Diese 83-Jährige pflegt ihren 84-jährigen Ehemann
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Die 83-jährige Renate Knöller (M.) pflegt ihren Mann Werner (l.) allein in ihrem gemeinsamen Zuhause. Anne-Marie Mater (r.), ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin beim Berliner Experten Pflege Service, berät das Paar in allen Pflegeangelegenheiten.
© Quelle: Diana Bade
Zossen. Sie ist 83 Jahre, er ist 84. Für Renate Knöller war es dennoch selbstverständlich, dass sie die Pflege ihres nur ein Jahr älteren Ehemannes übernimmt. "Da box' ich mich durch", sagte sich die Brandenburgerin aus Zossen (Teltow-Fläming) vor einem Jahr im Februar, als es ihrem Mann Werner zunehmend schlechter ging.
Durch eine Erkrankung seiner Lunge war er plötzlich auf die ständige Versorgung mit Sauerstoff angewiesen. Das Gehen und Treppensteigen fiel ihm schwer, ohne die Pflege und Unterstützung seiner rüstigen Frau hätte er nicht länger allein in den eigenen vier Wänden leben können.
Fragen über Fragen
Doch wann braucht er seine Medikamente? Wie helfe ich meinem Mann aus der Badewanne? Und wie erledige ich den Schreibkram für die Pflegekasse? „Essen kochen, waschen und einkaufen – das habe ich hingekriegt, aber bei allem anderen ging ich auf dem Zahnfleisch“, sagt sie.
Durch einen Zufall erfuhr die Brandenburgerin, dass sie als pflegende Angehörige Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung ihrer Krankenkasse hat. So sieht es der Gesetzgeber vor, wenn ein Pflegebedürftiger bereits einen Pflegegrad hat und Pflegegeld bezieht.
Im Sommer 2017 bekam das Ehepaar Knöller Besuch von einer freundlichen, jungen Frau, die die 83-Jährige für ihren Pflegealltag zu Hause instruierte: Anne-Marie Mater gehört als ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin zum Team der Berliner Experten Pflege Service EPS. Das Unternehmen mit seinen 23 Beschäftigten berät jährlich 5000 Versicherte der AOK-Nordost.
„Die Entscheidung bleibt bei Ihnen“
In einem anderhalbstündigen Erstgespräch erfuhren die Knöllers, dass nicht nur die zu pflegenden Familienmitgliedern, sondern auch die Helfer allerlei Hilfe bekommen können. „Ich wusste zum Beispiel nicht, dass mir jemand beim Antrag für den Schwerbehindertenausweis zur Seite steht“, sagt Renate Knöller. Auch dass es bei Hilfsmitteln wie einem Rollator oder Rollstuhl finanzielle Unterstützung gibt, war der 83-Jährigen neu. „Für uns war es ein Glück, dass Frau Mater kam und uns alles erklärt hat.“
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Bei ihren Besuchen macht sich die gelernte Krankenschwester zunächst ein Bild von der Gesamtsituation ihrer Klienten. Wie gestaltet sich der Alltag? Welche Probleme tauchen auf? Wie sieht das Wohnumfeld aus? Anne-Marie Mater hört bei den Gesprächen genau hin, damit sie den pflegenden Angehörigen anschließend erklären kann, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt.
In vielen Fällen muss die Pflegeexpertin den Familien zunächst klarmachen, dass sie ihnen nichts wegnehmen will, sondern dass ihre Beratung dazu dient, die pflegenden Angehörigen und die Pflegebedürftigen langfristig zu unterstützen. „Auch wenn es aus unserer Sicht sinnvoll wäre, einen ambulanten Pflegedienst einzuschalten, würden wir es den Leuten niemals aufdrängen. Die Entscheidung bleibt bei ihnen.“ Langfristig sei das Ziel, dass die Klienten möglichst lange selbstständig in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben können.
„Völlig okay, sich einmal herauszunehmen“
Oft gehe es bei ihren Besuchen um Themen wie Ernährung, Zuschüsse zur altersgerechten Wohnraumgestaltung und zur medizinischen Versorgung. „Viele sind froh, dass sie mit uns keinen Schreibtischtäter vor sich haben, sondern jemanden, der viel Zeit mitbringt und den Betroffenen zuhört“, sagt Anne-Marie Mater.
So berichtete Renate Möller im Gespräch mit der Beraterin, dass sie Probleme hat, ihrem Mann aus der Badewanne zu helfen. Ihn nach dem Bad abzutrocknen und einzucremen, bereite ihr hingegen keine Mühe, auch wenn das Paar am Morgen mehr Zeit als früher benötige, um sich zu waschen und anzuziehen.
Von der Pflegeexpertin erfuhr das Ehepaar, dass es Zuschüsse von der Pflegekasse gibt, um das Bad so umzubauen, so dass der Einstieg in die Wanne leichter für Werner Knöller wird. Sie erfuhren zudem, dass sie sich die Stromkosten für das Sauerstoffgerät erstattet lassen können. Auch Haushaltshilfen, die waschen, einkaufen und Fahrdienste übernehmen, bezahlen Pflegekassen im Regelfall je nach Ausmaß der Unterstützung.
Doch nicht nur im Wohnumfeld gibt es für pflegende Angehörige einiges zu regeln. Bei den Pflegenden handelt es sich oft um Frauen zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr, die sich voller Hingabe um ihren Partner oder die Eltern kümmern – ein Rund-um-die-Uhr-Job, der an die Grenzen geht, weil viele pflegende Angehörige Hilfsangebote nicht nutzen oder nicht wissen, dass sie existieren.
Anne-Marie Mater ermutigt die pflegenden Angehörigen deshalb, dass es „völlig okay ist, sich auch einmal herauszunehmen“. „Angehörige merken oft zu spät, dass sie überlastet sind, weil sie es sich nicht eingestehen oder weil ihnen Entlastungsangebote nicht bekannt sind“, erklärt Mater.
Auch mal Zeit für sich nehmen
Umso wichtiger sei es, dass sie sich regelmäßig ein paar Stunden für sich gönnen, ob beim Hobby oder einem Theaterbesuch mit Freunden. Auch eine Sonderunterstützung für die Helfer gibt es einmal im Jahr für den Fall, dass sie in den Urlaub fahren wollen oder beruflich verhindert sind.
Demnächst allein zur Hochzeit ihres Enkelkindes in Aschaffenburg zu fahren, kam für Renate Knöller trotzdem nicht infrage. „Mein Mann und ich, wir gehören zusammen und ich will ihn nicht allein lassen.“ Trotzdem ist die 83-Jährige dankbar, dass sie im Fall der Fälle jetzt weiß, wo sie professionelle Hilfe bekommt.
Von Diana Bade
MAZ