KZ-Prozesse: Für Romani Rose geht es um „Schuldfeststellung“
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Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, wartet auf den Beginn der Verhandlung gegen einen ehemaligen KZ-Wachmann. Anlass für seine Anwesenheit ist ein Gutachten über die Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus, welches für das Verfahren erstellt wurde. Der inzwischen 101-jährige Angeklagte soll zwischen 1942 und 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin wissentlich und willentlich Hilfe zur Ermordung von Lagerinsassen geleistet haben.
© Quelle: Monika Skolimowska/dpa
Brandenburg/Havel. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, hat die Bedeutung auch später Prozesse wegen NS-Verbrechen unterstrichen. „Es geht um Schuldfeststellung, nicht um Rache oder darum, einen alten Mann noch ins Gefängnis zu bringen“, sagte Rose am Freitag vor Beginn des 22. Verhandlungstags im Prozess gegen einen mutmaßlichen früheren KZ-Wachmann in Brandenburg/Havel. „Aber unsere Gesellschaft muss sich von solchen Tätern distanzieren.“
101-Jähriger soll SS-Wachmann in Sachsenhausen gewesen sein
„Für uns ist wichtig, dass sich solche Täter verantworten müssen, die am Holocaust mit 500 000 Opfern der Sinti und Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa beteiligt waren“, sagte Rose. Solche Prozesse seien zur historischen Aufarbeitung wichtig und nach Urteilen auch dafür geeignet, Holocaust-Leugnern mit Tatsachen entgegentreten zu können. Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Neuruppin ist ein 101-Jähriger aus Brandenburg/Havel angeklagt, der als SS-Wachmann in dem Konzentrationslager von 1942 bis 1945 Beihilfe zum Mord an mindestens 3518 Häftlingen geleistet haben soll.
Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf Dokumente zu einem SS-Wachmann mit dem Namen, dem Geburtsdatum und dem Geburtsort des Angeklagten. Das Verfahren wird aus organisatorischen Gründen in einer Sporthalle in Brandenburg/Havel geführt. Im Prozess hatte auch der Historiker Stefan Hördler zahlreiche Belege zur Tätigkeit des Mannes in SS-Wachkompanien vorgelegt. Der Angeklagte bestritt dagegen bisher energisch, in dem KZ als Wachmann gearbeitet zu haben.
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Hördler schilderte am Freitag, wie sich die Zustände im KZ Sachsenhausen gegen Ende 1944 zunehmend verschlechterten, nachdem es zahlreiche Transporte aus den evakuierten Konzentrationslagern im Osten wie Auschwitz gab. Daraufhin seien Tausende Häftlinge aus Sachsenhausen in „Sterbelager“ wie Bergen-Belsen deportiert worden. Ab Mitte April sei auch das KZ Sachsenhausen geräumt worden, berichtete Hördler. Bei diesen von SS-Mannschaften bewachten Todesmärschen seien Tausende Häftlinge gestorben, viele seien erschossen worden.
Zeugen aus Frankreich und Israel
Mitte Februar 1945 sei der Angeklagte als „kriegsverwendungsfähig“ vermerkt worden, um zu einer Feldeinheit der SS in Marsch gesetzt zu werden, berichtete der Historiker. Der 101-Jährige hatte im Prozess erklärt, er sei zum Kriegsende nach Kolberg abkommandiert worden, um als Zivilarbeiter Schützengräben zu schaufeln und Unterkünfte zu bauen. Anschließend sei er bis Juni 1946 in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen, sagte er.
Der Prozess soll Mitte Februar fortgesetzt werden. Dann will das Gericht die stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Sachsenhausen, Astrid Ley, als Sachverständige befragen. Anschließend will das Gericht weitere Überlebende des Lagers als Zeugen hören. Darunter ist ein Überlebender aus dem rheinischen Moers, der vier Jahre lang in dem KZ inhaftiert war. Zudem sollen weitere Überlebende aus Frankreich und Israel gehört werden. Ein Urteil könnte Ende April gesprochen werden. Bis dahin kündigte der Vorsitzende Richter Udo Lechtermann neue Verhandlungstermine an.
Von RND/dpa