Die Leitbache spürt, wenn der Jäger kommt
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Klaus Grüneberg aus Blankenfelde-Mahlow zieht wieder auf Wildschweinjagd.
© Quelle: MAZ/Krause
Blankenfelde-Mahlow. Klaus Grüneberg ist jetzt oft in seinem Jagdbezirk unterwegs. Auch ihn treibt die Sorge vor der Afrikanischen Schweinepest um, die Polen bereits erreicht hat. Der 68-jährige Weidmann aus Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fläming) hat mit einem Partner rund 630 Hektar zur Jagd gepachtet – ein Gebiet aus Wiesen, Feld, Wald, Schilf und Sumpf. „Im Revier gibt es das komplette Programm. Rehe, Hasen, Füchse, Enten und jede Menge Wildschweine“, sagt Grüneberg. Die Wildschweine gelten derzeit als Hauptproblem in den deutschen Wäldern, denn sie sind potenzielle Überträger der Schweinepest.
Noch ist hierzulande zwar kein Fall der für den Menschen ungefährlichen Tierseuche fesgestellt worden, aber das Problem wächst. Sollten Hausschweine angesteckt werden, hätte das gravierende Folgen, der Handel mit deutschem Schweinefleisch könnte erheblich leiden, Drittländer würden deutsche Importe sofort stoppen. „Das ist der Alptraum für jeden Bauern“, sagt Grüneberg. Der studierte Landwirt, der viele Jahre bei der Jagdbehörde im Landkreis gearbeitet hat, weiß, wovon er spricht.
Grünebergs Revier liegt in Autobahnnähe, der Berliner Südring und die Bundesstraße 96 führen durch den Jagdbezirk. Allein ein kontaminiertes Wurstbrot – achtlos am Fahrbahnrand zurückgelassen – könnte am Beginn der Seuchenkette stehen. „Wir schauen verstärkt nach verendeten Tieren und bemühen uns, deutlich mehr Wildschweine zu erlegen, um die Bestände niedrig zu halten und das Infektionsrisiko zu senken“, so Grüneberg. Im vergangenen Jagdjahr – ein Jagdjahr reicht von Anfang April bis Ende März – waren es landesweit etwa 76 500 Stück Schwarzwild.
Mehr betroffene Wildschweine
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist hoch ansteckend, sie verläuft bei Wild- und Hausschweinen meist tödlich, ist aber für den Menschen ungefährlich. Brandenburg gehört nicht zu den großen Schweinefleisch-Produzenten. 784 000 Tiere werden in der Mark gehalten. Sobald ein Schweinestall befallen ist, müssten alle Tiere eines Stalls getötet werden. Nach Schätzungen leben in Brandenburgs Wäldern etwa 230 000 Wildschweine. Im Zeitraum vom 22. bis 28. Januar gab es in Polen 104 neue Ausbrüche bei Wildschweinen. Insgesamt hat sich damit die Gesamtzahl seit Ausbruch der ASP auf jetzt 1222 erhöht. Auch Litauen ist erheblich betroffen. Insgesamt gab es in der EU im Vorjahr 114 Ausbrüche bei Hausschweinen und 2192 bei Wildschweinen.
Seit Jahren wächst die Wildschweinpopulation stark an. „Allein durch den verstärkten Mais- und Rapsanbau ist ausreichend für Nahrung gesorgt. Dazu kommen milde Winter, die den Tieren nicht mehr allzu viel ausmachen.“ An der Vermehrung der Schwarzwildbestände sind neben älteren Bachen, die sechs bis neun Frischlinge zur Welt bringen können, inzwischen bis zu 80 Prozent auch Frischlingsbachen beteiligt. „Frischlinge haben selbst Frischlinge – im Durchschnitt fünf Nachkömmlinge“, sagt Grüneberg. Über 50 Prozent des Zuwachses stammt von diesen nicht einmal einjährigen Bachen.
Die Rechnung, die der Jäger aufmacht, ist einfach, zeigt aber die ganze Dramatik. Um einen Frühjahrsbestand an Sauen auf etwa 100 Tiere zu halten, müssen angesichts des massiven Zuwachses von 200 bis 300 Prozent bis zu 300 Tiere jährlich zur Strecke gebracht werden. Dabei ist Wildschweinjagd kein einfaches Unterfangen, denn „Schwarzwild ist sehr lernfähig“, wie Grüneberg sagt. Nicht nur einmal in der Woche schlägt er sich mit zwei bis drei Weidgenossen die Nacht um die Ohren und verbringt Stunden auf dem Hochsitz, bevor ein Wildschwein ins Visier gerät. Die Tiere sind sehr misstrauisch und spüren aus Erfahrung, wo der Jäger ihnen gewöhnlich nachstellt. Sie haben ein sehr gutes Gehör und einen noch besseren Geruchssinn. „Ich habe das Gefühl, erfahrene Leitbachen wissen, wenn ich die Haustür zumache und in den Wald oder aufs Feld komme“, so Grüneberg.
Für die Jäger – die meisten gehen ihrer Passion in der Freizeit nach – bedeute es einen erheblichen Aufwand, die Zahl der Wildschweinabschüsse, wie jetzt von Bauernverbänden gefordert, immer weiter zu erhöhen. „Wir tun, was wir können, aber die Rotten verteilen sich im Jahreslauf sehr unterschiedlich in der Fläche. Dazu kommen Rückzugsräume wie Naturschutzgebiete, wo die Jagd ganz oder teilweise eingeschränkt ist.“ Grüneberg ist Vizechef des knapp 800 Mitglieder zählenden Jagdverbandes Teltow-Fläming. Er sucht den Ausgleich mit den Naturschützern. „Krawall ist nicht mein Ding, auch wenn wir Jäger manchmal an den Pranger gestellt werden.“ Allerdings seien rigide Jagdbeschränkungen gerade in Zeiten von Tierseuchen fatal.
Das Fleisch der geschossenen Tiere vermarktet Grüneberg auf seinem Hof selbst. In der Kühlkammer liegen in Folie verpackte vakuumierte Fleischpakete. „Die kann ich bis zu einem halben Jahr einfrieren.“ Aber so lange dauert es nicht. Grüneberg hat trotz der Aufregung um die Afrikanische Schweinpest seine Stammkunden. Landesweit nehmen die Absatzprobleme beim Wildbret aber zu. Für viele Jäger stellt sich die Frage, was mit dem Fleisch werden soll, das durch die geforderten höheren Abschusszahlen zusätzlich anfällt. Grüneberg erwartet dazu Lösungen – auch von der Landesregierung.
Die vom Land eingeleiteten Schutzmaßnahmen gegen die Tierseuche hält er ansonsten für sinnvoll. Seit Anfang Januar bekommen Jäger, die Proben toter Wildschweine untersuchen lassen, 30 Euro pro Tier. Ab April gibt es 50 Euro pro erlegtem Wildschwein, das über der Zahl der in der Saison 2015/2016 im Jagdbezirk geschossenen Tiere liegt. Nur eines kann Jäger Grüneberg nicht verstehen: Warum für Jagdhunde immer noch Hundesteuer gezahlt werden muss. Waldi und Co. seien doch auch „im öffentlichen Auftrag“ unterwegs und für die Jagd oft unerlässlich.
Von Volkmar Krause
MAZ