. Dürfen sie, entschieden die obersten Richter.

Das sächsische Gesetz ist eindeutiger

Wagner weiß, dass gerade die Frage, welche Kosten eine Gemeinde an Eltern weitergeben darf, oft für Unmut sorgt. Aus seiner Sicht ist die Rechtslage klar: Selbst wenn eine Kommune einem Kita-Träger ein Grundstück kostenfrei zur Verfügung stellt, dann kann der Träger Kommune sogenannte kalkulatorische Mietkosten ansetzen und in die Kita-Beiträge einfließen lassen.

„Das hat das Oberverwaltungsgericht nun schon zum zweiten Mal bestätigt“, sagt Wagner. Allerdings sei das Brandenburger Kita-Gesetz hier nicht so eindeutig wie das sächsische: Darin ist die Einbeziehung von Mietkosten in die Elternbeiträge explizit ausgeschlossen.

Die meisten Städte lassen sich beraten

Kita-Satzungen sind ein heikles und kompliziertes Geschäft. Deswegen suchen sich Kommunen Hilfe bei professionellen Beratungsfirmen. Das Institut, für das Wagner arbeitet, berät Bundesbehörden, Landesministerien und zahlreiche Kommunen. Auf der Referenzliste des IPM stehen unter anderem die Städte Hennigsdorf, Kremmen, Lübben, Ludwigsfelde, Treuenbrietzen, Gransee, Falkensee sowie die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und die Uckermark.

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Die Kommunalberater haben derzeit viel zu tun. Das ist einerseits eine Spätfolge von früheren Kita-Urteilen, als etwa die Satzung von Rathenow (Havelland) gekippt wurde oder die Elternanteile für die Mittagverpflegung moniert wurden. Dadurch sind etliche Kommunen in Zugzwang geraten, sie mussten ihre Satzungen überarbeiten lassen.

Es mangelt an Fingerspitzengefühl

Gemeinden lassen ihre Satzungen aber auch überarbeiten, weil sie mit den Kosten, den der Kita-Betrieb verursacht, nicht mehr zurande kommen. „Die Personalkosten für die Gemeinden sind deutlich gestiegen“, erklärt Wagner. Die Folge: Elternbeiträge werden angehoben. „Da fehlt den Gemeinden oft das Fingerspitzengefühl“, sagt der Kommunalberater. „Es ist aber auch immer schwer einzuschätzen, bei welchem Jahreseinkommen welcher Kita-Beitrag zumutbar ist.“

Und einen Begriff finde man mit Blick auf die Elternbeiträge im Kita-Gesetz nun mal nicht, nämlich das Wort „gerecht“, meint Wagner. „Was gerecht ist, steht nirgendwo. Was sozial ist, steht auch nirgendwo. Die Kalkulation macht also nur eines, sie ermittelt einen Preis für eine marktfähige Leistung. Wir sind Betriebswirtschaftler.“

Neuer Ärger durch Gute-Kita-Gesetz?

Und oft genug auch Buhmänner und Sündenböcke. Wenn Wagner auf Einladung der Gemeinden das Zustandekommen einer neuen Kita-Kalkulation erklären soll, werde er oft auch persönlich angegriffen. Für die Gerechtigkeit und den sozialen Ausgleich aber müssten die Gemeindevertreter oder Stadtverordneten sorgen. „Das ist Aufgabe der Politik. Dafür sind die Volksvertreter gewählt“, meint der 35-Jährige, der selbst Vater von zwei Töchtern im Kita-Alter ist.

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Der Streit um die Satzungen wird weitergehen, befürchtet Wagner. Auch wegen der Änderungen, die das Gute-Kita-Gesetz in Brandenburg mit sich bringt. Mit einem Teil der 165 Millionen Euro des Bundes sollen in Brandenburg einkommensschwächere Familien entlastet werden.

Bei einem Jahreseinkommen bis 20.000 Euro sollen Eltern keine Kita-Beiträge mehr zahlen. „Das ist natürlich besonders für die Eltern ärgerlich, die knapp darüber verdienen und weiterhin 100 Euro im Monat zahlen müssen“, meint Wagner.

Sein Rat an die Gemeinden: Redet mehr mit den Menschen, erklärt eure Entscheidungen besser. „Ich rate den Kommunen immer, sie sollen die größte Mehrzweckhalle mieten, wenn sie die Kita-Satzung verändern. Dann sitzt man bis nach Mitternacht, kann aber auch jede einzelne Frage von Eltern beantworten“, sagt Benjamin Wagner.

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Von Torsten Gellner

MAZ

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