Hilferuf vom „Apfelpapst“: Müncheberger Versuchsstation bedroht
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Alte Apfelsorten sind lecker.
© Quelle: dpa
Müncheberg. Landsberger Renette, Edle Kavelle, Rosenapfel und Sommerparmäne: Diese und andere Apfelsorten klingen unseren Großmüttern noch in den Ohren. Es sind jahrhundertealte Sorten, die fast von der Bildfläche verschwunden sind. In der Landes-Obstbauversuchsstation in Müncheberg (Märkisch-Oderland) kann man die edlen Früchte aber noch finden. Hier stehen auf 32 Hektar mehr als 7000 Bäume von etwa 1000 Apfel- und über 100 Birnensorten. Die Sammlung gilt als bundesweit einzigartig. Sie hütet Obsttypen, die die Supermärkte nicht mehr anbieten. Bei Äpfeln beschränkt sich der Einzelhandel meist auf fünf bis sechs Sorten, weil das rentabler ist.
Mit den alten Obstsorten stirbt auch das Wissen um deren Anbau und Kultivierung. „Alle vier Jahre halbiert sich unser Wissen, auch Naturwissen“, mahnt der Pomologe Hilmar Schwärzel, seit 30 Jahren Chef der Versuchsstation und unter Fachleuten als „Brandenburger Apfelpapst“ bekannt. Die vor genau 90 Jahren eröffnete Einrichtung ist beim Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) angegliedert.
Grüne im Landtag und Bürgerinitiative kritisieren Umbau
Doch nicht nur alte Obstsorten sind bedroht, die Landes-Obstbauversuchsstation ist es anscheinend auch selbst. Die Grünen im Brandenburger Landtag und eine Bürgerinitiative kritisieren Umstrukturierungen in der Versuchsanstalt, bei denen befristete Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern nicht verlängert werden. Betroffen sind den Angaben nach drei Stellen. Hintergrund: Die Versuchsstation war für zwei Jahre aus dem Landesamt für Ländliche Entwicklung herausgelöst und dem Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) angegliedert worden. Damit verbunden waren erweiterte Personalmittel, die nunmehr wieder entfallen würden.
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Hilmar Schwärzel (links) im Fachgespräch. Der ausgewiesene Obstexperte leitet die traditionsreiche Obstbauversuchsstation des Landes Brandenburg in Müncheberg.
© Quelle: Thomas Hahn
Die Versuchsstation könne so nur Bestandsverwaltung betreiben, aber keine Forschungseinrichtung sein, erklärt der Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke (Grünen). Kerstin Hellmich, Chefin der „Bürgerinitiative zum Wiederaufbau der Obstbauversuchsanstalt“, fordert, die einzigartigen obstgenetischen Ressourcen von Müncheberg zu erhalten. Sie zählten zum nationalen Kulturerbe Deutschlands. In vielen Ecken der Mark finde man alte Obstbaumgärten und Plantagen, die mangels Fachwissen kein Mensch mehr pflege. Das Müncheberger „Testlabor auf dem Feld“ scheint wichtiger denn je.
„Wir wollen eine Rückbesinnung. Dazu veranstalten wir Sortenschauen und Obstverkostungen“, sagt Hilmar Schwärzel. Wenn etwa Hobbygärtner alte Apfelsorten veredeln, könnten diese weitere 100 Jahre bestehen. Der Müncheberger Gen-Pool sei nicht in Akten zu verwalten. Es müsse vielmehr „am Baum gearbeitet“ werden. Weithin unbekannt ist, dass auf einem Teil der Versuchsfelder jedermann Obst pflücken kann. Besucher kommen aus ganz Europa. Schwärzel schwärmt vom Apfel „Borsdorfer Renette“, der schon 1831 in der Potsdamer „Alexandrowka“-Siedlung angepflanzt worden sei. Den „Deutschen Katzenkopf“ kennt er natürlich auch: eine Bratbirne, die zwar roh nicht besonders schmeckt, gebacken aber um so mehr mundet. Dank der Müncheberger Forschung gibt es noch Exemplare.
Bürgerinitiative: Drei weitere Stellen sind unerlässlich
Perspektivisch würden laut Landesplanung nur Hilmar Schwärzel, eine Sachbearbeiterin und zwei weitere Mitarbeiter in der Landes-Obstbauversuchsstation beschäftigt. „Das ist zu wenig“, kritisiert Tino Schmidt von der Bürgerinitiative. Drei weitere Stellen seien unerlässlich, um den Personalstand von 2013 zu erreichen.
Im zuständigen Agrarministerium widerspricht man der Darstellung. „Unser Haus hat die Station in einer Phase, als deren Zukunft nicht mehr gesichert war, nicht im Regen stehen lassen, sondern finanziell, personell und organisatorisch gerettet“, erklärt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Er verweist auf klamme Landeskassen in der vorletzten Legislaturperiode, die zur Kürzung von Mitteln führten. Um das Aus der Obstbauversuchsstation zu verhindern, sei sie zeitweise vom Leibnitz-Zentrum übernommen worden. „Dies gelang auch nur, weil unser Haus dafür Geld zur Verfügung stellte“, so Schade.
Das Land sichere Schade zufolge „technisch-gärtnerische Arbeiten“ in der Station mit eigenem Personal aus dem Landesbetrieb Forst ab. Grüne und Bürgerinitiative hadern aber mit dem Einsatz der Forstleute Vielmehr sei Fachpersonal nötig. Weil dies fehle, fänden schon seit Jahren keine obstbaulichen Versuche mehr statt.
Hilmar Schwärzel will das als Landesbediensteter nicht kommentieren. Nur so viel: Sein Dienstort dürfe kein reines Agrarmuseum werden.
Von Jens Rümmler