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Widerstand in Schönefeld

Protestcamp gegen Abschiebezentrum am BER: Was die Aktivisten fordern

Teilnehmer am Protestcamp der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern»“bauen ihre Zelte auf, während über ihnen ein Flugzeug fliegt. Bis zum 6. Juni werden sich Aktivisten in der Nähe des Kiekebusch Sees gegen Abschiebungen protestieren.

Teilnehmer am Protestcamp der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern»“bauen ihre Zelte auf, während über ihnen ein Flugzeug fliegt. Bis zum 6. Juni werden sich Aktivisten in der Nähe des Kiekebusch Sees gegen Abschiebungen protestieren.

Kiekebusch. Zehn Uhr. Das Camp erwacht langsam zum Leben. Während die einen sich noch an einen Plastikbecher Kaffee klammern oder sich am Gemeinschaftswaschbecken den Schlaf aus den Augen spülen, sind andere schon dabei, Küchenschichten zu verteilen, Zelte aufzuspannen und Plakate aufzuhängen. Mit dem großen rot-weißen Zirkuszelt in der Mitte, den Bierbänken vor der offenen Feldküche und den bunten Plakaten sieht das Gelände am Kiekebuschsee (Dahme-Spreewald) aus wie ein Musikfestival. Wenn da nicht die tieffliegenden Flugzeuge wären, die alle fünf Minuten über die Zelte hinwegdonnern und die Besucher daran erinnern, warum sie eigentlich hier sind.

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Sechs Tage lang campen Aktivistinnen und Aktivisten direkt am Flughafengelände des BER, um gegen das Behördenzentrum zu protestieren, das dort entstehen soll. Über 500 Menschen sollen sich für das „Stop Deportation Camp“ angemeldet haben, das von der Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ organisiert wird. Rund 60 Zelte stehen schon auf der Wiese neben dem Zaun, der Flughafengelände und Protestcamp trennt.

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Lange war unklar, ob das Camp überhaupt stattfinden kann. Erst Entscheidungen des Verwaltungsgericht Potsdam und des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gaben den Weg frei, nachdem die Brandenburger Polizei das Camp an Kiekebusch See verhindern wollte.

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Protestcamp am Flughafen BER dauert sechs Tage

Maja sucht gerade mit drei Freunden einen Platz, um ihr Zelt aufzuspannen. Sie ist extra aus Kopenhagen gekommen. „Ich bin hier, um gegen das Abschiebezentrum am BER und das Abschieberegime zu protestieren. Für mich ist das ein Zeichen von globaler Ungerechtigkeit“, sagt die 22-Jährige. Auch ihr Heimatland Dänemark versuche sich immer mehr gegen Migranten und Geflüchtete abzuschotten. Es könne nicht sein, dass Menschen, die keine Dokumente vorweisen können, fast wie im Gefängnis leben müssen, sagt sie.

Das Wort Behördenzentrum nimmt hier keiner in den Mund. Sie nennen das, was ein paar hundert Meter von hier auf dem Flughafen entstehen soll, nur Abschiebezentrum. Nach derzeitigen Planungen soll das Zentrum 2026 in Betrieb genommen werden. Das Land will den Behördenkomplex von einem privaten Investor bauen lassen und das Gebäude für 30 Jahre mieten. Über den Mietvertrag wird noch verhandelt.

Die ersten Zelte stehen schon auf dem Gelände des Protestcamps am Kiekebusch See.

Die ersten Zelte stehen schon auf dem Gelände des Protestcamps am Kiekebusch See.

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Geplant ist ein großer Komplex, in dem sämtliche Behörden zusammenarbeiten sollen, die mit Migration zu tun haben. Zudem ist ein Transitgebäude mit rund 60 Plätzen für Menschen im Flughafenverfahren sowie ein Gewahrsamsgebäude mit rund 50 Plätzen für Menschen im Ausreisegewahrsam vorgesehen. Im Ausreisegewahrsam sollen ausreisepflichtige Ausländer maximal zehn Tage lang untergebracht werden, um ihre Abschiebungen sicherzustellen. Das Projekt sorgt auch in der Brandenburger Koalition für Unmut – die Grünen sind strikt dagegen.

Linksfraktion hat Verfassungsklage eingereicht

Auch die Linken protestieren. Wegen der spärlichen Informationspolitik des Innenministeriums hat die Fraktion nach eigenen Angaben eine Klage beim Landesverfassungsgericht eingereicht. Andrea Johlige, migrationspolitische Sprecherin, wirft dem Innenministerium Intransparenz und Vertuschung vor. „Mehrfach habe ich versucht, genaues über die Kosten und Verträge herauszufinden – vergeblich“, sagt die Linken-Politikerin. Trotz heftiger Kritik aus der Zivilgesellschaft und der Opposition seien 315 Millionen Euro für das umstrittene Abschiebezentrum im Landeshaushalt eingestellt worden.

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Das Behördenzentrum ist für viele Aktivistinnen und Aktivisten im Protestcamp vor allem ein Symbol der Abschottung und der Ausgrenzung. Die Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ spricht sich generell für ein Abschiebeverbot aus, sie fordert Bewegungsfreiheit und ein Bleiberecht für alle Menschen.

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Initiative „Abschiebezentrum BER verhindern“ kündigt Demonstration an

Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen nicht nur ein Zeichen setzen, sondern sich untereinander vernetzen und voneinander lernen. Dazu sind verschiedene Workshops und Podiumsdiskussionen geplant, aber auch Konzerte und eine Drag Show. Am kommenden Montag, den 5. Juni, soll um 14 Uhr eine Demonstration vor dem Rathaus Schönefeld starten. Der Demonstrationszug soll auch am Terminal 5 vorbeiziehen, an dem Ort, von dem bisher die Sammelabschiebungen am BER starten.

Zongo Seydou engagiert sich für die Organisation „No Border Assembly“.

Zongo Seydou engagiert sich für die Organisation „No Border Assembly“.

Zongo Seydou weiß, wie sich das anfühlt, mit einer drohenden Abschiebung zu leben. Nicht zu wissen, wie es mit dem eigenen Leben weitergeht, nicht arbeiten zu dürfen, seinen Wohnort nicht verlassen zu dürfen. Er sitzt im großen roten Zirkuszelt auf einem Podium und erzählt seine Geschichte. Auf seinem schwarzen T-Shirt prangt eine weiße Trillerpfeife. Seydou ist Aktivist für Menschenrechte. Das ist auch der Grund, weshalb er vor zehn Jahren aus seinem Heimatland Burkina Faso fliehen musste.

Seydou war selbst jahrelang von einer Abschiebung bedroht, weil sein Asylantrag 2018 abgelehnt wurde. „Die Ausländerbehörde hat mich damals massiv unter Druck gesetzt. In der Zeit ging es mir sehr schlecht, ich bekam Depressionen“, sagt der 37-Jährige. Seydou war verzweifelt, wusste nicht, wie er weitermachen sollte. Er kennt viele Menschen, die abgeschoben worden sind oder in der Angst leben, abgeschoben zu werden. Einige von ihnen haben versucht, sich das Leben zu nehmen. „Ich hatte zum Glück Unterstützung von anderen Menschen, sonst würde ich heute nicht hier sitzen“, sagt er.

MAZ

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