Geschichte Potsdams

Potsdamer Künstler erinnern sich an die Wendezeit

Künstlertreff: Thomas Kumlehn, Monika Schulz-Fieguth, Susanne Fienhold Sheen und Lothar Krone (v. l.)

Künstlertreff: Thomas Kumlehn, Monika Schulz-Fieguth, Susanne Fienhold Sheen und Lothar Krone (v. l.)

Potsdam. Der Potsdamer Maler und freie Mitarbeiter dieser Zeitung, Lothar Krone, las einen zusammenfassenden Bericht eines Stasioberstleutnants über ihn vor: „Krone ist von sich als Maler sehr überzeugt“, hieß es da. „Charakterlich ruhig, teilweise verschlossen“ sei er oft im Café Heider anzutreffen, wo er dem Alkohol zuspreche und Kontakte zu Künstlern suche. „Er strebt Frauenbekanntschaften an, um intime Beziehungen herzustellen.“ Krone verfüge zwar über politisches Wissen, wende dieses aber nicht im Sinne der marxistischen Weltanschauung an. Grund genug, ihm 1972 ein Hochschulstudium zu verweigern.

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Aktzeichnen trotz Stasi

Großes Gelächter im Vortragssaal des Potsdam Museums. Wie wenig Krone diese Beurteilung und die Ablehnung seines Studieninteresses gekümmert haben dürfte, zeigt gleich einer der ersten Fotografien des Abends, die groß über den Zeitzeugen an die Wand projiziert werden. Wir sehen im Vordergrund eine odaliskenhaft hingebreitete Nackte, im Hintergrund den konzentriert mit Aktzeichnen beschäftigten jungen Krone. Die Moderatorin des Abends, Susanne K. Fienhold Sheen, Stadtführerin und Mitglied im Förderverein des Potsdam Museums, kann sich vieldeutige Bemerkungen Richtung Publikum nicht verkneifen.

So locker ist die Stimmung am ganzen Donnerstagabend in der dritten Folge der Zeitzeugenreihe des Potsdam Museums anlässlich des 30. Jahrestages der friedlichen Revolution. Im Grunde ist die Veranstaltung ein Klassentreffen. Die Zeitzeugen, zu denen neben Krone auch die Fotografin Monika Schulz-Fieguth (1949) und der freie Kurator Thomas Kumlehn gehören, haben auch ihre damaligen Mitstreiter, Verwandte und Freunde als Besucher mitgebracht. Die versammelte Kunstszene des alten Potsdam blättert via Diaschau sozusagen im Fotoalbum und erinnert sich an diese und an jene Begebenheit. Denn die DDR war gar nicht so grau in grau, zumindest nicht für Künstler.

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Künstler-WG in Potsdam

Monika Schulz-Fieguth zum Beispiel wurde zusammen mit ihren Kommilitonen während ihres Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig vom damaligen Dozenten Bernhard Heisig ermuntert, sich ruhig Themen zu widmen, an die sich keiner herantraute. Punks fotografieren? Wunderbar! Später lebte sie in der Künstlerkommune in der Villa Rumpf in Potsdam. Eine Zeit, von der sie heute noch schwärmt. Thomas Kumlehn hatte als Kurator im damaligen Kulturhaus „Hans Marchwitza“, dem Vorläufer des Museums, keine Schwierigkeit, das staatstragende Wandbild „Potsdamer Alltag“ des Malers Werner Nerlich zu verhängen, um andere Bilder zur Geltung zu bringen. Auch setzte er sich für kritische Künstler wie den Schriftsteller Johannes Jansen ein.

Fast wäre der Ernst des Anlasses untergegangen, hätte man sich nicht auch der dunkleren Seiten gerade des Jahres 1989 erinnert. Lothar Krone hatte bei einer Demo in Potsdams Innenstadt am 7. Oktober zum ersten Mal Lkws mit Schiebevorrichtungen gesehen, hinter denen man Menschen einsperren konnte. Das Bild werde er ins Grab nehmen. „Es waren regelrechte Menschenjagden.“ Auch die Fotografin Monika Schulz-Fieguth zitterte, als sie eine Demo in Leipzig dokumentierte, wo zum Glück nichts passierte. Von einer „heißen Zeit“ unmittelbar vor und nach dem Fall der Mauer sprachen alle. Dass dieser Moment dann selbst für die schon immer unangepassten Künstler eine Wende bedeutete ließ die Fotografie am Schluss ahnen: Monika Schulz-Fieguth Champagner trinkend mit einem Mann auf der endlich offenen Glienicker Brücke. Es ist ihr Bruder Jürgen Braksch, der drei Wochen vor dem 9. November offiziell nach West-Berlin ausgereist war. Heute ist die Familie wieder vereint – im Osten.

Von Rüdiger Braun

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